Geschätzte Ratskolleginnen und Ratskollegen, liebe Stadträtinnen und Stadträte, liebe Gäste
Ich möchte Ihnen im Parlament danken, dass sie es mir (meistens) leicht gemacht haben. Ich habe jetzt während einem Jahr dieses Parlament geführt. Ich hatte meine Hochs und Tiefs erlebt wie auch das Parlament und die einzelnen Parlamentsmitglieder ihre besseren und weniger guten Sitzungen hatte. Im grossen und ganzen war’s ein erfolgreiches Jahr gewesen. Heute haben wir einen versöhnlichen Abschluss der Legislatur, die für mich einen leicht irritierenden Auftakt gehabt hat.
Was bleibt nach einem Jahr Ratsbetrieb eigentlich übrig?
Scheingefechte und wirkliche Anstrengungen zu Veränderungen wechselten sich ab, ebenso Banalitäten mit ernsthafte Angelegenheiten; Kleinigkeiten wurden mal heftig diskutiert, und grosse, teure und / oder entscheidende Geschäfte manchmal überraschend rasch verabschiedet worden. Alles in allem war es für mich ein realer Ausschnitt aus dem richtigen Leben.
Mir sind natürlich auch viele Erinnerungen und Kleinigkeiten geblieben, zB
- dass man als Präsident auch mal den einen oder die andere übersieht oder zu spät entdeckt. Bei den Betroffenen möchte ich hiermit herzlich entschuldigen. Es ist nicht mit Absicht geschehen.
- dass es ein Präsidium nie allen recht machen kann;
- dass der Rat in einer Art Selbstkasteiung sich auch bei Millionenüberschüssen der Stadt ein Znüni, einen anständigen Stuhl und eine halbwegs erträgliche Tonanlage verweigert
- oder zB dass viel zu viel wiederholt wird und nicht jedes Votum neue Aspekt an den Tag bringt
- oder dass in unserer Zeit Vieles sehr sehr dringlich ist...
Aber auch ein paar wichtige, richtungsweisende Entscheide sind gefallen, zB:
- Stadttheater und Kulturbericht sind ein Startschuss für ein neues Engagement gewesen
- Sportstättenplanung hat Klärung gebracht und ebenfalls einen Startschuss zu einer gescheiten Planung
- Neuorganisation der Stadtrats ist ein Meilenstein, aber in meinen Augen sicher noch nicht die definitive Lösung.
Aber auch das waren doch alles Kleinigkeiten. Das was in meiner Amtszeit bei mir wirklich bleibende Spuren hinterliess, was mich auch nach Jahren noch ans Amtsjahr erinnern wird, sind zwei Ereignisse, die nur am Rand mit dem Parlament zu tun gehabt haben.
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Das eine war die Tragödie von Gretzenbach.
Mir wurde plötzlich wieder bewusst wie viele Männer und Frauen tagtäglich, freiwillig und mit grossem Engagement professionelle, wichtige aber wenig bezahlte Arbeiten für die Allgemeinheit, für uns alle ausführen. Sei es in lebenswichtigen Strukturen in den Gemeinden wie der Feuerwehr, in sozialen Institutionen, im Samariterverein, in der Bergrettung, sei es auch in der Armee, im Zivildienst oder im Zivilschutz.
Ich bin der Meinung, dass wir in diesem Bereich heute schlecht organisiert sind. Jedermann und jede Frau weiss, dass – gerade seit die Armee die Leute nicht mehr braucht – sich viele aus der Verantwortung schleichen.
Ich denke, dass jeder in diesem Land seinen gleichen Teil für die Allgemeinheit beisteuern muss. Jeder und jede soll eine gewisse Zeit seiner Lebensarbeitszeit dem Dienst an der Gesellschaft zu widmen. Damit könnten möglicherweise die ständig steigenden sozialen Kosten könnten etwas abgemildert werden, vernachlässigte Aufgaben im Umweltschutz könnte wieder mehr zur Geltung kommen und die Gerechtigkeit innerhalb der Bevölkerung würde wieder zunehmen.
Die Städte – und mit ihnen jede Gemeinde – müssten eigentlich ein grosses Interesse haben, einen solchen generellen „Dienst an der Gemeinschaft“ für alle zu fordern und zu fördern, denn sie würden am direktesten von einer allfälligen Entlastung profitieren.
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Knapp einen Monat nach dem Unglück wurden wir erneut von einer unglaublichen Nachricht überrascht. In Ostasien sind Hunderttausende von Menschen in einer riesigen Flutwelle gestorben, und viele andere wurden obdachlos und haben das gesamt Hab und Gut verloren.
In einer nie gesehenen Solidaritätswelle haben wir Geld gespendet, um zu retten, was zu retten ist und den leidenden Menschen zu helfen. Es war erfreulich zu sehen, wie Solidarität möglich ist und Globalisierung auch anders verstanden werden kann.
Nach und nach beschlich mich aber ein leicht mulmiges Gefühl. Braucht es immer eine riesige, wenn möglich noch besonders medienwirksame Katastrophe damit wir noch im Stand sind Mitgefühl zu zeigen und zu leben?
Die täglichen und andauernden Katastrophen sind natürlich wenig spektakulär und dadurch wenig in unseren Köpfen präsent: weit über 800 Mio. Menschen leiden dauernd an Hunger, in Kriegen sind seit dem 2. Weltkrieg wohl weit über 30 Mio. Menschen gestorben, vorwiegend Zivilpersonen; ca. 40 Mio. Menschen sind zZ auf der Flucht vor Kriegen; Krankheiten wie Pest, Malaria, Tuberkulose, Aids oder Grippe raffen jährlich 13 Mio. Menschen weg.
Sind die Katastrophen weniger tragisch, einfach weil sie nicht wahrgenommen werden? Doch haben sie nicht den ungleich stärkeren Einfluss darauf, ob Menschen aus aller Welt zu uns kommen, um der Armut, dem Hunger oder dem Krieg zu entfliehen?.
Wir bringen es immer noch nicht fertig, dass mehr Geld aus der ersten Welt in die Dritte fliesst als umgekehrt, wir geben in der Schweiz nicht mal den geforderten Mini-Bruchteil von 0.4% des BSP für Entwicklungshilfe. Und gleichzeitig wollen wir die Mauern um die Schweiz erhöhen. In meinen Augen eine inkonsequente Politik und eigentlich eine Schande.
Es geht aber nicht nur um Geld, sondern um gegenseitiges Verständnis, um Kommunikation unterschiedlicher Lebensweisen und Bedürfnisse, schlicht um Solidarität. Aber nur gelebte Nächstenliebe ist wirkliche Solidarität.
Die Stadt Olten macht da durchaus Anstrengungen. Es gibt die – ab und zu umstrittenen – Posten der Auslands- und Humanitären Hilfe im Budget, es gibt eine Städtepartnerschaft mit Altenburg und eine weitere Partnerschaft mit Stierva. Ich sehe darin durchaus positive Ansätze, ja vorbildliche Anstrengungen. Doch genügen sie nicht mehr. Die Welt ist zusammengewachsen, aber nicht gerechter und gleicher geworden; doch eigentlich leben wir in Stierva, in Altenburg oder in Olten bis auf Nuancen gleich, oder gleich gut, quasi in der selben Strasse des globalen Dorfes.
Es wäre meines Erachtens an der Zeit, dass Olten einen weiteren Schritt tut. Die alte Partnerschaft Olten – Matagalpa wäre eine gute Basis gewesen oder vielleicht ein guten Wiederanfang; oder statt sich gegen die neuen EU Länder zu stellen, könnte ja eine Partnerschaft mit einer Stadt aus Osteuropa anstreben. Ev. sogar gemeinsam mit Altenburg?
Ich weiss, sich mit Fremdem auseinanderzusetzen macht Angst, kostet manchmal Schweiss und Arbeit, zudem nimmt es uns Sicherheit und – es beschert uns am Schluss möglicherweise noch ein neues Weltbild. Wollen wir das?
Diese Worten sollen nicht bedeuten, dass wir auf alles verzichten müssen. Wir dürfen unseren Wohlstand durchaus auch geniessen. In diesem Sinn entlasse ich Sie nun aus meinen Parlamentsjahr.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit, wünsche einen schönen Abend und einen schönen Sommer!