Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrte Damen und Herren
Der Stadtrat unterbreitet Ihnen folgenden Bericht und Antrag:
Zusammenfassung
Aus der Ueberprüfung des Vormundschafts- und Sozialamtes durch die Fachhochschule Solothurn Nordwestschweiz ergab sich ein Massnahmenkatalog, der nach dem Willen des Gemeindeparlamentes umgesetzt werden soll. Der vorliegende Antrag beschreibt die Entwicklungen und Veränderungen bis zur heutigen aktuellen Situation: Personalwechsel, chronische Ueberlastung, gesundheitliche Probleme und zunehmendes Arbeitsvolumen führten zu Rückständen und Pendenzen, die aufzuarbeiten sind. Das Tagesgeschäft kann kaum bewältigt werden. Vergleiche mit anderen Kommunalwesen werden erwähnt, drei unterschiedliche Beurteilungen beigezogen. Die Beurteilungen belegen klar die um 28 bis 50 % höhere Fallbelastung gegenüber vergleichbaren Gemeinden. Der Antrag zeigt zwei mögliche Lösungsstrategien auf: Die erste baut auf insgesamt 160 zusätzlichen Stellenprozenten im Bereich der Administration auf. Damit soll das Tagesgeschäft bewältigt werden können. Die zweite geht davon aus, dass der Ueberlastung durch Auslagerung von Tätigkeiten begegnet werden soll. Die Auslagerung wird deutlich teurer kommen, jedoch bleibt der Stellenetat tief. Gleichzeitig gehen aber auch Einfluss, Steuerungsmöglichkeiten und Qualitätskontrolle verloren. Im Antrag wird aufgezeigt, wie nach Annahme der Anträge der Massnahmenkatalog der Fachhochschule umgesetzt werden soll. Die Umsetzung erfolgt hauptsächlich mit den Projekten Qualitätsmanagement, Organisationsentwicklung und Strategie Sozialdirektion. Bei einer Ablehnung hätten Auslagerung und Abgrenzung Priorität und der Massnahmenkatalog könnte höchstens parziell umgesetzt werden. Unabhängig davon, ob dieser Antrag angenommen wird oder nicht, wird die Sozialdirektion Führungsverantwortung wahrnehmen und die für das Personal und für die Qualität der Arbeit unhaltbare Situation verändern.
Der Stadtrat hat am 15. September 2003 bereits einen ersten Antrag mit Sofortmassnahmen behandelt. Die Stadtratsentscheide werden zuhanden des Parlamentes transparent aufgeführt. Der Stadtrat unterstützt die Anliegen der Sozialdirektion einstimmig, befristet jedoch die über den heutigen Etat hinausgehenden Stellen bis 31.12.2006.
Die Sozialhilfe- und Vormundschaftskommission unterstützt den Antrag einstimmig.
Die Sozialdirektion dankt Stadtrat und Sozialhilfe- und Vormundschaftskommission für die Unterstützung, akzeptiert die Befristung bis 31.12.2006 und wird im Jahre 2006 die aktuelle Situation neu prüfen.
Ausgangslage
Das Vormundschafts- und Sozialamt Olten wurde von der Fachhochschule Solothurn Nordwest- schweiz überprüft (Auftrag vom 18.02.2002). Das Sozialversicherungsamt wurde dabei nicht berücksichtigt. Die Fachhochschule Solothurn erstellte einen Bericht. Dieser belegte die hohe Fallbelastung der Mitarbeitenden im Vormundschafts- und Sozialamt Olten verglichen mit denjenigen der Städte Solothurn und Grenchen. Je nach Betrachtungsweise ist diese um 28 bis 50 % höher (vgl. Bericht Fachhochschule, S. 18 – 20). Auf Grund des Berichtes wurde ein Mass- nahmenkatalog erstellt. Einzelne Massnahmen, u.a. die Fallführung und –dokumentation in KLIB (Software) und die Aufteilung der Direktion in drei Aemter mit einer flachen Hierarchie, sind bereits umgesetzt.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Berichtes der Fachhochschule bewilligte das Gemeindeparlament am 14.11.2002 (Prot.-Nr. 33) die Verlängerung einer befristeten 80%-Sozialarbeitsstelle, neu zu 100%. Per 01.02.2003 wurde die Stelle befristet bis zum 31.1.2005 besetzt. Eine weitere 100%-Sozialarbeiterstelle wurde für ein Jahr bewilligt. Diese wurde per 1.2.2003 befristet bis zum 31.1.2004 besetzt. Die Zustimmung zu den Verlängerungen erfolgte unter Auflagen.
Mit dem vorliegenden Antrag sollen nun unter Berücksichtigung der Studie der Fachhochschule Solothurn, der Analyse des Interimleiters des Vormundschaftsamtes, Ulrich Bohren, und der Bestandesaufnahme des neuen Vorsitzenden der Verwaltungsleitung der Sozialdirektion, Hans Peter Müller, die aktuelle Situation beschrieben, Probleme aufgezeigt und ein Lösungsvorschlag unterbreitet werden. Gleichzeitig soll aufgezeigt werden, welche Folgen eine Ablehnung dieses Antrages auf die drei Aemter, Vormundschafts-, Sozial- und Sozialversicherungsamt hätte.
Um die heutige Situation angemessen würdigen zu können, ist eine kurze Rückschau auf die letzten Jahre notwendig:
Ueber Jahre wurde das Vormundschafts- und Sozialamt mit vergleichsweise wenig Personal geführt. Dank gut eingearbeitetem, motiviertem und gesundem Personal und einer geringen Fluktuationsrate konnte das Tagesgeschäft erledigt und der Betrieb aufrecht erhalten werden. Das Fachwissen war vorhanden. Krankheitsbedingte Absenzen waren selten. Ueberstunden wurden geleistet, wenn die Arbeit dies erforderte. Die Arbeiten konnten knapp aber gesetzes- konform und in genügender Qualität ausgeführt werden. Zeitlich war es jedoch nicht möglich, Neuerungen wie beispielsweise ein Qualitätsmanagement einzuführen, sich Weiterzubilden oder Ueberstundensaldi gar abzubauen.
Im Jahre 2002 veränderte sich die Situation in Vormundschafts- und Sozialamt dramatisch. Dafür gab es mehrere Ursachen:
· Das wirtschaftliche Umfeld veränderte sich zu Ungunsten unserer Klientinnen und Klienten. Ihre Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt wurde schwieriger und teilweise unmöglich. Entsprechend nahm die Zahl der langfristig und umfassend zu betreuenden Peronen zu.
· Die Fallführung im Vormundschafts- und im Sozialbereich wurde komplexer und aufwändiger. Klientinnen und Klienten traten fordernder und aggressiver auf.
· Die Studie der Fachhochschule, die Trennung der Aemter und die Einführung der flachen Hierarchie führten beim Personal zu Verunsicherungen und Aengsten.
· Das neu eingeführte EDV-System führte nicht zu einer stundenmässigen Entlastung, sondern verbesserte Qualität, Dokumentation und Transparenz. Mehr Daten wurden erfasst. Zusätzlicher Arbeits- und Schulungsaufwand entstand.
· Im Oktober 2002 erkrankte ein Mitarbeiter und war längere Zeit arbeitsunfähig.
· Per März 2003 kündigte ein langjähriger, gut qualifizierter Sozialarbeiter.
· Ein Mitarbeiter starb nach längerer Erkrankung. Seine Leistung liess im letzten Jahr seiner Tätigkeit stark nach. Er hinterliess viele Pendenzen, die bis heute nicht aufgearbeitet werden konnten und die Fallführung erschweren.
· Das Team des Vormundschaftsamtes musste letztlich vollständig mit neuen Mitarbeitenden besetzt werden. Fachwissen früherer Mitarbeitender ging dabei verloren.
Die Personalwechsel, die zunehmende Komplexität der Fälle und die grössere Datenmenge im Bereich von EDV belasteten auch das Personal im administrativen Bereich. Einzelne Mitarbei- tende erreichten die Grenzen ihrer Belastbarkeit oder überschritten diese. In der Buchhaltung nahm die Arbeitsbelastung als Folge der höheren Anzahl Buchungen massiv zu. Die Personal- fluktuation wirkte sich aus. Beispielsweise mussten bei jedem Personalwechsel Berichte erstellt, Vollmachten und Berechtigungen im Verkehr mit Banken neu geregelt und Mitarbeitende einge- führt und geschult werden.
Mittlerweile sind krankheitsbedingte Absenzen beim Administrativpersonal nicht mehr verkraft- bar. Daraus entstehende Rückstände und Pendenzen können nicht mehr aufgeholt werden. Mit weiteren krankheitsbedingten Ausfällen ist zu rechnen, findet nicht in absehbarer Zeit eine Ent-lastung statt. Mitarbeitende haben unzählige Überstunden geleistet. Einzelne sind dazu aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage. Die Last wird auf alle Mitarbeitenden verteilt und führt zu neuen und zusätzlichen Problemen.
Die befristeten Stellen verunsichern unser Personal. Direkt betroffene Sozialarbeitende suchen sich neue, sichere Stellen. Freie Stellen werden durch neue Mitarbeitende besetzt, die wieder eingearbeitet und aufgebaut werden müssen. Jeder Wechsel führt zum Verlust von Fachwissen, verunsichert und belastet die verbleibenden Mitarbeitenden zusätzlich.
Der Personaletat im Vormundschafts- und Sozialamt Olten, welcher aus obenerwähnten Grün-den während Jahren niedrig gehalten werden konnte, muss der neuen Situation angepasst werden. Dazu sind Vergleichswerte wie der Überprüfungsbericht der Fachhochschule, das Modell Ulrich Bohren, die Berner Richtwerte und die Bestandesaufnahme des Verwaltungsleiters der Sozialdirektion beizuziehen.
Der Aufbau der regionalen Arbeitsvermittlungszentren brachte für das Sozialversicherungsamt bleibende Veränderungen. Das städtische Arbeitsamt wurde aufgehoben, die Arbeiten vom Kanton übernommen. Als wichtigste Aufgaben blieben die Abteilungsleitung, die AHV-Zweigstelle, die kantonalen und städtischen Ergänzungsleistungen sowie die Vertretung bei gemeinnützigen Organisationen, die Führung des Sekretariates von Kommissionen und die Koordination von Aufgaben im Alters- und Gesundheitsbereich.
Mit der Einführung des neuen Krankenversicherungsgesetzes KVG wurden dem Sozialver-sicherungsamt zusätzliche Aufgaben übertragen. Die Erfüllung dieser Aufgaben wurde mit 60 Stellen-% veranschlagt (vgl. Bericht vom 14. August 1995, Dr. Keller, Seite 16). Die Stellen-prozente wurden dafür aber nie zur Verfügung gestellt.
Der Personaletat des Sozialversicherungsamtes wurde seit 1996 den neuen Gegebenheiten nicht angepasst. Die Folge davon sind unerledigte oder nur beschränkt wahrgenommene Auf- gaben. Besonders deutlich zeigt sich dies im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung nach KVG. Von 8'000 Einwohnern ist nicht bekannt, ob und bei welcher Kasse diese versichert sind.
In den folgenden Abschnitten soll die aktuelle Situation in den drei Aemtern, Vormundschafts-, Sozial- und Sozialversicherungsamt dargestellt werden:
Vormundschaftsamt
Im Vormundschaftsamt ist ein Team mit neu eingestellten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern tätig. Eine Sozialarbeiterin kündigte während der Probezeit. Sie führte Kindesschutzmassnahmen und bearbeitete Gefährdungsmeldungen mit dringendem Handlungsbedarf. Die Dossiers konnten von ihren Vorgängern wegen Arbeitsüberlastung während Monaten nicht mehr vollständig bearbeitet werden. Die Stelle ist temporär sofort wieder besetzt worden. Ab Dezember 2003 wird sie definitiv besetzt. Eine Verzögerung durch eine Vakanz wäre nicht zu verantworten gewesen.
Ein Sozialarbeiter führt Fälle des verstorbenen Sozialarbeiters. Diese wurden im letzten Jahr nicht mehr genügend bearbeitet. In einzelnen Dossiers lassen sich Pendenzen finden, wie beispielsweise nicht beantragte oder angepasste Ergänzungsleistungen oder nicht vermietete Liegenschaften. Mangels Kapazität konnte hier auch kein Controlling greifen.
Im Amt häufen sich weitere Pendenzen aus den letzten Monaten und Jahren, wie beispielsweise seit 2001 nicht erstellte Kindesvermögensinventare, seit 2002 fällige Berichte ehemaliger Mitar- beitender, pendente Unterhaltsverträge, nicht bearbeitete Gefährdungsmeldungen, Klientenkonti mit Minussaldi ohne Deckung durch Kostengutsprachen, fehlendes Qualitätsmanagement und weitere nicht wahrgenommene organisatorische und klientenbezogene Aufgaben.
Die Pendenzen lassen sich aufarbeiten, die Probleme lösen, sofern personelle Ressourcen dazu zur Verfügung stehen.
Folgende Schritte sind geplant:
· Aufhebung der Befristung von Stellen
· Sofortige Wiederbesetzung vakanter Stellen
· Befristeter Einsatz von 60% Sozialarbeit für 6 Monate zur Aufarbeitung der bestehenden Pendenzen
· Befreiung der Abteilungssekretärin von administrativen Aufgaben im Sozialamt. Diese soll ganz für Aufgaben in Vormundschaftsamt und Verwaltungsleitung zur Verfügung stehen.
Sozialamt
Die Buchhaltung ist mangels personeller Ressourcen und auf Grund der einleitend beschrieben- en Situation nicht à jour. Das administrative Personal ist chronisch überlastet. Gesundheitliche Folgen sind absehbar. Die Abteilungssekretärin Vormundschafts- und Sozialamt kann mehrheit-lich nur noch im Bereich Verwaltungsleitung und Vormundschaftsamt eingesetzt werden. Eine Entlastung des Administrativpersonals durch zusätzliche Ressourcen ist unabdingbar.
Die Buchhalterin wird zudem 6 – 8 Wochen ausfallen, da sie sich einer Operation unterziehen muss. Für diese Zeit fehlt intern die Kapazität für eine Stellvertretung.
Folgende Schritte sind geplant:
· Aufhebung der Befristung von Stellen
· Befreiung der Abteilungssekretärin von administrativen Aufgaben im Sozialamt. Diese soll ganz für Aufgaben in Vormundschaftsamt und Verwaltungsleitung zur Verfügung stehen.
· Besetzung von zusätzlichen 100 Stellen-% im Bereich Administration mit den Inhalten Ent- lastung der Buchhaltung, Sachbearbeitung für die Sozialarbeitenden, den Leiter des Sozial- amtes und die Sozialhilfekommission.
· Dreimonatiger Einsatz einer temporären Arbeitskraft zu 100% für Buchhaltungsarbeiten während der Abwesenheit unserer Buchhalterin.
Sobald die personellen Ressourcen dies erst ermöglichen, können Abläufe gestrafft, Ueber- schneidungen mit dem Vormundschaftsamt aufgelöst, ein Qualitätsmanagement eingeführt und der Massnahmenkatalog zum Bericht der Fachhochschule, soweit möglich und sinnvoll, umge-setzt werden.
Sozialversicherungsamt
Arbeiten von Kommissionen können nur noch beschränkt wahrgenommen werden. Die Ueber- wachung des Krankenkassenobligatoriums weist Mängel auf. Bei 8'000 Einwohnern der Stadt wissen wir nicht, ob und bei welcher Kasse diese versichert sind. 1996 waren die Ergänzungs- leistungen nachgeführt. Im Jahre 2002 fehlten bei 583 Dossiers von insgesamt 686 Unterlagen. Dadurch entsteht Mehraufwand, muss doch dasselbe Dossier mehrmals bearbeitet werden. Früher erfolgte die Bearbeitung in einem Schritt. Mehraufwand ist zudem durch Arbeiten im Zusammenhang mit Spitex und den Alters- und Pflegeheimen entstanden.
Folgende Schritte sind geplant:
· Besetzung von zusätzlichen 60 Stellen-% (30% im Bereich der AHV-Zweigstelle und der Ergänzungsleistungen, 30% im Bereich des Sozialversicherungsamtes).
· Aufarbeiten der Pendenzen und Erarbeiten eines Vorgehensplanes zur Erfüllung des KVG-Obligatoriums.
Sozialdirektion
Die Ausgangslage der Aemter ist oben geschildert worden. Die Verwaltungsleitung konnte mangels personeller Ressourcen und wegen der Ueberlastung der Abteilungssekretärin die letzten Jahre nicht mehr richtig wahrgenommen werden. Vertretungen sollten wieder aufgebaut, Kommissionen zum Leben erweckt, Strategien entworfen und der Gesamtauftritt geplant werden. Ohne weitere Ressourcen wird hier weiter abgebaut werden müssen.
Folgende Schritte sind geplant:
· Befreiung der Abteilungssekretärin von administrativen Aufgaben im Sozialamt. Diese soll ganz für Aufgaben in Vormundschaftsamt und Verwaltungsleitung zur Verfügung stehen.
Erwägungen
Die Situation in Vormundschafts-, Sozial- und Sozialversicherungsamt muss ernst genommen werden. Der Personalbestand soll geltenden Standards angepasst werden. Der Betrieb für die Erfüllung des gesetzlichen Aufgaben ist aufrecht zu erhalten. Das Personal ist vor Ueberlastung und weiteren Erkrankungen zu schützen. Dabei sind die nachfolgenden Punkte mit einzube- ziehen:
Die Studie der Fachhochschule belegt die hohe Fallbelastung der Sozialdirektion Olten ver- glichen mit Grenchen und Solothurn. Je nach Betrachtungsweise ist diese um 28 bis 50 % höher (Richtzahl: Fälle pro 100 Stellenprozent in Olten 79, in Grenchen und Solothurn 55). Die von der Fachhochschule vorgeschlagene Organisationsform mit einer flachen Hierarchie ist bereits um- gesetzt worden. Weitere Verbesserungen in Bezug auf Abläufe, Organisation und Qualitäts- management sind in einem Massnahmenkatalog zusammengefasst, der noch umgesetzt werden soll.
Der Interimsleiter des Vormundschaftsamts, Ulrich Bohren, erstellte im Juni 2003 eine Planstudie. Im Modell Bohren werden Fälle den Kategorien komplex und einfach zugeteilt. Pro Jahr werden für einfache Fälle 6.6 Stunden Sozialarbeit, 5 Stunden Administration und 3 Stunden Buchhaltung gerechnet. Für komplexe Fälle wird mit 30 Stunden Sozialarbeit, 8 Stunden Administration und 3 Stunden Buchhaltung gerechnet. Aus diesen Zahlen wird ein Sollbestand an Mitarbeitenden gerechnet. Würde der Sollzustand an Personal zur Verfügung stehen, hätte Olten eine durchschnittliche Fallbelastung von 66 Fällen pro 100 Stellenprozent.
U. Bohren vergleicht diese Richtzahl mit dem „Berner-Schlüssel“, der davon ausgeht, dass 80 Fälle mit 100% Sozialarbeit und 30% Administration zu bewältigen sind. Der Berner Schlüssel ist auf Grund umfassender Abklärungen im Kanton Bern als Richtgrösse eingeführt worden und geniesst im ganzen deutschschweizerischen Raum Beachtung. Umgerechnet auf Fallbelastung pro beschäftigte Person ergibt sich beim Berner-Schlüssel eine Richtzahl von 62 Fällen pro beschäftigte Person.
Um in Olten den Sollbestand nach Modell Bohren und damit eine Richtzahl von 65 Fällen pro beschäftigte Person zu erreichen, müssten im Vormundschaftsamt 81 und im Sozialamt 96 Stellenprozent zusätzlich zum heutigen Stand besetzt werden, total somit 177 Stellenprozent.
Der neu gewählte Vorsitzende der Verwaltungsleitung beurteilt die Situation wie folgt: Langjähriges, gut eingespieltes und motiviertes Personal bewältigte das zunehmende Arbeitsvolumen, geriet aber durch die in der Einleitung aufgeführten Ereignisse an Grenzen. Pendenzen blieben bestehen und häuften sich. Die Personalfluktuation nahm zu. Mitarbeitende erkrankten. Durch Personalwechsel ging Fachwissen verloren. Für die Einarbeitung neuer Mitarbeitender fehlte die Zeit. Die Kapazitäten der Leitung waren dadurch gebunden. Für Organisation und Planung fehlte die Zeit.
Vormundschaftsamt und Sozialamt sind im Bereich Sozialarbeit getrennt, jedoch überschneiden sich Administration und Sekretariatsaufgaben.
Das administrative Personal ist massiv überbelastet. Eine dringend notwendige Entlastung soll im Rahmen von 100 zusätzlichen Stellenprozent für die Administration erfolgen. Dadurch wird eine bessere Abgrenzung der Aemter möglich. Die Abteilungssekretärin wird ganz für das Vormundschaftsamt arbeiten und zudem Aufgaben für die Verwaltungsleitung und die Sozialdirektion wahrnehmen.
Sollten die Ressourcen nicht zur Verfügung gestellt werden, sind folgende Schritte geplant:
Vormundschaftsamt
Das Vormundschaftsamt wird von sich aus für die Sozialarbeitenden eine Belastungsgrenze definieren und kommunizieren. Ist diese erreicht, werden keine neuen Fälle angenommen. Abklärungsaufträge, Kindesschutzmassnahmen, Fallführungen und weitere Arbeiten werden unter Kostenfolge für die Stadt Olten und im Rahmen der Entscheidungskompetenz der Vormundschaftsbehörde an geeignete Drittstellen triagiert. Die Administration müsste durch Auslagerung von Buchhaltung und Berichtskontrolle entlastet werden. Die entsprechenden Budgetüberschreitungen würden als gebundene Nachtragskredite das Budget der Stadt belasten. Die gesetzliche Grundlage dazu liefern das Schweizerische Zivilgesetzbuch ZGB (Kindesschutz, Vormundschaftsrecht) und das kantonale Gesetz über die Einführung des ZGB.
Sozialamt
Das Sozialamt kann die Ausrichtung wirtschaftlicher Hilfe nicht im selben Rahmen unter Kosten- folgen auslagern, wie dies im vormundschaftlichen Bereich möglich wäre. Jedoch wird das Sozialamt den Klientenbestand in A-, B- und C-Kunden aufteilen. A-Kunden wären die 20% der Klienten, bei denen mit intensiven Bemühungen eine Ablösung von der Sozialhilfe erreichbar sein könnte. Diese würden prioritär bearbeitet. B-Kunden würden noch verwaltet und periodisch überprüft, bei C-Kunden würde die Auszahlung mit Daueraufträgen erfolgen und eine Ueber- prüfung noch halbjährlich stattfinden. Die Administration müsste zusätzlich dadurch entlastet werden, dass beispielsweise Arztrechnungen von den Klienten bezahlt und Rückerstattungen bei den Krankenkassen von den Klienten geltend gemacht werden müssten. Für die Stadt würden auch im Sozialamt Folgekosten entstehen, die gegenüber den Kosten für 100 Stellenprozente Administration kaum zu rechtfertigen wären. Nur „verwaltete“ Klienten gewöhnen sich an die Existenz mit Sozialhilfe. Eigene Bemühungen, sich von der Hilfe abzulösen, unterbleiben. Parallel dazu kann schwarz gearbeitet und so vom Personalmangel im Sozialamt profitiert werden. Klienten werden zudem Selbstbehalte der Krankenkasse selber verwenden und die Arztrechnungen nicht bezahlen. Der Ruf des Sozialamtes würde entsprechend Schaden nehmen, Vorurteile würden genährt. Die gesetzliche Grundlage für die weitere Ausrichtung von Leistungen liefert das kantonale Sozialhilfegesetz.
Das Sozialamt wird ohne entsprechende Ressourcen nicht in der Lage sein, eine Strategie zu entwickeln, wie dies beispielsweise in einer Motion von Werner Good gefordert worden ist, Sozialhilfeempfangende zu fördern und zu integrieren anstatt zu verwalten. Auch die Einführung eines anreizorientierten Sozialhilfesystems, am 24. Januar 2002 von Daniel Probst im Rahmen einer Motion angeregt, würde – Sinn und Machbarkeit vorerst ausgeklammert - bereits an fehlenden Ressourcen scheitern.
Sozialversicherungsamt
Arbeiten für Kommissionen müssten reduziert werden. Die Kontrolle des Krankenkassenobligatoriums (gesetzliche Grundlage: Bundesgesetz über die Krankenversicherung KVG) wäre weiterhin nicht gewährleistet. Dienstleistungen für Kunden und andere Amtsstellen müssten reduziert werden. Vertretungen im Auftrag der Stadt bei gemeinnützigen Organisationen, in Kommissionen und in Vereinen und Stiftungen (z.B. Spitex) müssten abgebaut und reduziert werden. Organisationen würden zwar weiterhin von der Stadt finanziell unterstützt, jedoch hätte die Stadt keine Vertretung mehr. Einfluss und Kontrolle würden verloren gehen.
Die geschilderten Probleme sind lösbar, entweder durch zusätzliche Ressourcen im gewünsch- ten und bescheiden beantragten Rahmen oder durch das geschilderte Vorgehen für den Fall einer Ablehnung des Antrages. Keinesfalls kann im bisherigen Rahmen weitergearbeitet und Personal verbraucht werden. Als Arbeitgeber hat hier die öffentliche Hand Verantwortung.
Die vorliegenden Studien weisen einen höheren Bedarf an Ressourcen aus als beantragt wird. Es geht der Verwaltungsleitung jedoch nicht darum, den Personaletat auf ein gerechnetes Soll aufzustocken, sondern die bestehenden Probleme qualitativ zufriedenstellend und mit beschei- denen Mitteln zu lösen. Eine Ablehnung des Antrages würde Auftritt und Wirken der Sozial-direktion einschränken. Die Kostenfolgen würden das Budget der Stadt stärker belasten. Ein- fluss und Kontrolle über die geleistete Arbeit würden abgegeben.
Die Auslagen bei Ablehnung der Anträge sind zurückhaltend geschätzt. Fehlende Ressourcen führen in der Fallführung zu Mängeln. Im Vormundschaftsbereich kann es zu Haftungsfällen kommen. Häufen sich diese, wird die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ihre Prämie anpassen oder den Vertrag kündigen. Die Aufsichtsbehörden werden aufsichtsrechtlich einschreiten. Im Sozialamt führen insbesondere nicht geltend gemachte Sozialversicherungs- und Haftpflichtsansprüche zu unnötigen Auslagen der Sozialhilfe.
Realisierung
Der Stadtrat hat am 15. September 2003 einen ersten Antrag der Sozialdirektion in seiner Kompetenz behandelt. Für die Jahre 2004 und 2005 ist das dreimonatige Moratorium bei Stellenwiederbesetzungen aufgehoben worden, damit dadurch nicht zusätzliche Not entsteht. Für die Aufarbeitung der Pendenzen im Vormundschaftsamt sind für 6 Monate 60 Stellenprozente Sozialarbeit bewilligt worden. Der dreimonatige Einsatz einer administrativen Mitarbeiterin während des absehbaren Ausfalls unserer Buchhalterin (Operation) ist bewilligt worden. Jedoch hat der Stadtrat abgelehnt, die für ein Jahr beantragten 100 Stellenprozente in der Administration ab sofort zu bewilligen. Dadurch wäre die 100%-Stelle faktisch geschaffen worden, über die das Gemeindeparlament im November entscheiden soll. Der Stadtrat wollte hier dem Parlament nicht vorgreifen.
Bei einer Annahme der Anträge wird wie folgt vorgegangen: Mit erster Priorität werden die personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt. Probleme in Bezug auf Räumlichkeiten und EDV-Infrastruktur müssen als Folge davon noch gelöst werden. Mit zweiter Priorität wird die Umsetzung des Massnahmenplanes der Fachhochschule vorangetrieben. Drei Projekte Qualitätsmanagement, Organisationsentwicklung und Strategie Sozialdirektion werden geplant und deren Durchführung beantragt. Besonderes gewichtet wird dabei das Projekt „Strategie Sozialdirektion“. Die Grundlagen für dieses Projekt werden sich als Nebenprodukt von Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement teilweise bereits ergeben. Deshalb werden zuerst diese Projekte vorangetrieben. Die Projekte sollen nach Vorstellung der Sozialdirektion bis Ende 2004 abgeschlossen werden. Die weiteren Anliegen werden als Projekte definiert, die auch zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden können. Nach Plan der Sozialdirektion (Beilage) sind bis Ende 2004 die Hauptanliegen behandelt.
Bei Ablehnung der Anträge werden eine Auslagerung mit Kostenfolgen und eine Abgrenzung der Sozialdirektion gegenüber allen nicht absolut zwingenden Aufgaben die Folge sein. Mehrkosten werden entstehen, Einfluss und Steuerungsmöglichkeiten verloren gehen und die Qualität von anderen Anbietern bestimmt werden.
Stellungnahmen
Der Stadtrat hat am 15. September den Antrag der Sozialdirektion zur Kenntnis genommen und seine Unterstützung zugesagt. Jedoch will er die unbefristet beantragten zusätzlichen Stellen im administrativen Bereich bis 31.12.2006 befristen und die Befristung von Sozialarbeiterstellen nicht aufheben, sondern die Befristung neu auf den 31.12.2006 festlegen. Die Sozialdirektion schliesst sich diesem Vorschlag an, da bis 2006 die anstehenden Aufgaben bewältigt und die Situation im Jahre 2006 neu überprüft werden können.
Die Sozialhilfe- und Vormundschaftskommission unterstützt den Antrag, da ihre Aufträge in qualitativ genügender, kostengünstiger und kontrollierbarer Art und Weise durchgeführt werden müssen.
Beschlussantrag:
I.
1. Die Befristung der Stellen im Bereich Sozialarbeit, 100 Stellenprozente bis 31.1.2004 und 100 Stellenprozente bis 31.1.2005, wird bis 31.12.2006 verlängert.
2. 100 Stellenprozente in der Administration des Sozialamtes werden befristet bis 31.12.2006 bewilligt.
3. 60 Stellenprozente in der Administration des Sozialversicherungsamtes werden befristet bis 31.12.2006 bewilligt.
4. Der Stadtrat wird mit dem Vollzug beauftragt.
II.
Die Ziffern I.1. bis I.3. dieses Beschlussesantrags unterstehen dem fakultativen Referendum.