Mit Datum vom 22. März 2007 hat Rolf Sommer (SVP) folgendes Postulat eingereicht:
„Das Gemeindeparlament beauftragt den Stadtrat, den Verkaufsvertrag der Rediffusion an die Cablecom, der ca. aus dem Jahre 1991 stammen muss, auf einen Rückkauf zu überprüfen. Sollte diese Möglickeit bestehen, wäre der Stadtrat angehalten, einen allfälligen Rückkaufsvertrag dem Gemeindeparlament zu unterbreiten, in der Absicht ein regionales Medienkabelnetz zu betreiben.
Begründung:
Ich kenne die ganze Geschichte der Cablecom nicht. Ich kann mich nur noch erinnern, dass in den 80-Jahren in Olten die Rediffusion das örtliche Kabelnetz betrieben hatte. Irgendwann zu Beginn der 90-Jahren, war der Verkauf der Rediffusion an die schweizerische Cablecom ein Geschäft im Gemeindeparlament.
Durch diverse Finanztransaktionen ist die Cablecom heute ein ausländisches Unternehmen. Diese Finanzinvestoren möchten ihr Geld wieder zurück und dazu eignet sich die Schweizer besonders gut.
Aber die Zwangskunden der Cablecom haben vermutlich in den vergangenen Jahren schon mehrfach die Investitionen in das Kabelnetz bezahlt. Sie zahlen heute nur noch für die horrenden Verkaufspreise der von ausländischen Investoren für die Cablecom bezahlt worden ist.
Die Cablecom als heutiger quasi Monopolist der Televisionsübertrag hat in den vergangenen Monaten mit diversen Ankündigungen, Abschaltung von Fernsehkanälen, Zwang zum Digitalfernsehen, Gebührenerhöhungen, viele Kunden verärgert.
Dadurch erhielten verschiedene lokale Kabelnetzbetreiber in der Schweiz einen Aufschwung. Sie können ihren umfassenden Service zu billigeren Tarifen anbieten.
Das sollte doch in Olten auch möglich sein!
Unsere Märkte (Ausschnitt aus einem Mail vom 20.03.07 der Cablecom)
Cablecom ist die grösste Kabelnetzbetreiberin in der Schweiz. Sie bietet ihren Kundinnen und Kunden Dienstleistungen in Analog- und Digitalfernsehen, Digitalradio, Breitband-Internet sowie Telefonie an und führt verschiedene Angebote für Geschäftskunden. In Partnerschaft mit anderen Netzbetreibern versorgt cablecom insgesamt ca. 2 Millionen Haushalte. Zusammen mit ihren Partnernetzbetreibern verfügt sie über einen Marktanteil von rund 73% des Schweizer Kabelfernsehens und ist präsent in 14 der 16 grössten Schweizer Städte.
Das voll ausgebaute cablecom-Netz durchzieht die Schweiz mit einem 7’000 Kilometer langen, vollständig redundanten Hochleistungs-Backbone. Über diesen werden Fernseh-, Internet- und Telephoniedienste angeboten. Cablecom-Kunden sind über die lokale Infrastruktur, die insgesamt aus über 30'000 Kilometer Koaxialkabel besteht, an den Backbone angeschlossen („letzte Meile“). In den vergangenen fünf Jahren hat cablecom über CHF 1,5 Milliarden in ihr Netz investiert und es zu einem hybriden und koaxialen Netz mit einer Kapazität von 606 MHz und mehr ausgebaut. Dadurch ist cablecom in der Lage, bidirektionalen Daten zu übertragen und ihren Kundinnen und Kunden digitale Dienste anzubieten.
Rechne: 2‘000‘000 Haushalte x Fr. 300.- (Gebühren gerundet) x 5 Jahre = Fr. 3Mia.
Der Gewinn wäre ca. Fr. 1.5Mia.“
* * *
Im Namen des Stadtrates beantwortet Stadtpräsident Ernst Zingg den Vorstoss wie folgt:
Mit der Abschaltung von analog verbreiteten Fernsehsendern hat die Cablecom im Herbst 2006 und im Frühling 2007 zahlreiche Kundinnen und Kunden verärgert, was auch in Olten zu vielen erbosten Reaktionen geführt hat, die bis hin zu einer Forderung nach Übernahme des Netzes und damit der Grundversorgung durch die öffentliche Hand reichten, wie dies auch der vorliegende Vorstoss tut. Die Abklärungen der rechtlichen Situation, der Marktlage und der Handlungsoptionen haben zu folgendem Ergebnis geführt:
1. Vertragssituation:
- Im Juli 1991 schloss die Einwohnergemeinde Olten mit der damaligen Rediffusion AG einen Konzessionsvertrag zum Betrieb und Weiterausbau des bestehenden Kabelnetzes ab. Dieser Vertrag ersetzte einen Vorläufervertrag aus dem Jahre 1971 und lief 12 Jahre – also bis Juli 2003. Seither sollte sich dieser jeweils um weitere 5 Jahre verlängern, sofern er nicht 2 Jahre im voraus gekündigt wird (vgl. Art. 6).
- Nach Ablauf des Vertrags stand der Stadt Olten gemäss Art. 7 auf zweijährige Voranzeige hin ein Kaufrecht bezüglich des Kabelnetzes zu. Massgebend dabei sollte der Verkehrswert sein. Auch bei Erlöschen der Konzession sollte der Gemeinde gemäss Art. 18 ein Kaufrecht zustehen.
- Ferner behielt sich Olten während der Vertragsdauer gemäss Art. 19 gegebenenfalls ein Vorkaufsrecht vor.
- Mit dem Erwerb der Rediffusion AG durch die Cablecom im Jahre 1997 ging der Vertrag vom Juli 1991 mit allen inhaltlichen Verpflichtungen an die Cablecom über (vgl. Stadtratsbeschluss vom 27.10.1997).
- Mit dem Inkrafttreten des neuen Fernmeldegesetzes 1998 griff der Bund in den bisherigen Zuständigkeitsbereich der Gemeinden ein. Die bestehenden Konzessionsverträge wurden hinfällig. Die Stadt Olten erteilte Cablecom am 4. September 2000 eine entsprechende Bewilligung und hob gleichzeitig, gestützt auf einen Stadtratsbeschluss vom 29. Mai 2000, den Konzessionsvertrag vom Juli 1991 auf.
- Die Vertragssituation ist heute somit klar: Cablecom betreibt ihr Kabelnetz in Olten auf privat- und marktwirtschaftlicher Grundlage, wie es dem Sinn und Geist der Fernmeldegesetzrevision aus dem Jahre 1998 entspricht.
2. Marktlage:
- Als Eigentümerin des Kabelnetzes in der Stadt Olten übte Cablecom in Bezug auf die Verbreitung von Radio- und TV-Signalen bisher tatsächlich ein „faktisches Monopol“ aus, wie das auch der Preisüberwacher in seinem Jahresbericht 2004 festgehalten hat.
- Ganz anders verhält es sich demgegenüber im Fernmeldebereich (Telefon, Internet). Hier besteht heute echter, vielschichtiger Wettbewerb:
o sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunknetz sowie zwischen den beiden Bereichen
o innerhalb des Festnetzes sowohl im Infrastrukturbereich (Swisscom, Cablecom) als auch im Dienstebereich (Swisscom, Tele2, Sunrise, Cablecom).
- Mit dem Eintritt von Swisscom mit Bluewin TV hat sich die Konkurrenzsituation auch im Rundfunk- und TV-Bereich geändert, allerdings nur in Bezug auf das digitale Radio- und TV-Angebot. Bluewin TV wird ausschliesslich digital verbreitet, ebenso wie das Satelliten- und das Internetfernsehen sowie ab Ende 2007 auch die bodengestützt (terrestrisch) ausgestrahlten Programme der SRG idée suisse. Cablecom befindet sich demgegenüber in einer mehrjährigen Umstellungsphase vom analogen zum digitalen Fernsehen und hat am 1. April 2007 ein digitales Basisangebot mit über 90 TV-Sendern und über 40 Radiosendern auf den Markt gebracht. Im Unterschied zu Bluewin TV wird Cablecom bis mindestens Ende 2009 ergänzend zum digitalen Basisangebot noch 29 analoge Programme anbieten, welche weiterhin ohne Set Top Box empfangen werden können.
- Ziel und Absicht des neuen Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) und des revidierten Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 (FMG), welche zusammen mit den revidierten Ausführungsverordnungen des Bundes am 1. April 2007 in Kraft getreten sind, ist die Liberalisierung des gesamten Rundfunk- und Fernmeldewesens. Die heute noch bestehenden „faktischen Monopole“ der Kabelnetze sollen in nächster Zeit abgebaut und mittelfristig vollständig beseitigt werden. Im Besonderen dürfte zwischen Swisscom und Cablecom ein starker Wettbewerb im digitalen Bereich entstehen.
3. Abschaltung von analog verbreiteten TV-Programmen:
- Cablecom begründet auf Anfrage die seit 2002 wiederholt vorgenommenen Abschaltungen von analog verbreiteten TV-Programmen bzw. ihre Überführung in den digitalen Bereich mit dem dringenden Bedarf an Kabelnetzkapazität für neue Dienste im digitalen TV-Bereich (zusätzliche Spartenangebote und fremdsprachliche Programmpakete, Einführung HDTV) sowie für zusätzliche Dienste im Fernmeldebereich. Abgeschaltet wurden im Übrigen grundsätzlich jeweils die Sender mit den geringsten Zuschauerzahlen.
- Cablecom hält sich nach eigenen Aussagen strikte an die Vorgaben des Bundes im sogenannten Grundversorgungsbereich (Must carry). Gemäss RTVG können Bundesrat und BAKOM Aufschaltverpflichtungen für konzessionierte und andere private Programme erlassen, welche in besonderem Masse zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags beitragen. Dasselbe gilt für gewisse ausländische Programme, welche einen besonderen Beitrag zur Bildung, zur kulturellen Entfaltung oder zur freien Meinungsbildung leisten.
- Solche Aufschaltverpflichtungen gelten für die Kabelnetzbetreiber, jedoch nicht für die (ausländischen) Satellitenbetreiber. Das ist auch der Grund dafür, dass regionale TV-Programme nicht über Satellitenschüsseln zu empfangen sind. Infolge von Urheberrechtsbeschränkungen gilt Letzteres übrigens auch für nationale TV-Programme wie z. B. ORF 1 und 2
4. Handlungsoptionen für die Stadt Olten:
- Als rechtmässige Netzeigentümerin hat Cablecom das Recht, ihr Kabelnetz auf dem Gebiet der Stadt Olten innerhalb der gesetzlichen Schranken nach freiem, kommerziellem Ermessen zu betreiben (dasselbe gilt auch für ihre Konkurrenz). Der Stadtrat hätte natürlich die Möglichkeit, in Analogie zur früheren konzessionsvertraglichen Regelung mit Cablecom auf privatwirtschaftlicher Ebene in Verhandlungen bezüglich einer Netzübernahme zu treten oder unabhängig von Cablecom ein eigenes Kabelnetz aufzubauen.
- Da Cablecom das Kabelnetz in Olten nach heutigem Standard ausgebaut hat, wäre der privatwirtschaftliche Netzerwerb für jeden Käufer zweifelsohne ein kostspieliges Vorhaben.
- Mit dem Aufbau eines eigenen Kabelnetzes würde sich die Stadt Olten der geschilderten Marktkonkurrenz stellen müssen. Es ist nicht zu erwarten, dass Cablecom und Swisscom den Einstieg eines neuen Marktteilnehmers kampflos hinnehmen würden, was den eigenwirtschaftlichen Betrieb eines gemeindeeigenen Kabelnetzes in Frage stellen würde.
Fazit: Der Stadtrat hat Verständnis für den Unmut aus der Bevölkerung angesichts der für viele überraschenden, teils auch schlecht kommunizierten Massnahmen der Cablecom. Für ähnliche Kosten wie das bisherige analoge Programm bietet Cablecom aber heute – nicht zuletzt dank dem Einsatz des Preisüberwachers – zusätzlich eine mehr als doppelt so grosse Palette von digitalen Programmen an. Der Aufbau eines eigenen Kabelnetzes würde für die Stadt Olten eine sehr grosse Investition bedeuten, nachdem die Stadt Zürich, deren EWZ bereits über ein eigenes Glasfaserkabelnetz für den Datentransport verfügt, dennoch mit Investitionen von rund 200 Mio. Franken während sechs Jahren und weiteren 125 Mio. Franken danach rechnet; ob daraus für die Kunden billigere Tarife für ein ähnliches Angebot resultieren, dürfte zumindest fraglich sein. Zudem handelt es sich weder um ein Kerngeschäft der Stadt Olten noch um eines der sbo/a.en, die ihr Geschäftsfeld olten.com aufgegeben hat bzw. nur noch für betriebseigene Zwecke verwendet, den Vertrag mit der Einwohnergemeinde Olten über eine Datenleitung 2005 gekündigt hat und Dritte (z.B. Schulhäuser) nur noch in Einzelfällen über dieses Netz bedient.
Nachdem der Konzessionsvertrag mit Vorkaufsrecht nicht mehr besteht, ein privatwirtschaftlicher Netzerwerb sehr teuer zu stehen käme und die Stadt und stadtnahe Betriebe weder Knowhow noch Kapazität für den Betrieb eines eigenen Kabelnetzes haben, empfiehlt der Stadtrat dem Gemeindeparlament, das Postulat abzuweisen.