Am 21. November 2012 haben Myriam Frey und Beate Hasspacher (Grüne Fraktion Olten) und Mitunterzeichnende eine Motion mit folgendem Wortlaut eingereicht:
«Der Stadtrat wird beauftragt, die Grün- und Freiraumqualität im öffentlichen Raum, insbesondere bei Neubauprojekten, durch geeignete Massnahmen sicherzustellen
a) konsequent naturnahe Gestaltung und Pflege der öffentlichen Areale,
b) Nachweis der nötigen Grün- und Freiräume sowie von deren Vernetzung, auch im Hinblick auf künftige bauliche Verdichtungen,
c) Förderung und Vermittlung innovativer Projekte, Schaffung von Vorbildern auf öffentlichem Grund, Renaturierung von unbefriedigenden Flächen, Vorgaben bei Bauprojekten.
Begründung
Die wichtigsten Leistungen von Grünflächen im Siedlungsgebiet sind eine bessere Anpassung an den Klimawandel, Biodiversität, Reduktion des Versiegelungsgrades, Möglichkeiten für Freizeit und Erholung, allgemeine Gesundheitswirkungen wie etwa Stressreduktion und mehr Bewegung sowie Möglichkeiten der Naturerfahrung und Umweltbildung.
Stadtklima
Der Bundesrat hat im März 2012 den ersten Teil der Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz genehmigt. Zu den wichtigsten Herausforderungen gehört demnach die grössere Hitzebelastung in den Agglomerationen und Städten.
Grünflächen, Bäume und nicht versiegelte Flächen, die sogenannten „ökologische Infrastruktur“, haben hier einen hohen Stellenwert: sie tragen wesentlich zur Kühlung, Luftzirkulation, Erholung etc. bei.
Biodiversität
Der Bundesrat hat im April 2012 die nationale Biodiversitätsstrategie verabschiedet. Darin ist eines von 10 Zielen die Förderung von Biodiversität im Siedlungsraum:
„Ziel 8: Die Biodiversität im Siedlungsraum wird bis 2020 so gefördert, dass der Siedlungsraum zur Vernetzung von Lebensräumen beiträgt, siedlungsspezifische Arten erhalten bleiben und der Bevölkerung das Naturerlebnis in der Wohnumgebung und im Naherholungsgebiet ermöglicht wird.“
Der Aspekt des ökologischen Ausgleichs in intensiv genutzten Gebieten ist auch in der Bundes- und kantonalen Gesetzgebung verankert (Natur- und Heimatschutzgesetz NHG Art. 18; Planungs- und Baugesetz SO § 119 Absatz 1 und 2)
Wohn- und Lebensqualität, Gesundheit
Zahlreiche Studien aus den letzten Jahren belegen die Bedeutung von Grün- und Freiflächen im Siedlungsraum für die physische und psychische Gesundheit der Bevölkerung. Dies schlägt sich nachgewiesenermassen sogar in den Liegenschaftpreisen nieder.
Siedlungsentwicklung in Olten
Olten befindet sich in einer Phase mit intensiver Bautätigkeit. Zahlreiche Grossprojekte werden den Umfang und den Charakter des Siedlungsgebietes in nächster Zeit stark verändern. Das Naturinventar 2011 hat gezeigt, dass bereits jetzt der Versiegelungsgrad in Olten extrem hoch ist. Neben den wertvollen Gartenstadtquartieren gibt es in Olten auch sehr viele Flächen mit hohem Aufwertungspotential. Die nötige Verdichtung und Siedlungsentwicklung nach innen, die in Zukunft stattfinden soll, erfordert unbedingt eine proaktive Strategie der Grün- und Freiraumentwicklung.
Die Arbeit der Umweltfachstelle und der Stadtgärtnerei ist wertvoll. Es braucht aber unserer Meinung nach einen verstärkten Einsatz und Koordination mit Blick auf die gesamte Siedlungsentwicklung. Grössere Städte wie Zürich, Basel oder Bern haben dies erkannt und sind bereits wesentlich weiter bei der Aufwertung der Quartiere.
Grundlagen
Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz. Ziele, Herausforderungen und Handlungsfelder. Erster Teil der Strategie des Bundesrates vom 2. März 2012.
(
http://www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/01673/index. html?lang=de)
Strategie Biodiversität Schweiz. BAFU 2012 (
http://www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/01662/index.html?lang=de)
Biodiversität in der Stadt - für Menschen und Natur. WSL Merkblatt für die Praxis Nr. 48
(
http://www.wsl.ch/dienstleistungen/publikationen /schriftenreihen/merkblatt/index_DE)
Naturkonzept Olten, vom 17. November 2008
Naturinventare Olten 1996/2011
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Im Namen des Stadtrates beantwortet Stadtrat Martin Wey den Vorstoss wie folgt:
Formelles
Der vorliegende Vorstoss kann nur als Postulat behandelt werden. Motionen sind nur für Bereiche zulässig, in denen die Entscheidungsbefugnis ausdrücklich beim Parlament liegt. Hat in einem Bereich die Exekutive die abschliessende Kompetenz, können dazu keine Motionen eingereicht werden. Diese inhaltliche Beschränkung der zulässigen Gegenstände einer Motion folgt aus dem Prinzip der Gewaltenteilung. Die aufgeworfenen Punkte betreffen ortsplanerische Bereiche. Nach § 9 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes ist die Ortsplanung Aufgabe der Einwohnergemeinde. Planungsbehörde ist von Gesetzes wegen der Stadtrat.
Materielles
Der Bundesrat hat die Strategie Biodiversität Schweiz am 25. April 2012 angenommen. Die Erhaltung der Biodiversität und ihrer Ökosystemleistungen ist in verschiedenen gesetzlichen Grundlagen wie Natur- und Heimatschutzgesetz, Landwirtschaftsgesetz, Waldgesetz, Gewässerschutzgesetz und Fischereigesetz verankert. Der Bund stellt in seiner Strategie Biodiversität Schweiz jedoch fest, dass trotz der bisherigen Anstrengungen und einzelnen positiven Entwicklungen eine zunehmende Verschlechterung der Biodiversität festzustellen ist. Ein Aktionsplan soll deshalb die Ziele konkretisieren und Massnahmen ausarbeiten, um die Erhaltung der Biodiversität in unserem Land langfristig sicherzustellen. Der Aktionsplan wird partizipativ erarbeitet. Beteiligt sind in erster Linie der Bund (Leitung: BAFU) und die Kantone. Zum Erreichen einer ganzheitlichen Wirkung zielt der Plan auch auf die Mobilisierung von Kommunen, Wirtschaft und Privaten. Die Verabschiedung des Aktionsplans durch den Bund ist auf Mitte 2014 vorgesehen. Der Bedarf für allfällige Gesetzesanpassungen wird im Rahmen des Aktionsplans geklärt. Geprüft wird etwa eine Konkretisierung der einschlägigen Bestimmungen im Rahmen der 2. Etappe der Revision des Raumplanungsrechts. Mögliche Schlussfolgerungen und Massnahmen in der Stadt Olten können dannzumal beispielsweise in die nächste Ortsplanungsrevision einfliessen (bspw. Vorschriften für die Begrünung von Flachdächern).
Auf kommunaler Ebene bildet das Naturkonzept 2008 eine einschlägige Grundlage. Die Strategie „Vorbildfunktion der öffentliche Hand“ zielt auf die naturnahe Gestaltung der öffentlichen Anlagen. Entsprechend werden auch Ziele und Massnahmen postuliert und umgesetzt. Einiges ist bereits geschehen: Die naturnahe Gestaltung von Baumscheiben und Rabatten, die Aufwertung von Krautsäumen entlang von Hecken (z.B. Trottermatte, Neuhardstrasse, Mühlethalweg), Wildblumentöpfe in der Innenstadt, die Sommerbepflanzung im Cultibo etc.
„Städte sind Lebensräume für ihre Bewohner. Naturvielfalt und das damit verbundene Naturerlebnis sind auch in Städten und Agglomerationen wichtige Werte für unsere Gesellschaft. Die Resultate der BiodiverCity-Befragungen zeigen, dass die Stadtbewohner in ihrem Umfeld eine abwechslungsreiche Vegetation aus locker verstreuten Büschen und Bäumen auf Wiesen mit nicht gemähten Abschnitten gegenüber ausgeräumten Grünanlagen bevorzugen.“ (Q: WSL 2012: Biodiversität in der Stadt – für Mensch und Natur)
Öffentliche Grün- und Freiräume im Siedlungsgebiet dienen per Definition in erster Linie dem Menschen. Für die Stadt Olten muss zwischen den urbanen Gebieten der Altstadt, Innenstadt, Bifang/Hardfeld und den topografisch ansteigenden, ruhigen, begrünten Wohnquartieren unterschieden werden. Beide Gebietsarten verfügen über spezifische Qualitäten und Bedingungen. Die Qualität der Stadt als Ganzes hängt wesentlich von der Dualität der dicht bebauten, lebendigen Kernstadt mit den in Fussdistanz erreichbaren attraktiven, durchgrünten Wohn- und Villenquartiere ab. Wesentlich für Olten ist zudem die unmittelbare Nähe der Naherholungsgebiete und Naturräume am Jurasüdfuss – ergänzt um die Aare als landschaftliches Element im Stadtgebiet. Für öffentliche Plätze, Freiräume und Strassen im städtischen Kerngebiet müssen andere Anforderungen an die Nutzung und Gestaltung als an Spielflächen oder Parkanlagen in den Wohnquartieren gelten. Detaillierte Kriterien zur Typologie, Bedeutung, Funktion und Gestaltung der öffentlichen Räume sind im Gesamtkonzept Gestaltung Öffentlicher Raum Olten vom 8. Mai 2006 formuliert.
Freiräume in der Stadt müssen je nach Zweckbestimmung, Art und Lage vielfältigen Funktionen, namentlich dem Verkehr (MIV, ÖV, Fuss- und Veloverkehr), Aufenthalt, Begegnung und Erholung sowie oftmals spezifischen Zwecken (Bsp. Schulanlagen, Sport) dienen oder mehrfach nutzbar sein (Bsp. neue Kirchgasse), entsprechende Aufenthaltsqualitäten bieten (Sitzgelegenheiten, Mikroklima etc.), objektiv und subjektiv sicher und ansprechend gestaltet sein. Wenn immer möglich und sinnvoll werden vegetative Elemente eingesetzt oder versickerungsfähige Böden eingebaut. Ein geringer Teil der unbebauten Flächen im städtischen Eigentum kann auf eine konsequent naturnahe Gestaltung ausgerichtet werden. Die Nutzungsansprüche bei Sportrasen oder auch Repräsentationsgrün wie Rosenbeete und Blumenrabatten im Stadtpark haben ebenso ihren Platz.
Zu Frage a)
Die Möglichkeiten für naturnahe Gestaltungen und die Schaffung eines guten Mikroklimas werden im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller zu berücksichtigenden Ansprüche und Gesichtspunkte im Unterhalt sowie bei der Planung und Realisation von Bauprojekten angemessen mitberücksichtigt. Grünelemente werden wenn immer möglich und sinnvoll eingesetzt. Generell muss zwischen verschiedenen Arten und Funktionen der öffentlichen Räume unterschieden werden. Städtebauliche, verkehrsmässige und nutzungsbezogene Kriterien sind mit zu berücksichtigen. Die Möglichkeiten für naturnahe Gestaltungen im Siedlungsgebiet sind begrenzt. Die Ansprüche der Menschen gehen vor.
Zu Frage b)
Ein Nachweis und ein Controlling der nötigen Grün- und Freiräume sowie von deren Vernetzung setzt aufwändige Grundlagenarbeiten (städtisches Freiraumkonzept und evtl. Gartenpflegewerk) voraus und wäre auch nur qualitativ möglich. Der Stadtrat setzt zurzeit andere Prioritäten.
Zu Frage c)
Der Stadtrat setzt sich im Rahmen der laufenden Unterhalts- und Neubauaktivitäten für eine gute, der Bedeutung und Funktion der einzelnen Räume entsprechende Gestaltung der öffentlichen Räume in der Stadt Olten ein.
Der Stadtrat empfiehlt dem Gemeindeparlament, das Postulat im Sinne der Erwägungen zu überweisen.