Am 27. November 2013 haben Felix Wettstein (Fraktion Grüne) und Mitunterzeichnende folgende Interpellation eingereicht:
«Am 5. September 2013 hat das Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS den Bericht „Sozialhilfebezug in Olten – Vergleich mit anderen Solothurner Sozialregionen und Analyse von Einflussfaktoren“ vorgelegt, den die Einwohnergemeinde Olten in Auftrag gegeben hatte. Der Bericht hält in seinem Fazit fest, dass die Sozialregion Olten ihre Sozialhilfequote nicht beliebig beeinflussen könne. Gleichwohl sind fünf Handlungsfelder auszumachen, in welchen Möglichkeiten bestehen, das Ausmass von Sozialhilfeabhängigkeit zu beeinflussen.
Die fünfte Empfehlung des Berichts handelt von möglichen Lösungen für langjährige Sozialhilfebeziehende. Diese sind in der Region Olten anteilmässig zahlreicher als andernorts. Unter ihnen gibt es einen überproportional hohen Anteil an Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, auch Suchtproblematiken. Zitat aus dem Bericht (S. 70):
„Für Personen mit Leistungsbeeinträchtigungen bieten die gängigen Angebote zur Integration eventuell nicht die gleichen Erfolge wie für gesunde Personen. Sie können oft nicht einfach aus der Sozialhilfe abgelöst werden. Vielmehr liegt die Herausforderung in der Suche nach Möglichkeiten, um auch ihnen sinnstiftende Tätigkeit zu ermöglichen.“
Das Ziel ist damit gesetzt: Sozialhilfebeziehende, welche bereits über längere Zeit auf Unterstützung der Sozialhilfe angewiesen sind, sollen sinnstiftende Tätigkeiten ausüben können und ihre Chancen auf ökonomische Eigenständigkeit erhöhen können. Handlungsebene für mögliche Massnahmen scheint uns die Sozialregion zu sein.
Vor diesem Hintergrund ersuchen wir den Stadtrat um die Beantwortung der folgenden Fragen:
1. Wie viele Erwachsene, die nicht in Ausbildung stehen und seit 4 Jahren oder mehr Sozialhilfe beziehen, hat die Sozialregion Olten (zu einem Stichdatum kurz vor Beantwortung dieser Interpellation)?
2. Was unternimmt die Sozialregion spezifisch für diese Zielgruppe (d.h. über die sonstigen Massnahmen der Erwerbsintegration hinaus) zur Vermittlung von sinnstiftenden Tätigkeiten und mittelbar für Wege in die finanzielle Eigenständigkeit?
3. Von welchen erfolgreichen Beispielen einer Ablösung aus der Sozialhilfe nach einer langen Dauer kann die Sozialregion berichten (selbstverständlich anonymisiert)?
4. Was sind die Erfolgsfaktoren hinter den gelungenen Beispielen gemäss Frage 3? Welche dieser Faktoren liegen im Einflussbereich der Sozialbehörden?
5. Wie pflegt die Sozialregion Olten den Austausch mit anderen Sozialbehörden zu den Erfahrungen, wie es gelingt, Menschen nach lange dauernder Sozialhilfe abzulösen? Was sind bisherige Erkenntnisse und Ergebnisse dieses Austauschs für die Sozialregion Olten? Was plant sie darüber hinaus zu tun?
Begründungen: Im Vorstosstext enthalten».
Für den Stadtrat beantwortet Stadtrat Peter Schafer die Interpellation wie folgt:
1. Wie viele Erwachsene, die nicht in Ausbildung stehen und seit 4 Jahren oder mehr Sozialhilfe beziehen, hat die Sozialregion Olten (zu einem Stichdatum kurz vor Beantwortung dieser Interpellation)?
Gemäss BFS-Statistik, die auch Grundlage der Studie BASS war, beträgt der Anteil der Fälle nach Bezugsdauer (laufende Fälle) mit einer Bezugsdauer von 4 Jahren und mehr 29%. Diese Fälle betreffen allerdings nicht nur die vom Interpellanten erfragten Personen, sondern auch Langzeitfinanzierungen im Kindes- und Jugendschutz (Platzierungen in Familien, Heimen und anderen Institutionen). Schätzungsweise dürften ca. 15% der Fälle bzw. ca. 150 Personen in diese Kategorie fallen.
2. Was unternimmt die Sozialregion spezifisch für diese Zielgruppe (d.h. über die sonstigen Massnahmen der Erwerbsintegration hinaus) zur Vermittlung von sinnstiftenden Tätigkeiten und mittelbar für Wege in die finanzielle Eigenständigkeit?
Personen aus dieser Zielgruppe sind aus unterschiedlichen Gründen unterstützungsbedürftig geworden (Krankheit, Unfall, Scheidung, Konkurs des Arbeitgebers, …). Alle vorangehenden Angebote (Haftpflicht, Opferhilfe, ALV, IV, Scheidungsgericht, …) sind ausgeschöpft worden. Alle Integrationsangebote (Arbeitsintegrationsprogramme, Case-Management, Sprachkurse, …) sind geprüft worden.
Es bleiben folgende Personengruppen in der Sozialhilfe:
a. Verhaltensauffällige, randständige und/oder suchtkranke Personen, die bei der IV nicht aufgenommen werden, im ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben und – nur mit grossem Aufwand (und entsprechenden Kosten) in Beschäftigungsprogrammen betreut werden können.
b. Personen mit psychischen und körperlichen Problemen, die bei der IV nicht aufgenommen werden, im ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben und – nur mit grossem Aufwand (und entsprechenden Kosten) in Beschäftigungsprogrammen betreut werden können.
c. Ältere Menschen, die kurz vor der (vorzeitigen) Pensionierung keine Anstellung mehr finden.
d. Alleinerziehende Personen, die keine Teilzeitanstellung finden (mangels Sprachkenntnissen, mangels Ausbildung, u.a.) und damit nicht in das System der Familienergänzungsleistungen aufgenommen werden.
Den unter a.) und b.) aufgeführten Personen werden im Rahmen der individuellen Fallführung und Betreuung die für ein menschenwürdiges Dasein notwendigen Leistungen gewährt, sofern diese zur Grundsicherung gehören oder von der Sozialkommission als situationsbezogene, notwendige Leistungen bewilligt werden. Dazu gehören u.a. ambulante Betreuungen oder Unterbringungen in Heimen für Randständige. Sofern die betroffenen Personen regelmässig persönlich vorsprechen, kann der Betreuungsaufwand hoch sein. Ziel ist jedoch, den Betreuungsaufwand gering zu halten (Kosten/Nutzen).
Die unter c.) aufgeführten Personen beziehen spätestens nach der (vorzeitigen) Pensionierung eine AHV-Rente. Das Existenzminimum wird bei Bedarf durch das System der Ergänzungsleistungen gesichert. Der Aufwand wird bei dieser Personengruppe möglichst gering gehalten.
Bei den unter d.) aufgeführten Personen wird einerseits versucht, allfällige Mängel (fehlende Sprachkenntnisse, …) zu beseitigen. Dazu stehen u.a. die Integrationsangebote der EGO zur Verfügung. Im Rahmen der individuellen Fallführung und Betreuung wird die Situation periodisch geprüft.
3. Von welchen erfolgreichen Beispielen einer Ablösung aus der Sozialhilfe nach einer langen Dauer kann die Sozialregion berichten (selbstverständlich anonymisiert)?
Wie bereits oben skizziert, ist bei den unter c.) und d.) aufgeführten Personen damit zu rechnen, dass die Ablösung im Zusammenhang mit der (vorzeitigen) Pensionierung (c.) oder mit dem Wegfall von Kinderbetreuungsaufgaben, dem Angebot eines Krippenplatzes oder dem Antritt einer Stelle z.B. nach erfolgreicher sprachlicher Integration (d.) erfolgt.
Bei den unter a.) und b.) aufgeführten Personen sind positive Beispiele insbesondere bei suchtkranken Menschen zu finden. Konkret hat beispielsweise die Sozialkommission einem jungen Suchtkranken (Vater eines Kindes) mehrere Anläufe zum Entzug und zur anschliessenden Therapie ermöglicht. Diese Person ist mittlerweile integriert, bezahlt Alimente und kümmert sich um ihr Kind.
4. Was sind die Erfolgsfaktoren hinter den gelungenen Beispielen gemäss Frage 3? Welche dieser Faktoren liegen im Einflussbereich der Sozialbehörden?
Haupt-Erfolgsfaktor ist das in der Schweiz praktizierte System der individuell bemessenen Sozialhilfe kombiniert mit individueller Beratung. Nur in einem solchen System können zwischen beratener und beratender Person ein Vertrauensverhältnis und eine Beziehung aufgebaut werden, die Basis jeder erfolgreicher Zusammenarbeit sind. Gestützt darauf können die Situation analysiert, Probleme und Ressourcen erkannt und Lösungen gefunden werden. Lösungen sind häufig mit Kostenfolgen verbunden. Alle Angebote und Leistungen zur Integration gehen über die Grundsicherung hinaus und werden deshalb der Behörde zur Beschlussfassung vorgelegt. Letztlich entscheidet hier die Behörde im Rahmen ihres Spielraums, ob eine Massnahme finanziert wird oder nicht.
5. Wie pflegt die Sozialregion Olten den Austausch mit anderen Sozialbehörden zu den Erfahrungen, wie es gelingt, Menschen nach lange dauernder Sozialhilfe abzulösen? Was sind bisherige Erkenntnisse und Ergebnisse dieses Austauschs für die Sozialregion Olten? Was plant sie darüber hinaus zu tun?
Die Sozialkommission der Sozialregion Olten pflegt keinen regelmässigen Austausch mit anderen Behörden.
Die Sozialregion Olten ist der Konferenz der Sozialregionen angeschlossen und hat diese während zwei Jahren präsidiert. Wichtige Erkenntnisse aus der Tätigkeit der verschiedenen Sozialregionen fliessen in dieses Gremium ein und stehen danach allen Sozialregionen zur Verfügung.
Die Sozialregionen delegieren Mitarbeitende in Arbeitsgruppen auf kantonaler Ebene. Dort findet entsprechender Austausch statt.
Zur Qualitätssicherung gehört die Weiterbildung der Sozialarbeitenden. Im Rahmen solcher Weiterbildungen findet Austausch mit Mitarbeitenden anderer Stellen statt.
In Zusammenarbeit von ASO, VSEG und Konferenz der Sozialregionen sind weitere Koordination und weiterer Austausch geplant.