Am 28. Juni 2001 wurde von Claude Schoch (FdP) eine Motion mit folgendem Wortlaut ein-gereicht.
„Der Stadtrat wird beauftragt, den „Kurs“ der Stadtbibliothek in Richtung einer Volksbiblio-thek zu ändern und einen entsprechenden Leistungsauftrag vorzulegen.
Begründung
· Die Stadtbibliothek Olten definiert sich seit Jahren als Studien- und Bildungsbiblio-thek. Als solche orientiert sie sich schwergewichtig an den Bedürfnissen von Studie-renden. Ich glaube, das ist nicht die Hauptaufgabe unserer Stabi. Diese Bedürfnisse sollten dort abgedeckt werden, wo sie auch anfallen: in den Weiterbildungsinstitutio-nen. Dem ist auch in der Realität so, die meisten Schulen (von der Kanti, über die Fachhochschulen und insbesondere alle Hochschulen) rühmen sich ihrer eigenen haus-internen Bibliothek. Zusätzlich führt der Kanton mit der Zentralbibliothek ebenfalls eine Studien- und Bildungsbibliothek.
· Weiter gab es gegenüber der Stadtbibliothek kritische Stimmen, das Angebot sei nicht zeitgemäss (vor allem neue Medien fehlen) und z.B. die Öffnungszeiten seien nicht kundenfreundlich (siehe Vorstoss Rita Lanz). Ich teile diese Ansicht. Die Begründung von Seiten der Stabi, das Geld sei nicht vorhanden, ist an sich nicht falsch. Unter der vorgegebenen Strategie ist das richtig. Allein schon die Ausleihe, um Fachbücher in der ganzen Schweiz umherzuschicken oder zu besorgen, bindet teure Ressourcen. Al-lerdings: Diese Strategie und die Schwergewichte in der Arbeit hat sich die Stadtbib-liothek weitgehend selber gegeben. Und das soll nun geändert werden.
· Der eingeschlagene Weg der Öffnung mit dem Projekt „Oltner Bücher Stützen“ ist genau der richtige. Jedoch sind weitere Anstrengungen nötig und vor allem muss die Richtung stimmen. Die Oltner Stadtbibliothek soll eine Volksbibliothek werden, die sich an den Bedürfnissen der Einwohnerinnen und Einwohnern orientiert. Dass dabei gewissen Bibliothekarischen Hobbys weniger gefrönt werden kann als bisher, müssen die Beteiligten wahrscheinlich dabei in Kauf nehmen.
Vorgeschichte
· Die Stadtbibliothek löste in regelmässigen Abständen Diskussionen im Gemeindepar-lament aus. Die Voten waren meist kritischer Natur, die vorgeschlagenen Lösungsan-sätze je nach Partei kontrovers. (z.B. Vorstoss Rita Lanz vom 25.09.97, überwiesen am 03.09.98)
· Aus dieser Situation bildete sich eine kleine überparteiliche Gruppe, die einen kon-struktiven und zukunftsgerichteten Weg zusammen mit dem Stadtpräsidenten und der Leitung der Stabi gesucht haben. (Mitglieder dieser Gruppe waren: Rita Lanz Hasen-fratz und Candidus Waldispühl vom Gemeindeparlament und teilweise als Fachperson Marianne Hertner, die kantonale Beauftragte für Schul- und Gemeindebibliotheken.
· Es war auch vorgesehen, ein Mitglied der CVP in die Gruppe aufzunehmen, deren Vertreter hat sich jedoch kurzfristig abgemeldet.)
· In verschiedenen Gesprächen zuerst in der Gruppe und dann mit allen Beteiligten ver-suchten wir, aus den positiven Modellen anderer Bibliotheken etwas zu lernen und für die Stabi Olten umsetzbar zu machen. Danach wurden auch allgemeine Trends und Entwicklungen in der „Bibli-Szene“ diskutiert und die Chancen daraus für unsere Sta-bi abgeleitet. Leider blieb jede Vorwärtsenergie in der Verweigerungshaltung der heu-tigen Leitung der Stadtbibliothek hängen.
So bleibt mir schliesslich nur dieser offizielle Weg.“
Stadtpräsident Ernst Zingg beantwortet die Motion im Namen des Stadtrates wie folgt:
- Grundsätzliches
In die Arbeit der im Motionstext erwähnten Gruppe – zusammengesetzt aus dem Motionär, den Parlamentsmitgliedern Rita Lanz und Candidus Waldispühl sowie Marianne Hertner, kantonale Beauftragte für Schul- und Gemeindebibliotheken – wurden das Stadtpräsidium und die Leitung der Stadtbibliothek nicht von Beginn weg involviert; sie wurden lediglich mit dem Ergebnis von deren Arbeit konfrontiert. Auf diesen Umstand ist es unseres Erachtens zurückzuführen, dass sich in der Begrifflichkeit Definitionsprobleme ergeben haben, die sich durch eine Mitgliedschaft oder einer frühere Involvierung der Fachleute auf Stadtseite wohl hätten vermeiden lassen.
2. Definitionen
Die Bibliotheken definieren ihre „Strategie“ nicht selbst, sondern sind Teil eines Netzes von verschiedenen Bibliothekstypen. Dies ist eine historisch bedingte Tatsache, welche mit dem Ziel festgelegt wurde, dass die Versorgung der schweizerischen Bevölkerung mit Literatur jederzeit und überall gewährleistet und das für die Schweiz relevante Sammelgut möglichst vollständig und lückenlos gesichert ist. Der Begriff „Studien- und Bildungsbibliothek“ ist in der Fachwelt klar definiert und verankert; von einem „bibliothekarischen Hobby“ im Falle Oltens kann daher keine Rede sein. Es handelt sich auch nicht um eine Bibliothek, die vor allem auf die Bedürfnisse von Studierenden eingeht und sich nur mit Fernleihe beschäftigt, wie dies auf Grund der Motion den Eindruck machen könnte; eine Studien- und Bildungsbib-liothek hat vielmehr den Auftrag, Literatur für sämtliche Bevölkerungsschichten und -angehörige anzuschaffen und zu vermitteln, neben Belletristik also auch Sach- und Fachlitera-tur.
In der Schweiz bestehen rund 25 solcher Studien- und Bildungsbibliotheken (neben Olten z.B. Solothurn, Zofingen, Aarau, Biel, Liestal, Glarus oder Baden), die ähnliche Strukturen haben und sich regelmässig zum Wissensaustausch und zur Koordination treffen. Sie haben den Auftrag, das jeweilige regionale Schriftgut zu sammeln, sie führen Zeitungssammlungen, sie bieten Nachschlagewerke, umfangreiche Magazin- und Archivbestände und die erwähnte Fernleihe an.
Diese Studien- und Bildungsbibliotheken umfassen aber auch den Aufgabenbereich einer Volksbibliothek, wie er beispielsweise in den Gemeinden Dulliken und Oensingen separat gepflegt wird Es ist somit nicht korrekt, einen Widerspruch zwischen den beiden Bibliotheks-typen zu konstruieren. Eine Volksbibliothek erhebt lediglich nicht den wissenschaftlichen Anspruch einer Studien- und Bildungsbibliothek und kann daher auch nicht deren zusätzliche Dienstleistungen (u.a. regionales Schriftgut, Nachschlagewerke, Zeitungssammlung, Maga-zin- und Archivbestände und Fernleihe) bieten.
3. Die Situation in Olten
3.1 Bibliothekstyp
Die Stadtbibliothek Olten, welche von rund 150 Kundinnen und Kunden pro Tag besucht wird, betrachtet den Status als Studien- und Bildungsbibliothek aus verschiedenen Gründen als berechtigt und zutreffend:
- Zum von der Stadt Olten unter sämtlichen Aspekten angestrebten Status eines regionalen und sogar nationalen Bildungsstandortes gehört auch eine Bibliothek entsprechenden Zu-schnitts.
- Das Sammeln des regionalen Schriftgutes wird von keiner anderen Institution gepflegt.
- Da der Kanton Solothurn keine Universität aufweist, ist die Einrichtung der Fernleihe, die von durchschnittlich fünf Personen pro Tag benützt wird, von zentralem Interesse. Sie hat nichts Elitäres an sich, sondern stellt eine Dienstleistung für Interessierte dar, vom Schüler für dessen Vortrag in der Klasse bis zum Verfasser einer Dissertation. Sie ermöglicht den Zugang zu Werken aus Bibliotheken, welche – von denjenigen, welche über die entspre-chenden Fähigkeiten und Einrichtungen verfügen – ohne direkte Anmeldung auch nicht per Internet oder auf andere Weise selber zu bestellen sind, und erspart den Aufwand, für jede Recherche eine der grossen Bibliotheken unseres Landes in Bern, Basel oder Zürich aufsuchen zu müssen.
Die in der Motion implizierten Zusammenhänge zwischen Volksbibliothek und Bedürfnissen der Bevölkerung einerseits und zwischen Studien- und Bildungsbibliothek und bibliothekari-schen Hobbys anderseits können nicht in dieser Form akzeptiert werden: Rund ein Drittel der Anschaffungen der Stadtbibliothek – auch im Bereich der Sach- und Fachliteratur – basieren auf Kundenwünschen, und auch bei den Öffnungszeiten (vgl. Abschnitt 3.2.) werden diese nach Möglichkeit berücksichtigt.
Zum Gesamtangebot der Stadtbibliothek Olten findet man Informationen im Internet unter
www.bibliothekolten.ch und unter
www.stadtolten.info/de/freizeitkultur/bibliotheken. 3.2. Neue Medien
Der Bedarf, in der Stadtbibliothek Olten auch neue Medien wie CD, Video und DVD anzu-bieten, ist auch von Seiten der Bibliotheksleitung erkannt, das entsprechende Bedürfnis nach-gewiesen. Nach Möglichkeit der finanziellen Vorgaben soll diesen denn auch entsprochen werden. Im vergangenen Jahr wurden mit Unterstützung des Gönnervereins der Oltner Bücher Stützen 120 Hörbücher auf CD angeschafft, ein Anfang ist auch im Bereich Video/DVD ge-plant; dieser scheiterte jedoch bisher an den finanziellen Möglichkeiten (rund 50'000 Franken pro Jahr für Anschaffungen), ist doch für einen solchen Start ein gewisser „Stock“ an entspre-chenden Medien anzuschaffen, um nicht falsche Erwartungen zu wecken, die dann doch nicht befriedigt werden können.
3.3. Öffnungszeiten
Um es vorwegzunehmen: Eine Ausdehnung der Öffnungszeiten steht – bei der Zurverfü-gungstellung der nötigen finanziellen Mittel – zuoberst auf der Prioritätenliste des Stadtpräsi-diums wie auch der Bibliotheksleitung selber. Wer die Dauer der heutigen Öffnungszeiten kritisiert, muss sich aber dessen bewusst sein, dass die Zeiten der Ausleihe in keiner Weise mit den Arbeitszeiten der drei in der Bibliothek beschäftigten, im Übrigen sehr engagierten Fachkräfte darstellen. Diese umfassen neben der Ausleihe folgende Arbeiten:
- Kauf von täglich ca. 20 neue Medien
- Katalogisierung der Anschaffungen und der noch nicht erfassten Bestände
- Beratung und Auskünfte an das Publikum via Telefon, Korrespondenz und Mail
- Fernleihe
- Sammeln und Erschliessen von allem, was mit regionaler Literatur und regionalem Schrift-gut zu tun hat (u.a. 300'000 Zeitungsexemplare)
- Postbearbeitung (1 Postsack pro Tag)
- Betreuung der Lesesäle und der Studienkabinen
- Einreihen der zurückgebrachten Medien und Pflege der Freihandbestände
- Aufarbeitung von Material für Ausstellungen und Publikationen
- Sitzungen und Weiterbildung.
Insbesondere die Katalogisierung und das Registrieren der Daten von neuen Werken erweist sich als sehr zeitintensiv; eine der drei Stellen ist durch diese Arbeit praktisch vollständig ab-sorbiert (wobei schon heute der Personalbestand gemessen an der Betriebsgrösse in Olten mit Abstand der kleinste aller vergleichbaren Bibliotheken ist). Gewisse dieser Daten wären ge-gen entsprechende Kosten erhältlich, meist aber nicht mit dem erforderlichen Detaillierungs-grad, was eine entsprechende Nachbereitung erfordern würde.
Eine Ausdehnung der heutigen Öffnungszeiten der Ausleihe, die aus verschiedenen Gründen (u.a. Sicherheit und Kundenaufkommen) die gleichzeitige Präsenz von zwei Personen erfor-dert, ist somit auf Grund der vorhandenen Ressourcen an (zwingend) ausgebildetem Personal schwerlich möglich; es gilt aber festzuhalten, dass der Lesesaal und die Studienkabinen werk-tags von 8 bis 12 und 14 bis 18 Uhr geöffnet sind. Das bedeutet aber nicht, dass die heutigen Öffnungszeiten, welche im Übrigen auf Kundenumfragen basieren und über ihre gesamte Ausdehnung hinweg intensiv genutzt werden (insbesondere auch die Zeiten ausserhalb der üblichen Arbeitszeit am Donnerstagabend und am Samstag), nicht allfälligen veränderten Kundenwünschen entsprechend verschoben werden können und im Bedarfsfall auch sollen.
4. Fazit
Der von der Stadtbibliothek Olten heute gepflegte Status einer Studien- und Bildungsbiblio-thek steht nicht in einem Gegensatz zu demjenigen einer Volksbibliothek, wie dies die Motion zu konstruieren sucht, sondern schliesst diesen vielmehr ein. Es ist zudem eine Tatsache, dass die Leserinnen und Leser, deren Bedürfnissen die Stadtbibliothek nachzukommen sucht, in umfangreichem Masse auch Sach- und Fachliteratur sowie die zusätzlichen Dienstleistungen wie Nachschlagewerke oder Fernleihe verlangen.
Würde die Stadtbibliothek Olten auf eine reine Volksbibliothek reduziert, wäre jahrzehnte-lange Arbeit gefährdet (Magazin- und Archivbestände würden nicht mehr weitergeführt, de-ren permanente Erschliessung abgebrochen). Diese Arbeiten, welche derzeit schweizerisch genau geregelt und aufgeteilt sind, müssten von der Zentralbibliothek Solothurn zusätzlich übernommen werden oder würden mangels zeitlicher und finanzieller Ressourcen abgebro-chen. Die heute regelmässige Unterstützung von Projekten wie Ausstellungen und Publikatio-nen durch die Stadtbibliothek wäre ebenfalls nicht mehr möglich. Zugegebenermassen würde die Reduktion auf den Status einer Volksbibliothek zu geringerem personellem Aufwand sor-gen respektive könnten die vorhandenen Ressourcen anders, zum Beispiel in Form von länge-ren Öffnungszeiten für die Ausleihe, eingesetzt werden. Es gilt sich aber die Frage zu stellen, was eine solche Ausdehnung bringen soll, wenn das Angebot nicht mehr den Erwartungen entspricht, welche die Öffentlichkeit an die Bibliothek des Bildungsstandortes Olten stellt und auch stellen darf, und wenn aus diesem Grund ein wesentlicher Teil der Kundschaft ausblei-ben dürfte. Die vom Motionär verlangte „Kursänderung“ würde zudem in der schweizerischen Bibliothekenlandschaft als einmaliges und unverständliches Vorgehen dastehen.
Das Festhalten an der bisherigen Ausrichtung schliesst aber nicht aus, dass sowohl eine Aus-dehnung wie auch eine Verschiebung der gegenwärtigen Öffnungszeiten der Ausleihe auf der Basis der Kundenwünsche von der Bibliotheksleitung wie auch vom Stadtpräsidium regel-mässig geprüft werden sollen. Ebenfalls soll nach Massgabe der finanziellen Mittel den neuen Medien künftig das nötige Gewicht verschafft werden.
Im Sinne der vorgenannten Erwägungen beantragt der Stadtrat dem Gemeindeparlament, die Motion, deren Auftrag zu einer deutlichen Angebotsreduktion führen würde, abzuweisen.