Am 23. November 2006 hat Iris Schelbert im Gemeindeparlament folgendes Postulat eingereicht:
«Der Stadtrat wird gebeten, ein, in Grösse, Qualität und Pachtdauer, passendes Areal als Ersatz für die gekündigten Familiengärten im Gheid bereit zu stellen.»
Begründung:
Aufgrund dringender eigener Interessen kündigten die Grundstückbesitzerinnen die Pachtverträge der Familiengärten im Gheid per Ende 2007. Die Stadt Olten hat die Gärtnerinnen und Gärtner frühzeitig darüber informiert und offenbar abgeklärt, wie gross der künftige Bedarf für Familiengärten ist.
Dass Bedarf für Familiengärten besteht, hat sich im grossen Engagement von Einwohnerinnen und Einwohnern gezeigt, welche an einem Familiengarten interessiert sind. Mehr als zwanzig von ihnen sind zu einem Gespräch über die Möglichkeiten der weiteren Betreibung der Gärten im Stadthaus erschienen.
Schrebergärten, sog. Familiengärten, haben in der Schweiz seit dem 19. Jahrhundert Tradition. Der Dachverband der Schweizer Familiengärtner und -gärtnerinnen (gegründet 1925) zählt rund 28'500 Mitglieder. Jeder grössere Ort in der Schweiz kennt die Familiengärten. Dem Verband sind rund 375 Gartenareale angeschlossen.
In Olten leben viele Menschen in Blocksiedlungen und haben keinen Garten. Die Gärten bieten ihnen die Möglichkeit einer kreativen und produktiven Freizeitbeschäftigung. Soziale Kontakte werden gepflegt und viele Familien können sich mit Obst und Gemüse zu einem grossen Teil selber versorgen. Heute wird immer mehr auch der naturnahe und biologische Gartenbau betrieben. Die Bereitstellung von Familiengärten ist ein wichtiger Beitrag zu einer gesunden Einwohnerschaft.
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Stadträtin Silvia Forster beantwortet das Postulat im Namen des Stadtrates wie folgt:
1. Ausgangslage
Die Einwohnergemeinde bewirtschaftet auf den Parzellen:
GB Olten Nr. 3364 - «Areal Erlimatt»
GB Olten Nr. 3483 - «Areal «Sportstrasse / CWA»
GB Olten Nr. 4755 - «Areal «Sportstrasse / Tennisplatz»
insgesamt 137 Pflanzlandparzellen (Parzellengrössen 1 – 3 Aren).
Die Areale GB Olten Nr. 3364 und 3483 sind im Besitze der Städtischen Betriebe (sbo). Zwischen den sbo und der Einwohnergemeinde Olten besteht dafür ein Pachtvertrag (vom 13.11.1947).
Die Familiengartenparzellen befinden sich grösstenteils in direkter Nachbarschaft zu etablierten Oltner Gewerbebetrieben. Das Areal bietet diesen Unternehmen die einzige Möglichkeit, bei Bedarf am bestehenden Standort weiter expandieren zu können. Für ihre Betriebsentwicklung sind sie deshalb auf das Gebiet der heutigen Familiengartenparzellen angewiesen.
Die beiden Firmen CWA Constructions SA / Corp. und Mungo Befestigungstechnik AG haben nun entsprechend beim Grundeigentümer (sbo) ihren Bedarf bzw. ihr Kaufinteresse am Gewerbebauland der Parzelle GB Olten Nr. 3483 angemeldet. Infolgedessen haben die sbo der Einwohnergemeinde die Pacht am 22. Juni 2005 per 31. Oktober 2006 gekündigt und auf Wunsch der Einwohnergemeinde die Frist für den Pachtablauf am 4. Juli 2005 bis 31. Dezember 2006 erstreckt. Schlussendlich ist den Familiengarten-Pächtern die Weiternutzung bis Ende 2007 zugesichert worden.
2. Kündigung der Pachtverträge / Orientierung der Pächter
Die (65) betroffenen Pächter wurden am 24. November 2005 im Rahmen einer Informationsveranstaltung umfassend über die aktuelle Situation orientiert.
Im Anschluss daran wurde Ihnen das Pachtverhältnis – unter Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen - per 31. Dezember 2007 schriftlich gekündigt.
3. Prüfung von Alternativen (Ersatz)
Aufgrund dieser Entwicklung stellte sich die Grundsatzfrage, ob den betroffenen Pächtern seitens der Einwohnergemeinde eine Alternative zur Verfügung gestellt werden kann oder ob diese Parzellen auf den Termin der Kündigung ersatzlos aufgehoben werden (müssen).
Die dahingehende Evaluation potenzieller Ausweichstandorte hat ergeben, dass die Einwohnergemeinde leider über kein geeignetes Landstück verfügt, welches als Ersatzfläche zur Verfügung gestellt werden könnte. Als (Ersatz-) Standort kommen notabene nur jene Grundflächen in Frage, welche sich innerhalb der Bauzone befinden.
Das in diesem Zusammenhang zur Diskussion stehende Bornfeld ist mit Ausnahme einiger kleiner Parzellen (Privatbesitz) als Baulandreserve cirka je hälftig im Besitze der Einwohnergemeine und der sbo. Ein Teil des Bornfeldes (Eigentümerin sbo) wurde nun, nach langen und intensiven Verhandlungen mit dem Kanton, als Wohnzone (Spezialzone B) eingezont. Damit wurde ein langjähriges Anliegen der Stadt Olten erfüllt, hat sie doch selbst wesentliche Teile des Bornfeldes im Jahr 1983 – im Interesse einer Arrondierung - als Baulandreserve (vorläufig ausserhalb der Bauzone) zu einem Preis von Fr. 7'900'000.00 käuflich erworben. In Anbetracht der relativ hohen Einrichtungskosten bei Familiengärten (nachfolgend im Detail aufgeführt) wäre mit einem sinnvollen Zeithorizont von mindestens 15 bis 20 Jahre zu rechnen. Damit würde das Bauland aber in unverständlicher Weise über eine lange Zeit blockiert. Überdies hinaus stellt die Grundeigentümerin (sbo) das Land für die Familiengartennutzung auch nicht zur Verfügung.
Im Gebiet Olten SüdWest wäre grundsätzlich im südwestlichen Grenzbereich eine Familiengartennutzung denkbar. Die in Frage kommende Landfläche steht aber in den nächsten vier Jahren nicht zur Verfügung und die Grundeigentümerin ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht bereit, das Land danach für einen begrenzten Zeitraum für eine Familiengartennutzung frei zu geben. Damit steht fest, dass auf dem Areal Olten SüdWest für die wegfallenden Familiengärten kurzfristig kein Ersatz geschaffen werden kann.
Mit Blick über die Stadtgrenzen hinaus wurden zudem die Gemeinden Wangen b/Olten, Trimbach, Starrkirch-Wil und Dulliken angefragt, ob es in ihrer Gemeinde freie Pflanzlandparzellen gibt oder ob Sie allenfalls ein Landstück sähen, welches dafür zur Verfügung gestellt / gepachtet werden könnte. Die Antworten sind wie folgt ausgefallen:
Wangen b/Olten - Max Zülli, Bauverwalter: «Leider können wir Ihnen bei der Suche nach Pflanzlandparzellen nicht weiterhelfen».
Trimbach – Karl Wengert, Bauverwalter: «Grundsätzlich würde sich ein (kleineres) Landstück der Gemeinde Trimbach dafür anbieten. Allerdings wurden seitens der Schule bereits Ansprüche (Erweiterung Sportanlagen) am erwähnten Landstück angemeldet. Entsprechend könnte die Gemeinde Trimbach nur einen relativ kurzfristigen Pachtvertrag anbieten. Da für die Einrichtung bzw. später für die Aufhebung doch erhebliche Kosten auflaufen, dürfte diese Lösung für die Stadt Olten nicht von Interesse sein».
Starrkirch-Wil - Beat Gradwohl, Gemeindeverwalter: «Nach Rücksprache mit unserem Gemeindepräsidenten müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir in unserer Gemeinde keine geeigneten Landparzellen für Pflanzlandparzellen haben».
Dulliken – Sonja Gfeller, Bauverwaltung / Gemeindeschreiberei: «Leider können wir Ihnen keine Alternativen anbieten, zumal sich die Gemeinde Dulliken in einer ähnlich prekären Lage bezüglich der zur Verfügung stehenden Pflanzplätze befindet. Ende 2006 wird unsere grösste Pflanzplatzanlage aufgelöst, eine weitere Platzauflösung folgt in den Jahren darauf, so dass wir ebenfalls mit einem Pflanzplatz-Mangel zu kämpfen haben».
Im Weiteren wurde auch der Gartenbauverein Olten und Umgebung angefragt. Dieser bietet auf privaten Parzellen in Starrkirch-Wil und Trimbach ebenfalls einige Familiengärten zur Pacht an. Laut Auskunft von Frau Niklaus, Niedergösgen (Ehefrau des Präsidenten), können von Zeit zu Zeit freie Pflanzgärten zur Pacht angeboten werden. Seit der angekündigten Aufhebung in Dulliken sei aber bereits von dieser Seite her eine erhöhte Nachfrage zu verspüren.
4. Aufhebung der bestehen Familiengarten-Parzellen, Altlasten / Räumung
Die Einwohnergemeinde ist ursprünglich davon ausgegangen, dass aufgrund der Familiengarten-Nutzung gewisse «Altlasten» bestehen könnten, da Gartenböden im Stadtgebiet erfahrungsgemäss meist mit Schwermetallen (insbesondere Blei und Zink etc.), teilweise auch mit Polyaromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Chlorpestiziden belastet sind.
Die durchgeführten Untersuchungen haben die gehegten Befürchtungen erfreulicherweise nicht bestätigt. Im gesamten Gebiet der Familiengärten konnten keine «Altlasten» im Sinne der Altlastenverordnung festgestellt werden. Eine gewisse Bodenbelastung wurde im Oberboden (0 - 20 cm) vorgefunden, wobei die gemessenen Werte in den Familiengärten eher im unteren Bereich der im Raum Olten allgemein zu erwartenden Schadstoffbelastungen liegen. Der unterliegende Boden gilt sogar als unbelastet. Eine weitere Nutzung des Bodens vor Ort, gleich welcher Art, ist ohne irgendwelche Einschränkungen möglich. Ausgehobener Boden (und nicht vor Ort weiterverwendeter Boden) der Klasse «schwach belastet» (oberste 20 cm) kann weiterverwendet werden und muss nicht a priori in einer Deponie entsorgt werden.
Gemäss den Vertragsbedingungen müssen die Pächter auf den genannten Termin ihre Parzelle «sauber» (inklusive Rückbau des Gartenhäuschens) räumen. Der Werkhof wird die Pächter bei der Räumung unterstützen und im Herbst 2007 an verschiedenen Tagen Entsorgungsfahrzeuge, -mulden und -anhänger bereitstellen. Die dabei anfallenden Entsorgungsgebühren sind durch die Pächter zu bezahlen.
5. Kosten für die «Einrichtung» eines neuen Familiengarten-Areals
Die Kosten für die «Einrichtung» (WC-Anlagen, Wasser-Anschlüsse, Parkplätze usw.) eines neuen Schrebergarten-Areals wurden durch das Tiefbauamt am Beispiel «Bornfeld / südlich Gheidgraben / GB Olten Nr. 3364 – sbo» berechnet. Die diesbezügliche Kostenschätzung hat approximative Aufwendungen in der Höhe von Fr. 120'000.00 ergeben. Zusätzlich wären für die Parzellierung und die Erstellung und Markierung der Erschliessungswege (interne) Arbeitsstunden durch das Tiefbauamt bzw. den Werkhof zu leisten.
Mit Blick auf die (Wasser-/Abwasser-) Kostenseite wurde der Pachtzins auf das Jahr 2004 von Fr. 26.00 auf Fr. 65.00 pro Jahr und Are erhöht. Die vorgenannten Investitionen müssten den Pächtern (zumindest teilweise) überwälzt werden. Dies hätte nochmals eine kräftige Anpassung des Pachtzinses zur Folge. Im Weiteren müssten auf einem neuen Familiengarten-Areal (strengere) Richtlinien für den Bau der „Gartenhäuschen“ erwogen werden.
6. Allgemeine Funktion und Bedeutung von Familiengärten, früher und heute
Die ursprüngliche Bedeutung: Familiengärten waren eine soziale Einrichtung. Zum Zeitpunkt der Entstehung und lange Jahrzehnte danach waren Familiengärten an eine bestimmte soziale Schicht gebunden. Sie stellten eine wesentliche Verbesserung der Lebensbedingungen dar und entlasteten durch die Produktion von Obst und Gemüse das Haushaltsbudget.
Die heutige Situation: Die Familiengärten sind für Menschen in der Stadt ohne eigenen Garten eher zu einem Ort der Persönlichkeitsentfaltung und der zwischenmenschlichen Kontakte / Begegnungen geworden.
7. Situation in Olten, Analyse
Vor allem junge Familien tun sich heute schwer damit, sich um einen Pflanzgarten zu bemühen. Während es früher noch eine «Warteliste» gab, wird heute kaum noch danach gefragt. Der Trend zur «Überalterung» ist in der Altersstruktur der Oltner Pächter deutlich zu erkennen. Das Durchschnittsalter der «gekündigten» Pächter beträgt 62 Jahre.
Wie die nachfolgende Darstellung aufzeigt, lässt sich festhalten, dass die allermeisten der nun von der Kündigung betroffenen Pächter ihren Familiengarten im Gheid während Jahrzehnten bewirtschaften durften:
Pächter seit 0 - 5 Jahren Pächter seit 5 - 10 Jahren Pächter seit 10 - 20 Jahren Pächter seit über 20 Jahren
0.00% 1.56% 31.25% 67.19%
Vereinzelte Pächter haben in einem Presseartikel argumentiert, dass nebst der persönlichen Bindung zum Familiengarten, insbesondere auch das Finanzielle ins Gewicht falle, da nicht wenige Familiengärtner mehrere tausend Franken in ihre Parzelle investiert hätten, insbesondere mit dem Bau von Gartenhäuschen.
Diese Aussage ist einerseits angesichts der vorerwähnten, langjährigen Pachtverträge (Nutzungsdauer) zu relativieren. Andererseits gilt es klar festzuhalten, dass die Einwohnergemeinde ausschliesslich das Pflanzland zur Benützung verpachtet hat. Die «Gartenhäuschen», die teilweise in Grösse und Ausbaustandard tatsächlich mit dem ursprünglichen Zweck wenig gemein haben, wurden stets aus eigener Initiative und im Wissen der vertraglichen Rahmenbedingungen durch die Pächter selbst errichtet.
Anlässlich einer schriftlichen Umfrage haben 28 von 65 Pächter mitgeteilt, dass sie grundsätzlich - über den Kündigungstermin hinaus - an der Pacht einer Familiengartenparzelle interessiert wären. Ihnen wurde jedoch bereits vorgängig mitgeteilt, dass kein Ausweichstandort garantiert werden kann - bei allenfalls frei werdenden Familiengartenparzellen auf den Arealen «Sportstrasse / Tennisplatz» und «Erlimatt» könnten sie gegenüber allfälligen Neuinteressentinnen / Neuinteressenten jedoch bevorzugt berücksichtigt werden. Nachdem zwischenzeitlich durch benachbarte Industriebetriebe das Interesse an der zusätzlichen Sicherstellung grösserer Baulandreserven auf dem Grundstück GB Olten Nr. 4755 (Familiengartenareal «Sportstrasse / Tennisplatz») signalisiert worden ist, machen Neuverpachtungen jedoch auch auf diesem Areal keinen Sinn mehr.
Die rund 50 Pächter der Parzelle «Sportstrasse / Tennisplatz» wurden am 31. Mai 2006 anlässlich einer Informationsveranstaltung orientiert, dass das gesamte Gebiet im «Gheid», welches im Rahmen der Ortsplanungsrevision der «Zone für öffentliche Bauten und Anlagen» zugeteilt werden sollte und zurzeit noch durch Familiengärten belegt ist, neu der Gewerbezone zugeteilt wird und dass die Parzellen beim Tennisplatz – trotz der Umzonung – noch bis mindestens Ende 2007 weitergenutzt werden können, da aktuell noch kein konkretes Bauprojekt vorliege. Aufgrund der geschilderten Ausgangslage, wurde den Pächtern allerdings empfohlen, auf grössere Investitionen zu verzichten, bzw. diese entsprechend zu überdenken.
8. Erwägungen
Für einige Pächter, insbesondere die Pensionierten, ist der Familiengarten zum eigentlichen Lebensinhalt geworden. Der Stadtrat hat deshalb durchaus Verständnis für deren Engagement. Für die Betroffenen ist es unbestritten bedauerlich, dass durch die Einwohnergemeinde kein passendes Areal als Ersatz für die gekündigten Familiengärten bereit gestellt werden kann. Immerhin lässt sich aber feststellen, dass ein Grossteil dieser Pächter doch während vielen Jahren eine Parzelle bewirtschaften konnte und damit gegenüber der restlichen Stadtbevölkerung in gewissem Sinne auch privilegiert war.
Die im Postulat formulierten Anliegen wurden vom Stadtrat unter Einbezug aller Aspekte sorgfältig geprüft. Auf Grund der Erwägungen empfiehlt der Stadtrat dem Gemeindeparlament das Postulat zu überweisen und gleichzeitig abzuschreiben.