Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrte Damen und Herren
Der Stadtrat unterbreitet Ihnen folgenden Bericht und Antrag:
1. Ausgangslage
Mit Beschluss vom 22.11.2012 (Akten-Nr. 18/21, Prot.-Nr. 29) erteilte das Gemeindeparlament den Auftrag, die hohe Sozialhilfequote in der Sozialregion Olten zu untersuchen und bis spätestens 30. Juni 2013 Vorschläge für kommunal beeinflussbare Massnahmen auszuarbeiten. Die Sozialdirektion nahm in der Folge mit dem Büro Bass Kontakt auf. Eine Offerte für eine Studie „Sozialhilfebezug in Olten – Vergleich mit anderen Solothurner Sozialregionen und Analyse von Einflussfaktoren“ liegt mittlerweile vor. Der Stadtrat wies in einer ersten Lesung den Bericht und Antrag zurück und verlangte, die der Sozialregion angeschlossenen Gemeinden und den Kanton um einen Beitrag anzufragen. Die Gemeinden Wisen und Hauenstein-Ifenthal erklärten sich dazu bereit, einen Anteil zu übernehmen. Die Gemeinde Winznau lehnte einen Beitrag ab. Es sei für die Gemeinde kein ersichtlicher Nutzen zu erkennen. Die Gemeinde Trimbach beschloss am 12.03.2013, sich an der Studie mit Fr. 5‘000.— zu beteiligen. Das Amt für soziale Sicherheit ASO erklärte, sich mit Fr. 20‘000.- an der Studie zu beteiligen, sofern die Bausteine 6 (Vergleich aller Sozialregionen) und 8 (multivariate Analysen) mit in Auftrag gegeben würden. Am 18.03.2013 genehmigte der Stadtrat die restlichen Mittel für die Studie. Die Studie wurde am 18.03.2013 somit später als geplant in Auftrag gegeben. Entsprechend verschoben sich die Daten für Zwischen- und Schlussbericht. Ende August 2013 stellte das Büro Bass den Bericht zu.
2. Bericht:
Der Kennzahlenvergleich zeigt folgende Fakten auf:
- Die Sozialhilfequote ist in den städtisch geprägten Sozialregionen am höchsten.
- In der Sozialregion Olten gibt es einen relativ geringen Anteil an Kurzzeitbeziehenden.
- Die Sozialregion Olten hat einen hohen Anteil an Einpersonenfällen.
- Die Sozialhilfequote von jungen Erwachsenen ist in der Sozialregion Olten markant höher.
- Die Sozialhilfequote von Ausländerinnen und Ausländern ist markant höher.
- Die Deckungsquote (Anteil Sozialhilfe am Gesamtbudget) ist in der Sozialregion Olten bei Einpersonenfällen markant höher.
- Die Sozialregion Olten weist einen vergleichsweise hohen Anteil an Sozialhilfebeziehenden ohne nachobligatorische Ausbildung auf.
- Die Sozialregion Olten weist nicht höhere Kosten pro Fall sondern eine höhere Sozialhilfequote auf.
- Die Sozialregion Olten gehört zu den Regionen mit höheren Anteilen an Zuzügen aus dem Ausland und aus anderen Kantonen.
- Die Sozialregion Olten weist eine im Vergleich hohe Anzahl Stellensuchende aus.
Die Analyse der Einflussfaktoren führt zu folgenden Ergebnissen:
- Die Sozialregion Olten verfügt mit Olten über eine Kernstadt mit Zentrumsfunktion. Regionen mit einer Kernstatt weisen eine höhere Sozialhilfequote aus.
- Die Sozialregion Olten ist sehr gut an den öffentlichen Verkehr angeschlossen und damit für Sozialhilfebezüger – die im Kanton SO kein Auto nutzen dürfen – attraktiv.
- Die Sozialregion Olten weist eine hohe Leerwohnungsquote auf. Es stehen viele kleine Wohnungen mit günstigen Mieten zur Verfügung. Für Sozialhilfebezügerinnen und –bezüger ist es relativ einfach, in der Sozialregion Olten eine Wohnung zu beziehen. Solche Voraussetzungen führen zu einer Zunahme der Sozialhilfequote.
- Die Sozialregion Olten weist einen hohen Ausländeranteil aus. Ausländerinnen und Ausländer haben statistisch betrachtet ein höheres Sozialhilferisiko. Der hohe Ausländeranteil führt zu einer höheren Sozialhilfequote.
- Obwohl in der Sozialregion Olten eine grosse Anzahl von Personen in Beschäftigungsprogrammen tätig ist, gestaltet sich die (Wieder-) Integration in den Arbeitsmarkt aus der Arbeitslosenversicherung schwieriger als in anderen Regionen. Damit verbunden ist eine grosse Anzahl ausgesteuerter Personen. Dies führt zu einer höheren Sozialhilfequote.
- In der Sozialregion Olten sind Gruppen, die in finanziell schwierigen Verhältnissen leben, stärker vertreten als in anderen Sozialregionen.
Die multivariate Zusammenhangsanalyse führt zu folgenden Ergebnissen:
- Geografische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie die Bevölkerungsstruktur haben einen Einfluss auf die erhöhte Sozialhilfequote in Olten.
Die Analyse der institutionellen Faktoren führt zu folgenden Ergebnissen:
- Suchtproblematiken haben in Olten aus historischen Gründen ein grösseres Gewicht. Es gibt einen „Stock“ von langjährigen Süchtigen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind.
- Das knappe Angebot an Kindertagesstätten wirkt sich erschwerend für die Erwerbsintegration von Sozialhilfebeziehenden mit Kindern aus.
Aus der Synthese der betrachteten Faktoren werden folgende Empfehlungen abgeleitet, die – wohlbemerkt – nicht von der Sozialregion (Sozialhilfe) allein umgesetzt werden können:
- Fokus auf junge Erwachsene in der Sozialhilfe, spezifische Massnahmenangebote
- Unterstützungsangebote für Alleinerziehende und gute Startchancen für Kinder
- Rasche und nachhaltige Integration von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen
- Möglichst wenig Drehtüreffekte bei der Integration in den Arbeitsmarkt
- Suche nach Lösungen für langjährige Sozialhilfebeziehende
3. Erwägungen:
Olten als Kernstadt, Olten an attraktiver Verkehrslage, günstiger Wohnungsmarkt für sozial schwache Personen, hoher Ausländeranteil, erschwerte Integration Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt und hoher Anteil von Personen in schwierigen finanziellen Verhältnissen sind gemäss vorliegender Analyse die wesentlichen Einflussfaktoren, die die hohe Sozialhilfequote erklären. Diese Faktoren sind durch die Sozialregion nicht direkt beeinflussbar.
Einflussnahme wäre wie folgt möglich:
Kantonale Richtlinie: Benutzung von Fahrzeugen durch Sozialbezüger:
Im Kanton Solothurn erhalten Sozialhilfebezüger, die ein Auto benutzen, einen Abzug von Fr. 500.-, da sie offenbar über genügend Mittel für die Nutzung eines Fahrzeuges verfügen. Auf kantonaler Ebene könnte diese Bestimmung aufgehoben werden. Der Druck auf Klienten, in eine verkehrsgünstig gelegene Stadt zu ziehen, würde dadurch abnehmen. Anderseits würde dadurch aber gesamthaft betrachtet der Zuzug in den Kanton Solothurn attraktiver, was wiederum nicht erwünscht ist.
Wohnungsangebot in der Sozialregion Olten: Kleine Wohnungen mit günstigen Mieten:
Grundsätzlich könnte die Stadt auf dem Wohnungsmarkt intervenieren, entsprechende Liegenschaften kaufen und sanieren und im teureren Segment vermieten. Dazu müssten Mittel zur Verfügung gestellt werden. Diese sind momentan kaum vorhanden. Zudem haben Markteingriffe des Staates in der Regel neben den erwünschten vor allem unerwünschte Folgen.
Richtlinien der Sozialkommission: Maximale Mieten
Die Sozialkommission legt Höchstmieten für Sozialbezüger fest. Diese könnten grundsätzlich gesenkt werden. Dadurch würden aber andere Probleme entstehen. Personen, die keine entsprechenden Wohnungen finden, müssten in Hotelunterkünften oder in Gemeindeliegenschaften untergebracht werden. Hotelunterkünfte wären teuer, Gemeindeliegenschaften müssten zur Verfügung gestellt bzw. neu geschaffen werden. Die bis anhin gewählte Variante über den Mietmarkt mit der Realität entsprechenden Ansätzen erachten wir allerdings als zielführender.
Städtische Sozialfirma: Einwohnergemeinde als Arbeitgeber
Die erfolgreiche Integration in den ersten Arbeitsmarkt erfolgt über die Privatwirtschaft und nicht über staatliche Programme. Grundsätzlich könnten zusätzliche Plätze belegt werden oder die Stadt könnte selber eine „Sozialfirma“ betreiben. Solche Programme und Firmen sind aber in erster Linie mit Kosten verbunden. Bei den aktuell geltenden Bestimmungen im Kanton Solothurn würden für Beschäftigungsprogramme – die von der Sozialregion Olten bereits stark genutzt werden – pro Monat und pro Klient zusätzliche Fr. 1‘000.- ausgegeben. Die Kosten einer „Sozialfirma“ würden inklusive der „Löhne“ zu Lasten der EGO verrechnet. Für Olten ist es somit nicht interessant, hier selber zusätzlich tätig zu werden. Die bestehenden und auf kantonaler Ebene gesteuerten Angebote sind vorzuziehen.
Programme für Jugendliche und Junge Erwachsene: Angebote der Einwohnergemeinde
Für solche Programme gelten die selben Überlegungen wie für die Sozialfirma. Die kantonal gesteuerten und bewilligten Angebote sind über die lastenausgleichsberechtigten Sozialhilfeleistungen finanzierbar. Eigene Angebote müssten von der Einwohnergemeinde finanziert werden.
Kindertagesstätten: Erhöhung der Anzahl Plätze
Eine Erhöhung des (subventionierten) Platzangebotes in Kindertagesstätten würde alleinerziehenden Elternteilen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erleichtern. Eine Entlastung im Bereich der Sozialhilfe würde mit Verzögerung erfolgen. Die entsprechenden Kosten würden bei der Einwohnergemeinde anfallen.
Angebote für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene: Angebote der Einwohnergemeinde
Die Stadt Olten hat mit der Fachstelle Integration bereits ein geeignetes (Zusatz-) Angebot. Im Rahmen der Sparbemühungen wird der Umfang des Zusatzangebotes neu ausgehandelt.
Umsetzung des Gegenleistungsprinzips: Möglichst wenig Drehtüreffekte bei der Integration in den Arbeitsmarkt
Hier bestünde die Möglichkeit, Klientensegmente zu bestimmen und nur noch Klienten Beschäftigungsprogrammen zuzuweisen, die eine Chance auf Integration in den Arbeitsmarkt haben. Dadurch würden Programmkosten eingespart und die Höhe der Sozialhilfeleistungen würde entsprechend reduziert (Fr. 1‘000 – 1‘500 pro Monat und pro Person). Dies würde anderseits eine Aufweichung des bis anhin von der Sozialkommission der Sozialregion Olten hochgehaltenen Gegenleistungsprinzips bedeuten und die Sozialhilfe „bequemer“ machen. Bis anhin vertrat die Sozialkommission die Ansicht, die konsequente Zuweisung in Beschäftigungsprogramme sei ein geeignetes Mittel dazu, Gegenleistung einzufordern und die Ablösung von der „bequemen“ Sozialhilfe zu beschleunigen.
Suche nach Lösungen für langjährige Sozialhilfebeziehende
Langjährige Sozialhilfebeziehende haben kaum Chancen auf eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Somit gibt es keine „Lösung“ für diese Problematik. Es kann entschieden werden, ob auch diese Gruppe bzw. dieses Klientensegment Gegenleistungen erbringen soll oder ob diese Personen mit möglichst geringem Aufwand „administriert“ werden sollen. Bis anhin verlangte die Sozialkommission auch von langzeitarbeitslosen Personen Gegenleistungen bzw. ermöglichte diesen durch die Zuweisung von Arbeit einen menschenwürdigen Alltag.
4. Würdigung durch den Stadtrat
Der Stadtrat will – gestützt auf den Bericht und unter Einbezug der politisch gewählten Sozialkommission (Behörde) – folgende Ziele setzen und verfolgen:
- Vorgehen bei jungen Erwachsenen überprüfen, Anreiz zur Arbeitssuche erhöhen.
- Generell Zahlungen auf absolutes Minimum (Grundbedarf) gemäss SKOS-Richtlinien reduzieren.
- Vernünftige Anwendung des Gegenleistungsprinzips durch stärkere Triage, wo es Sinn macht und wo nicht.
- Massnahmen im Bereich Sanktionen und Sozialinspektorat zu verschärfen.
- Forderung an Kanton, den transparenten Datenaustausch möglichst rasch zu gewährleisten.
Die Sozialdirektion wird beauftragt, diese Ziele weiter zu verfolgen und dem Stadtrat Bericht zu erstatten.
5. Fazit
Der Bericht zeigt auf, dass die Sozialhilfequote in der Sozialregion Olten klar nachvollziehbar und von Faktoren bestimmt ist, die von der Sozialregion nicht direkt beeinflusst werden können. Einflussmöglichkeiten sind auf kantonaler Ebene vorhanden. Auch auf Gemeindeebene wären Angebote und Vorgaben denkbar. Diese haben aber alle neben den möglichen Vorteilen entweder Kosten auf Gemeindeebene oder Nachteile zur Folge, die die Vorteile wieder zunichte machen.
Der Stadtrat leitet aus dem Bericht Zielsetzungen ab und beauftragt die Sozialdirektion mit der Verfolgung dieser Ziele und mit entsprechender Berichterstattung.
Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Sozialregion Olten ein bewährter Leistungser-bringer ist. Im kantonalen Vergleich sind die Fallführungskosten (Kosten Sozialadministration pro Fall) tief. Die Trends in der Entwicklung der Fallzahlen im Kanton Solothurn im Jahre 2012 haben sich im Übrigen verlagert. Die Fallzunahme im Kanton betrug 2012 ca. 7%, in der einzigen mit Olten vergleichbaren Region oberer Leberberg fast 13% und in der Sozialregion Olten für einmal nur 2%. Genausowenig, wie für den in früheren Jahren überproportionalen Zuwachs jeweils die Sozialregion und der Oltner Stadtrat verantwortlich gemacht wurden, dürfen sich nun die Sozialregion Olten und der Oltner Stadtrat den erfreulichen und stark unterproportionalen Zuwachs im Jahre 2012 als Eigenleistung anrechnen lassen. Die Anzahl Fälle und Sozialhilfeklienten ist ein Spiegel der in der Studie ausgewiesenen und von der Sozialregion nicht direkt beeinflussbaren Faktoren.
Das Gemeindeparlament wird um Kenntnisnahme des Berichtes und um wohlwollende Würdigung gebeten.
Beschlussesantrag:
Der Bericht „Sozialhilfebezug in Olten – Vergleich mit anderen Solothurner Sozialregionen und Analyse von Einflussfaktoren“ wird zur Kenntnis genommen.