Mit Schreiben vom 25. September 2014 hat Felix Wettstein (Fraktion Grüne) folgendes Postulat eingereicht:
«Der Stadtrat wird ersucht, seine Finanz- und Investitionsplanung sowie die jeweiligen Budgetentwürfe auf folgenden Grundsatz auszurichten, der seine bereits geltenden finanzpolitischen Grundsätze ergänzt:
‘Der Steuerfuss ist so zu bemessen, dass das Total der budgetierten Erträge ohne die voraussichtlichen Steuererträge der drei grössten Steuerzahlenden ausreicht, um die budgetierten Aufwendungen der laufenden Rechnung plus die werterhaltenden Investitionen zu finanzieren.‘
Begründung: Der Stadtrat hat vor einigen Jahren finanzpolitische Grundsätze formuliert und seither seine Planung und Prognosen im Allgemeinen darauf ausgerichtet. Diese Grundsätze sind einerseits Ausdruck der erstrebten steuerlichen Attraktivität von Olten und andererseits Ausdruck des Vorsichtsprinzips. Gleichwohl konnte die dramatische Entwicklung der städtischen Finanzlage seit 2011 nicht verhindert bzw. rechtzeitig abgefedert werden.
Damit die Einwohnergemeinde Olten in Zukunft vor vergleichbaren Schockerlebnissen gefeit ist, ist es angezeigt, einen weiteren finanzpolitischen Grundsatz zu formulieren. Er soll insbesondere der Tatsache Rechnung tragen, dass die Steuererträge der besten Steuerzahlenden in kurzer Zeit extrem stark schwanken können.
Die laufende Rechnung einer Gemeinde sowie die werterhaltenden Investitionen können realistischer weise nicht an solche Ausschläge angepasst werden: Sie entwickeln sich über die Jahre meist relativ konstant und stetig. Vieles sind gebundene oder mehrjährig-vertragliche Verpflichtungen. Für die werterhaltenden Investitionen gibt es Sollwerte (z.B. bei den Erneuerungen des öffentlichen Wegnetzes, der Liegenschaften oder des Fahrzeugparks.
Anders die Entwicklungsinvestitionen: Sie fallen unregelmässig an. In „goldenen Zeiten“ mit hohen Erträgen von einzelnen wenigen Steuerzahlenden ist es zweifellos richtig, fällige grosse Neuinvestitionen zu tätigen oder, wenn sie noch nicht entscheidungsreif sind, dafür hohe Erträge mehrere Grossprojekte sofort bzw. in kurzer Zeit abgezahlt hat: Die Beteiligung an der ERO, samt den Neubauten, (z.B. Gäubahnsteg), die Beteiligung am Neubau der Fachhochschule, den Vorschuss für die Sanierung des Eisstadions, die Umgestaltung auf der Ostseite des Bahnhofs etc. Andere Gemeinwesen hätten für vergleichbare Vorhaben zweifellos Geld ausleihen und danach über Jahre verzinsen müssen. Olten hatte das Privileg, diese Grossprojekte bereits be- und abzahlen zu können.
Allerdings hat man den grossen Geldsegen aus einer einzigen Quelle auch dazu genutzt, alle anderen Quellen dünner fliessen zu lassen. So dünn, dass alleine damit die unverzichtbaren und unaufschiebbaren öffentlichen Aufgaben nicht mehr gedeckt waren. Das rächt sich inzwischen bitter. Vermutlich wird es auch im laufenden Jahr notwendig sein, sogar zur Deckung der laufenden Rechnung Fremdgelder aufzunehmen. Auf dem Hinter-
grund dieser Erfahrungen regt das Postulat an, die zu erwartenden Erträge der drei besten Steuerzahlenden – nicht nur eines einzelnen – ganz für Entwicklungsinvestitionen einzusetzen und den Gemeindesteuerfuss entsprechend zu planen bzw. zu beantragen.»
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Stadtrat Benvenuto Savoldelli beantwortet das Postulat im Name des Stadtrates wie folgt:
Rechnungsmodell zur Festlegung des finanzpolitischen Grundsatzes
Vor der Festlegung eines neuen finanzpolitischen Grundsatzes müsste sich die Politik zuerst einig werden, welcher Aufwand in der Stadt betrieben werden soll (Funktional: Kultur, Freizeit, Sport, Bildung, Sicherheit etc. oder artenbezogen: Beiträge, Personalaufwand, Sachaufwand). Zudem ist eine entsprechende Finanzierung oder ein Finanzierungsgrad pro Funktion festzulegen (Beispiel: Die Vollkosten des Friedhofs sind zu 70% durch Gebühreneinnahmen zu decken). Anstelle der Abschreibungen in der laufenden Rechnung sind die Nettoinvestitionen des Werterhalts einzusetzen, da sich Abschreibungen bei gleichbleibenden Investitionen den Nettoinvestitionen anpassen.
Erst wenn sich die politischen Gremien (Stadtrat, Parlament, Volk) darüber im Klaren sind, kann die Diskussion über den benötigten Steuerertrag und dessen Aufteilung auf die juristischen Personen (mit gesetzlicher Anpassung auch auf die Holdinggesellschaften) und die natürlichen Personen erfolgen. Der Stadtrat schlägt folgendes Rechnungsmodell vor:
Modell Postulat F. Wettstein (Aufwand / Erlöse ohne Spezialfinanzierungen)
Festlegung des benötigten Unterhalts:
Als Grundlage für die Festlegung des nötigen Unterhaltes der Infrastruktur werden die Gebäudeversicherungswerte resp. die gesamten investierten Tiefbauwerte herangezogen.
Zurzeit gelten für die steuerfinanzierten Anlagen folgende Unterhaltssätze (vgl. Positionen Werterhalt des Finanzplans – Beiblatt):
Kategorie Anlagewerte Kalk. Unterh.in % der Anlagewerte Benötigter
Unterhalt
Strassenbau 100‘000‘000 3% 3‘000‘000
Hochbauten 300‘000‘000 1% 3‘000‘000
Informatik Schule/Verwaltung 300‘000
Fahrzeuge o. Spezialfinanz. 200‘000
Total 6‘500‘000
Exemplarische Auswirkungen anhand des Budgets 2015
Eine Berechnung des neuen Grundsatzes auf Basis des Budgets 2015, korrigiert um Sonderfaktoren und einer normalisierten Investitionstätigkeit, zeigt folgendes Bild:
Modell Postulat F. Wettstein / Budget 2015 mit normalisiertem Aufwand / Investitionen
Fazit:
Aus finanzpolitischer und betriebswirtschaftlicher Sicht ist der vorgeschlagene Grundsatz nachvollziehbar und entspricht auch weitgehend den Grundsätzen zur Festlegung des Steuerertrages (Gemeindegesetz § 144 Abs. 2 „Der Steuerfuss ist so zu bemessen, dass der voraussichtliche Steuerertrag mit dem übrigen Ertrag mittelfristig den Aufwand der laufenden Rechnung einschliesslich der notwendigen Abschreibungen finanziert“). Der Stadtrat könnte zwar einen solchen finanzpolitischen und betriebswirtschaftlichen Grundsatz in seine Überlegungen und in den Finanzplan mit einbeziehen.
Vorweg muss das Parlament jedoch das Leistungsangebot und der damit verbundenen Finanzierung (Kostendeckungsgrade durch Gebühren oder Beiträge) diskutieren und festlegen. Im Weiteren sind die möglichen Auswirkungen des neuen Finanzausgleichs (NFA) für die künftigen Jahre ebenfalls zu berücksichtigen. Es geht insbesondere nicht an, dass der vorgeschlagene Grundsatz einzig dafür verwendet wird, um das bisherige Leistungsangebot zu zementieren, was eine erhebliche Erhöhung des Steuersatzes mit sich bringen würde.
Aufgrund der obigen Ausführungen empfiehlt der Stadtrat daher dem Parlament, das Postulat nicht zu überweisen.