Am 17. März 2005 haben Iris Schelbert (GO) und Mitunterzeichnende zu Handen des Stadtrates folgende dringliche Motion eingereicht:
„Der Stadtrat wird beauftragt, sämtliche Baubewilligungen für Antennenanlagen für die neue Mobilfunkgeneration UMTS rückwirkend ab 1. Januar 2005 zu sistieren, bis die Ergebnisse der ETH-Studie über UMTS-Strahlung vorliegen.
Begründung
UMTS-Sendeanlagen sind nicht gewöhnliche Mobilfunk-Antennen. Sie übermitteln bewegte Bilder (TV, Filme, drahtlosen Internetzugang) auf ein Handy. Sie brauchen damit ein vielfaches mehr Sendeenergie als gewöhnliche Mobilfunk-Antennen. Sehr beunruhigende Ergebnisse einer holländischen Studie zeigen, dass bei Versuchspersonen, welche schon einer geringen UMTS-Strahlenbelastung ausgesetzt waren, das gesundheitliche Wohlbefinden signifikant abnahm. Auch bei Einhaltung der geltenden Grenzwerte haben diese gepulsten UMTS-Wellen negative Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen. Die holländische Studie hat nun die ETH Zürich bewogen, eine eigene Studie durchzuführen, um die Resultate der Holländer zu überprüfen. Die Studie wird zur Hälfte durch Mobilfunkunternehmen finanziert. Die Ergebnisse sollen im September 2005 vorliegen. Eine wichtige Frage der ETH Studie ist jene, ob die für die Schweiz geltenden Grenzwerte genügen.
Ärztinnen und Ärzte für den Umweltschutz (AefU), unterstützt von der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) und der Allianz für sanften Mobilfunk (Schweizerische Energie-Stiftung, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, WWF Schweiz, Greenpeace Schweiz und Stiftung für Konsumentenschutz) fordern ein UMTS-Moratorium, bis die ETH Studie eine mögliche Beeinträchtigung des Wohlbefindens betroffener Personen geklärt hat.“
Die Dringlichkeit wurde mit 22:17 Stimmen abgelehnt.
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Stadtpräsident Ernst Zingg und Stadträtin Silvia Forster beantworten den Vorstoss im Namen des Stadtrates wie folgt:
Beim Vorstoss handelt es sich gemäss Art. 60ff. der Geschäftsordnung des Gemeindeparlamentes der Stadt Olten um ein Postulat, da allfällige Massnahmen, die auf Grund des Vorstosses ergriffen werden, in die Kompetenz des Stadtrates resp. der Baukommission fallen.
Die Motionäre begründen ihren Vorstoss mit einer holländischen Studie, die 2003 veröffentlicht wurde, und die eine Replikationsstudie der Forschungsstiftung Mobilfunkkommunikation ausgelöst hat. Die holländische TNO-Studie hat erstmals Effekte von UMTS-Signalen auf Menschen im Laborexperiment festgestellt. Es wurde eine schwache, aber statistisch signifikante Reduktion des Wohlbefindens beobachtet.
Die Studie der Forschungsstiftung Mobilfunkkommunikation wiederholt nun die holländische Studie und erweitert sie um zusätzliche Versuchsanordnungen. Die Resultate dieser Studie werden im Herbst 2005 erwartet. Zudem hat der Bundesrat am 5. März 2005 ein nationales Forschungsprogramm zum Thema „Nichtionisierende Strahlung, Umwelt und Gesundheit“ lanciert, das voraussichtlich bis ins Jahr 2010 reicht.
Neue Erkenntnisse aus dieses Studien werden Auswirkungen auf die Gesetzgebung und die Bewilligungspraxis haben – jedoch erst nach ausführlichen Diskussionen über die Ergebnisse, deren korrekten Interpretation und die daraus zu ziehenden Schlüsse. Dies wird – auch bei der Studie der Forschungsstiftung Mobilkommunikation – ein Prozess sein, der mehrere Monate, wenn nicht Jahre, benötigen wird. In diesem könnten auch die Bundesparlamentarier aus der Region ihren Einfluss geltend machen.
Eine Gesuchsstellerin hat Anrecht auf die Erteilung einer Baubewilligung, wenn das Vorhaben die Anforderungen der heute gültigen NIS-Verordnung (und die weiteren baurechtlich relevanten Aspekte) erfüllt. Die NIS-Verordnung, deren Grenzwerte mehrfach bestätigt worden sind, berücksichtigt zudem das Vorsorgeprinzip, indem die Grenzwerte aus politischen Gründen tiefer angesetzt sind als in Europa. Es gibt keine rechtliche Grundlage, um Baugesuche für UMTS-Anlagen aus Vorsorgegründen zu sistieren.
In verschiedenen Gemeinden, so auch in Langenthal hat sich in der Bevölkerung der Widerstand gegen neue Mobilfunkanlagen verstärkt. In Langenthal wurde eine Petition mit rund 4'000 Unterschriften (bei rund 12'000 Einwohnerinnen und Einwohnern) eingereicht, die ein Moratorium für die Erteilung neuer Baubewilligungen verlangt hat. Zudem sind gegen eine geplante Anlagen mehrere hundert Einsprachen eingegangen. Der Gemeinderat hat diesem Moratorium bis zum Erscheinen der Resultate der neuen Studie zugestimmt. Über die Rechtmässigkeit dieses Entscheides gibt es noch keine Rechtssprechung des Bundesgerichtes.
Im Kanton Basel Stadt hat der Grosse Rat den Regierungsrat im Oktober 2004 beauftragt, eine Standesinitiative auszuarbeiten, worin ein Moratorium für den Bau von Mobilfunkantennen in bewohntem Gebiet gefordert wird.
In einem Ende August 2005 veröffentlichten Entscheid hat der Regierungsrat des Kantons Zürich festgehalten, es sei den Gemeinden – im beurteilten Fall ging es um Stäfa – nicht erlaubt, Moratorien in Bezug auf neue UMTS-Antennen auszusprechen.
Die Lage war in Olten bis jetzt vergleichsweise ruhig. Im Jahr 2005 wurden drei UMTS-Anlagen bewilligt. Die Baubewilligungen dieser drei Anlagen sind rechtskräftig und können nicht sistiert werden. Im Moment sind 4 Verfahren betr. UMTS hängig, dabei dienen 3 davon der Versorgung der SBB (Tunnelversorgung). Bei allen 4 Verfahren sind keine Einsprachen zu erwarten. Die Anzahl früherer Einsprachen zeigt, dass das Thema Mobilfunk und UMTS in der Oltner Bevölkerung noch nicht in dem Masse virulent ist wie z.B. in Langenthal.
Zurzeit sind in Olten keine weiteren Gesuche für UMTS-Sendeanlagen eingereicht oder angekündigt worden. Die Behandlung eines neuen Gesuches dauert mindestens 6 bis 8 Wochen, Einsprachen führen zu einer Verzögerung. Es ist durchaus möglich, dass neue Gesuche erst nach dem Vorliegen der Ergebnisse der Studie der Forschungsstiftung Mobilfunk „bewilligungsreif“ werden. Die Diskussion um die richtige Interpretation dieser Ergebnisse, wird – wie oben dargelegt – zu diesem Zeitpunkt lanciert werden. Auch weitere Erkenntnisse z.B. aus dem Vorgehen von Langenthal und Basel-Stadt, aus dem Baubewilligungsverfahren eines allfälligen Baugesuches für eine UMTS-Anlage in Olten oder aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtes müssen dann in eine neue Lagebeurteilung einfliessen. Einem Moratorium zum jetzigen Zeitpunkt bis zum Vorliegen der Ergebnisse der Studien fehlt die rechtliche und politische Absicherung; sie macht zudem inhaltlich keinen Sinn, da die Lage im Herbst ohnehin neu beurteilt werden muss.
Der Stadtrat beantragt demzufolge, den Vorstoss nicht zu überweisen.