Am 17. November 2005 hat Markus Ammann, (SP-Fraktion), zuhanden des Gemeindeparlaments die folgende Interpellation eingereicht:
“Strassenstrich an der Haslistrasse
Nachdem der Presse zu entnehmen war, dass nach der „Aufhebung des Strassenstrichs in Olten“ allenfalls eine gewisse Verkleinerung, vor allem aber eine Verlagerung des Strassenstrichs in andere Strassenzüge stattgefunden hat, wird mit Unbehagen festgestellt, dass der Stadt die Kontrolle über den Strassenstrich endgültig entgleiten könnte. Aus diesem Grund bitten wir den Stadtrat um die Beantwortung folgender Fragen:
1.► Ist es richtig, dass trotz den massiven Bemühungen zur „Aufhebung des Strassenstrichs in Olten“ und trotz der Aufhebung der „Richtlinie über die Strassenprostitution“ dieser weiterhin existiert?
▪ Gibt es eine realistische Option, das postulierte Ziel einer Aufhebung des Strassenstrichs in Olten, einer Kleinstadt mit überproportionaler Zentrumsfunktion in der Schweiz, überhaupt zu erreichen? Wie würde ggf. der Weg dahin aussehen?
2.► War die Situation vor der Aufhebung der Richtlinien über die Strassenprostitution aus heutiger Sicht nicht generell übersichtlicher, kontrollierter, für die Stadt kostengünstiger und für die Sexarbeiterinnen und deren Kunden sowie die Bevölkerung sicherer als die heutige Situation? Müsste aus heutiger Sicht – im Sinn einer Bestlösung – ein verkleinerter Strassenstrich am alten Standort (untere Industriestrasse) nicht nochmals thematisiert werden?
▪ Konnte die heutige Entwicklung (aus polizeilicher Sicht) vorausgesehen werden? Wenn ja, weshalb wurde dennoch die heutige Lösung umgesetzt? Wie beurteilte die Polizei die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios? Wenn nein, welche Szenarien hat die Polizei dann beurteilt?
3.► Welchen (zeitlichen) Aufwand verursachte die „Aufhebung des Strassenstrichs in Olten“ insbesondere bei der Stadtpolizei seit dem 1.1.2005? Welchen Aufwand erforderte demgegenüber das frühere Modell an der Industriestrasse? Bei heutigem Mehraufwand: Weil lange ist weiterhin damit zu rechnen und in welcher Höhe? Mit welchen anderen Massnahmen ist langfristig zu rechnen?
▪ Stimmt es, dass einzelne Gewerbeanlieger Park- oder Stellplätze für die Ausübung des Sexgewerbes vermieten und damit von der neuen Situation durch die sog. „Aufhebung des Strassenstrichs“ profitieren?
4.► Ist durch die Bindung von Polizeikräften zur „Aufhebung des Strassenstrichs in Olten“ die Aufrechterhaltung der Sicherheit in den übrigen Bereichen gefährdet? Welche Sicherheitsziele der Stadtpolizei können ggf. nicht im notwendigen oder gewünschten Mass erreicht werden?
▪ Kann dem Ruf der Bevölkerung nach mehr Sicherheit und Polizeipräsenz in der Stadt trotzdem genügend nachgekommen werden?
▪ Ist das von der SP geforderte Inventar sicherheitskritischer Orte in Olten mit Konzept und Massnahmenplan in Arbeit und wann kann mit der Erfüllung dieses Dringlichen Postulats von D. Schneider gerechnet werden? Wenn ja, welche Direktion soll diesen Auftrag erfüllen?“
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Stadträtin Doris Rauber beantwortet die Interpellation im Namen des Stadtrates wie folgt:
Zu 1.►:
Grundsätzlich muss erwähnt werden, dass nicht der Strassenstrich generell, sondern die örtliche Zuweisung an der Industriestrasse mittels Stadtratsbeschluss vom 25.10.2005 aufgehoben wurde.
Das Polizeireglement der Stadt Olten vom 15. Mai 2003, Art. 14 lautet:
Es ist untersagt, sich in der erkennbaren Absicht zur Prostitution an folgenden Orten aufzuhalten:
a) auf Strassen und Plätzen an denen Wohnhäuser stehen
b) an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel
c) in und bei Parkanlagen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind
d) in der Nähe von Kirchen, Schulen und Spitälern
Der Stadtrat kann ergänzende Richtlinien erlassen. Die Direktion Öffentliche Sicherheit erhielt den entsprechenden Auftrag, diesen Stadtratsbeschluss umzusetzen.
Die ergriffenen Massnahmen zur Umsetzung des Stadtratsbeschlusses haben zu einer massiven Verkleinerung der Szene auf weniger als einen Fünftel des früheren Ausmasses geführt. Eine Verlagerung in andere Stadtgebiete oder benachbarte Gemeinden hat es nicht gegeben. An der Industriestrasse gibt es heute gar keine Strassenprostitution mehr. Die Industriestrasse hat eine Aufwertung erfahren. In stark reduzierter Form hat sich der Strassenstrich in die benachbarte Haslistrasse verlagert. Waren früher an der Industriestrasse bis zu 90 Frauen anzutreffen, sind es an der Haslistrasse noch bis zu 17 Frauen. Aufgrund der polizeilichen Kontrollen finden sich praktisch keine illegal arbeitenden Sexarbeiterinnen mehr. Gewalttätigkeiten sind keine aufgetreten. Auch der Fahrzeugverkehr ist zurückgegangen. Die ergriffenen Massnahmen sind als Erfolg zu werten.
Eine realistische Option, dass der Strassenstrich gänzlich aus dem Stadtgebiet verschwindet, kann auch mit starker Polizeipräsenz nicht garantiert werden.
Zu 2.►:
Die stadträtlichen Massnahmen richten sich nicht gegen die grundsätzlich zulässige Prostitution, sondern gegen die Auswüchse und negativen Begleiterscheinungen (Verkehr, Gewalt, illegale Sexarbeiterinnen, etc.) der Strassenprostitution, welche den öffentlichen Raum betreffen. Die heute noch bestehende Szene von weniger als einem Fünftel des ursprünglichen Umfangs ist schon aufgrund dieses Grössenvergleichs übersichtlicher. Die Szene ist heute auch kontrollierter als früher. Neue Sicherheitsprobleme sind bisher keine aufgetreten. Eine Neueinrichtung des Strassenstrichs am alten Standort an der Industriestrasse würde die erreichten Erfolge nach Ansicht des Stadtrates zu Nichte machen und hätte zwangsläufig auch eine massive Vergrösserung der Szene zur Folge. Es ist auch nicht bekannt, auf welche Weise sichergestellt werden könnte, dass sich dort nur ein verkleinerter Strassenstrich etablieren würde.
Der Polizei, welche sich seit Jahren mit der Prostitution in Olten beschäftigt, war klar, dass sich der Strassenstrich an einen anderen Ort verlagern wird. Das Ziel war, dass sich die Anzahl der Prostituierten massiv reduziert und unter keinen Umständen eine Verlagerung in andere Gemeinden z.B. nach Trimbach oder Winznau stattfindet. Wie bereits erwähnt gibt es keine gesetzliche Grundlage, welche die Prostitution generell verbietet.
Der Stadtrat hat am 29. Mai 2006 folgende Massnahmen beschlossen, um den „kleinen“ Strassenstrich unter Kontrolle zu halten:
Ø Die Kontrollen des Nachtfahrverbotes zur Verhinderung der Prostitution an der Industriestrasse sind – im Rahmen der Möglichkeiten – aufrecht zu erhalten.
Ø Die bestehende Signalisation ist mit einer Vorsignalisation an der Gösgerstrasse (Raum Dampfhammer) zu ergänzen.
Ø An der Industriestrasse (Raum SBB-Tunnel bis Gösgerstrasse) ist ein Halteverbot (2.49) beidseitig, von 2000 – 0500 Uhr einzurichten.
Ø Im Strassenstück Industriestrasse, ab Verzweigung Hasli-/Industriestrasse, Fahrtrichtung Industriegebiet Sunlight ist ein Fahrverbot „Verbot für Motorwagen und Motorräder“ (2.13) beidseitig, zwischen 2000 – 0500 Uhr mit Zusatz „Ausgenommen Zubringerdienst“ anzubringen.
Ø An der Haslistrasse 200 und im Kreuzungsbereich Industriestrasse, ganzes Rondell, ist ein Halteverbot (2.09) beidseitig, von 2000 – 0500 Uhr einzurichten.
Ø Bei der Verzweigung Tannwald-/Haslistrasse ist ab Liegenschaft Haslistrasse 72 der Wendeplatz (Rondell) mittels Halteverbot (2.09) beidseits, von 2000 – 0500 Uhr, zu signalisieren.
Der Stadtrat ist überzeugt, mit diesen Massnahmen den stark reduzierten Strassenstrich unter Kontrolle halten zu können.
Zu 3.►:
Die Polizei erhielt vom Stadtrat den Auftrag, entsprechend dem Parlamentswillen, generell sichtbare Präsenz zu markieren. Der Auftrag umfasste das gesamte Stadtgebiet und wurde entsprechend erfüllt. Die vermehrte Kontrolltätigkeit bezog selbstverständlich auch das Industriegebiet mit ein. Die durchgeführten Personen- und Fahrzeugkontrollen in der Industrie-, Hasli- und Tannwaldstrasse erfolgten im Zeitraum vom 02.01. bis 31.12.2005 im folgenden Umfang:
1920 Personen kontrolliert
2575 anwesende Prostituierte gezählt, teilweise überprüft, ANAG
877 Ordnungsbussen ausgestellt
15 Strafanzeigen (SVG) an die Staatsanwaltschaft eingereicht
31 Strafanzeigen (ANAG) an die Staatsanwaltschaft eingereicht
741 Arbeitsstunden in der Industrie-/Hasli- und Tannwaldstrasse
Die Stadtpolizei wird ihre Präsenz im Industriequartier wie auch in den anderen Oltner Quartieren weiterhin aufrechterhalten. Die Gewichtung erfolgt wie in der Vergangenheit situativ und ereignisorientiert. Dies entspricht dem erteilten Auftrag.
An der Haslistrasse werden folgende private Räumlichkeiten als Massageräume genutzt:
Haslistrasse 212 5 Zimmer, 2 Massageräume
Haslistrasse 200 4 Zimmer, 2 Wohnwagen
Haslistrasse 72 1 Zimmer
Es ist möglich, dass Privateigentümer Abstellplätze auf ihrem Grundstück vermieten, welche dann zur Ausübung des Sexgewerbes genutzt werden können. Der Stadtrat hat jedoch unter Vorbehalt der baupolizeilichen Regelungen keinen direkten Einblick oder Einfluss auf solche privatrechtlichen Verträge. Die stadträtlichen Massnahmen richten sich auch nicht gegen die Prostitution als solche, sondern gegen deren negative Begleiterscheinungen im öffentlichen Raum.
Zu 4.►:
Nicht die Aufhebung der Strichzone, sondern der gewünschte und vom Stadtrat erteilte generelle Auftrag nach mehr Polizeipräsenz im gesamten Stadtgebiet bindet grosse Polizeikräfte. Brennpunkte sind unter anderem die Innenstadt, die Altstadt, das Bifang, die Unterführungen und das Industriegebiet. Die Stadtpolizei stösst in der Tat mit ihrer Kapazität an Grenzen.
Zurzeit läuft das Projekt „Neuausrichtung Direktion Öffentliche Sicherheit“ mit der Firma Abegglen Management Partners AG, Volketswil. Inhalt ist unter anderem das polizeiliche Umfeld, welches seit mehreren Jahren einem starken Wandlungsprozess unterliegt, zu überprüfen.
In der Zwischenzeit wurde die strategische Ausrichtung der Stadtpolizei entwickelt. Diese basiert grundsätzlich auf dem heutigen Personalbestand der Stadtpolizei; was die angebotenen Produkte angeht, so soll die Produktgruppe Grundversorgung und Prävention selektiv ausgebaut werden, während die Zeichen bei den Produktgruppen Ermittlung, Verkehrslenkung, Verwaltung und Dienstleistungen eher auf selektiven Abbau stehen. Als weitere Schritte werden die organisatorischen Konsequenzen für die Stadtpolizei bzw. die Direktion Öffentliche Sicherheit aufgezeigt und ein Umsetzungskonzept erarbeitet.
Der Stadtrat hat am 6. März 2006 die Vorsitzenden der Verwaltungsleitungen aller Direktionen beauftragt, die beiden hängigen Postulate von Iris Schelbert-Widmer (GO) und Daniel Schneider (SP) zu bearbeiten. Eine Arbeitsgruppe wird unter Beizug der Postulantin/des Postulanten, der zuständigen Kommissionen und Fachleute ein Konzept erarbeiten. Vorgesehen ist, entsprechende Ergebnisse inkl. Massnahmenplan voraussichtlich bis im Sommer 2007 zu präsentieren.