Am 23. September 2015 haben Myriam Frey (GO) und Mitunterzeichnende folgende Interpellation eingereicht:
„Wenn jemand nach Olten zieht oder innerhalb der Stadt den Wohnsitz wechselt, hat er oder sie seit Neustem der Stadt eine Kopie des Mietvertrags vorzulegen, welcher daraufhin von ihr eingescannt wird. Wir finden dies aus Datenschutzgründen sehr problematisch. Im Fall eines Oltners, welcher innerhalb der Stadt umzog und aus ebendiesen Erwägungen die Herausgabe des gesamten Mietvertrags verweigerte, holte die Stadt das geforderte Dokument kurzerhand direkt beim Vermieter ein. Wir können nicht abschätzen, ob es sich dabei um einen Einzelfall handelt, aber wir finden die Praxis so oder so ausgesprochen fragwürdig.
Der betreffende Einwohner hat sich an die kantonale Beauftragte für Datenschutz gewandt, welche die Sachlage per Email folgendermassen einschätzt (Auszug):
Von:
Judith.Petermann@sk.so.ch Sendedatum: 07/09/2015 – 11 : 15
An: ………………………………
Betreff: AW: Datensammelwut der Gemeinden
Sehr geehrter Herr ………..
Richtig ist, dass die Einwohnerkontrollen gewisse Abklärungen betreff den melderechtlichen Wohnsitz vornehmen und den sog. Wohnungsidentifikator (Wohnungsnummer) ein-tragen müssen. Diese Nummer kann meist aus dem Mietvertrag entnommen werden.
Nicht richtig ist hingegen, dass die Einwohner verpflichtet wären, den ganzen Mietvertrag vorzuweisen. Es genügt, wenn sie darlegen, dass sie einen Mietvertrag abgeschlossen haben und die Wohnungsnummer angeben können. Der Mietpreis muss beispielsweise nicht angegeben werden. Daten, welche von den Einwohnern nicht erhoben werden dürfen, dürfen selbstverständlich auch nicht vom Vermieter erhoben werden.
Dazu unsere Fragen an die Einwohnerkontrolle:
1. Worauf ist das Einfordern ganzer Mietverträge bei Zuzügen/Adresswechseln rechtlich geschützt?
2. Auf welcher Rechtsgrundlage werden verweigerte Mietverträge direkt beim Vermieter besorgt?
3. Werden die Mietverträge intern gescannt?
3a)Wenn nein, wer scannt die Dokumente für die Stadt?
3b)Falls das Scannen extern erledigt wird, welcher Firma wurde dieses Mandat übertragen, zu welchem Preis und auf welcher Basis (Direktvergabe, öffentliche Ausschreibung, etc.)?
3c)Was für Massnahmen ergreift die Stadt, damit die in den Mietverträgen enthaltenen persönlichen Informationen nicht an Dritte weitergegeben können?
******
Stadträtin Iris Schelbert-Widmer beantwortet die Interpellation im Namen des Stadtrates wie folgt:
Die Einwohnerkontrollen des Kantons Solothurn müssen bei einem Wohnungswechsel gewisse Abklärungen betreffend des melderechtlichen Wohnsitzes vornehmen und dazu den sogenannten Wohnungsidentifikator (Wohnungsnummer) erfassen. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, von dieser Wohnungsnummer Kenntnis zu erhalten:
• über die Mietanzeige, welche die Einwohnerkontrollen vom Grossteil der Vermieter resp. der Immobilien-Verwaltungen automatisch erhalten (in Olten besteht für die Vermieter und Verwaltungen jedoch keine Meldepflicht für die Mietanzeigen)
• über den Mietvertrag
Liegt bei einem Wohnungswechsel der Einwohnerkontrolle keine Mietanzeige vor, verlangt sie vom Mieter den Mietvertrag, aus welchem die Wohnungsnummer erfasst wird.
Der Mietvertrag wird im System eingescannt, damit bei späteren Mietmutationen auf diese Informationen zurückgegriffen werden kann. Damit entfallen aufwändige Anfragen bei den Verwaltungen und den Mietern selbst.
Das Einscannen erfolgt nur in ausdrücklichem Einverständnis mit dem Mieter. Falls dieser nicht möchte, dass der Mietvertrag gescannt wird, sieht man davon ab. Falls der Mieter z.B. wünscht, dass die Wohnungsmiete nicht gescannt wird, so wird diese abgedeckt.
Das Scannen der Mietnachweise ist freiwillig, wie auch z.B. die Angabe der Telefonnummer und/oder der Mailadresse. In den meisten Fällen stützt sich die Einwohnerkontrolle auf die Mietanzeigen, welche keine Angaben zum Mietzins enthalten. Falls ein Einwohner nur den Mietvertrag vorweisen kann, wird auf Wunsch der Mietzins abgedeckt.
Wie die Datenschützerin richtig festhält, benötigt die Einwohnerkontrolle die Angaben auf dem Mietnachweis für die Zuweisung der Wohnungen in einem Gebäude (Gemäss RegV).
Die Formulierung „zur Vermeidung von Scheinwohnsitzen“ bezieht sich darauf, dass vermie-den werden soll, dass sich Personen in Olten anmelden, die sich in Tat und Wahrheit gar nicht in der Stadt aufhalten, sondern sich z.B. nur zum Zweck des Bezugs von Sozialhilfegeldern anmelden.
Auch kann aufgrund des Mietnachweises/Mietvertrags darüber entschieden werden, ob sich eine in Olten wohnhafte Person, z.B. fälschlicherweise in Olten als Wochenaufenthalter an-melden will, um sich damit den Steuerpflichten zu entziehen.
Auch das auf dem Mietnachweis/Mietvertrag ersichtliche Einzugsdatum ist in vielen Fällen wichtig z.B. bei Unterstützungsfällen.
Ohne Mietnachweis/Mietvertrag kann die obgenannte Kontrolle nicht mehr sichergestellt werden. Die Kontrollarbeiten finden nicht zuletzt auch im Interesse des Steuerzahlers statt.
Zu den einzelnen Fragen:
1. Worauf ist das Einfordern ganzer Mietverträge bei Zuzügen/Adresswechseln rechtlich geschützt?
Die Einforderung ganzer Mietverträge basiert auf den nachstehenden Unterlagen:
• Verordnung über die Harmonisierung amtlicher Register (RegV; BGS 131.51)
§ 11 Abs. 2 und 3 der Verordnung über die Harmonisierung amtlicher Register:
1.3. Meldepflicht
§ 11 Meldepflicht
1 Natürliche Personen haben innerhalb von 14 Tagen einen Zuzug, einen Wegzug oder einen Umzug innerhalb der Gemeinde bei der zuständigen Einwohnerkontrolle zu melden. Die Meldepflicht besteht auch bei Umzügen innerhalb eines Gebäudes.
2 Sie haben wahrheitsgetreu Auskunft über die Daten zu erteilen, und wenn erforderlich, ihre Angaben zu dokumentieren.
3 In Gemeinden, die eine physische Wohnungsnummerierung einführen, haben die Meldepflichtigen der Einwohnerkontrolle einen Auszug aus dem Mietvertrag vorzulegen.
• Handbuch für solothurnische Gemeinden: Einwohnerkontrolle
1.5 Anmeldung
1.5.1 Benötigte Dokumente/Unterlagen
Als formelle Voraussetzung für die Niederlassung gilt bei Schweizerbürgern die Deponierung des Heimatscheines. Für die Anmeldung müssen die zivilrechtlichen Voraussetzungen gegeben sein (Art. 23ZGB / Absicht dauernden Verbleibens). Es ist daher grundsätzlich empfehlenswert, einen Wohnnachweis (=Mietvertrag) zu verlangen (zur Vermeidung von „Scheinwohnsitzen“).
Aktenaufbewahrung und Aktenablage bei den Einwohnerdiensten
Welche Dokumente dürfen bei den Einwohnerdiensten kopiert und archiviert und welche müssen bei einem Wegzug vernichtet werden?
Grundsätzlich dürfen Dokumente kopiert und aufbewahrt werden, wenn diese für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrages gebraucht werden. Dies jedoch nur so lange, wie dies für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Zum Beispiel kann ein Mietvertrag bedenkenlos aufbewahrt werden, solange eine Person in der Wohnung wohnt, für die der Vertrag gilt. Die gesetzliche Grundlage ist in diesem Fall im Registerharmonisierungsgesetzt zu finden, wonach die Haushaltzugehörigkeit und die Haushaltsart, den EGID und EWID geführt werden muss. Die Dokumente dürfen nur vernichtet werden, soweit sie nicht archiviert werden müssen. Es ist deshalb vorgängig zu prüfen, welche Daten ins Archiv abgeliefert werden müssen.
Rechtsgrundlage: § 19 Informations- und Datenschutzgesetz (InfoDG; BGS 114.1)
2. Auf welcher Rechtsgrundlage werden verweigerte Mietverträge direkt beim Vermieter besorgt?
Aufgrund folgender Rechtsgrundlage werden verweigerte Mietverträge direkt beim Vermieter besorgt:
Verordnung über die Harmonisierung amtlicher Register (RegV)
§ 12 Subsidiäre Auskunftspflicht
1 Wird die Meldepflicht nach § 11 nicht erfüllt, haben die nachfolgenden Personen der Einwohnerkontrolle auf Anfrage hin unentgeltlich Auskunft zu erteilen:
a) Arbeitgeber über die bei ihnen beschäftigten Personen
b) Vermieter, Vermieterinnen und Liegenschaftsverwaltungen über einziehende, ausziehende und wohnhafte Mieterinnen und Mieter
c)Logisgeber über die in ihrem Haushalt wohnenden Personen
Die Einwohnerkontrolle holt beim Vermieter nicht den Mietvertrag ein, sondern nur die Mietanzeige. Im konkret vorliegenden Fall wurde ebenfalls nur die Mietanzeige eingeholt.
3. Werden die Mietverträge intern gescannt?
Ja, in der Einwohnerkontrolle selbst, mit dem eigenen Scanner.
3a)Wenn nein, wer scannt die Dokumente für die Stadt?
-
3b Falls das Scannen extern erledigt wird, welcher Firma wurde dieses Mandat übertragen, zu welchem Preis und auf welcher Basis (Direktvergabe, öffentliche Ausschreibung, ect.)?
-
3c) Was für Massnahmen ergreift die Stadt, damit die in den Mietverträgen enthaltenen persönlichen Informationen nicht an Dritte weitergegeben können?
Nur die Einwohnerkontrolle hat Zugriff auf die Daten.