Am 6. Oktober 2004 hat Rolf Sommer im Gemeindeparlament eine Motion mit folgendem Wortlaut eingereicht:
„Begehren
Der Stadtrat wird beauftragt, das Reglement über das Bestattungs- und Friedhofwesen der Stadt Olten (SRO 218) vom 16. Mai 2002 mit der Inkraftsetzung am 1. Juni 2002 zu überarbeiten, insbesondere sind die Art. 6 und 12 zu präzisieren oder zu ergänzen.
Sollte die praktische Anwendung dieses Reglementes gezeigt haben, dass noch andere Artikel verändert werden müssten, so sei dies mit dieser Revision auszuführen.
Begründung
Das Reglement über das Bestattungs- und Friedhofwesen der Stadt Olten (218) wurde am 16. Mai 2002 vom Gemeindeparlament genehmigt und am 1. Juni 2002 in Kraft gesetzt. „Im Tode sind alle gleich“ oder „Der Arme liegt neben dem Reichen“, war bis anhin die überzeugende Meinung der Mehrheit der Oltner Bevölkerung, und so war auch die letzte Ruheordnung seit Jahrzehnten im Meisenhard-Friedhof vorgesehen.
Wie die Erfahrungen immer zeigen, sollen und müssen gesetzliche Anordnungen immer sehr präzise, klar und ohne Interpretationsspielraum abgefasst werden. Nur so kann gewährt werden, dass alle vor dem Gesetze gleich sind, und dies ist ein Grundanliegen unserer demokratischen Gesellschaft.
Im telefonischen Gespräch mit dem Stadtpräsidenten und andere persönliche Erfahrungen zeigen aber, dass sich schon nach einer relativ kurzen Zeit, verschiedene Anpassungen aufdrängen. Zum Beispiel, einige Absätze in Art. 6 müssen präzisiert werden, damit kein Interpretationsspielraum bleibt, denn Zitat, Abs. 1: „Falls eine beim Bestattungsamt deponierte schriftliche Willensäusserung der oder des Verstorbenen vorliegt, ist dieser bei der Bestattung nachzukommen, ...“ ist sehr offen formuliert und kann zu Willkür oder Ungleichbehandlungen führen. Was bedeutet und heisst „bei der Bestattung nachzukommen“ im Extremfall kann dies zu beträchtlichen Mehrkosten für die Stadt Olten führen oder die Einheit der Grabanlagen wird nicht mehr gewährt, wie ein kürzlicher Fall bestätigt.
Art. 12 umfasst den Beschrieb und die Anordnungen der Grabstätten, aber der Hinweis auf den Übersichtsplan „Friedhof Meisenhard“ vom 5. Mai 2002 1:1'000 fehlt. Er sollte ein integrierender Bestandteil dieses Reglementes sein, denn ihm kommt die gleiche Bedeutung zu wie dem Bauzonenplan im Baureglement. Art. 12 muss somit noch ergänzt werden. Jedes Reglement sollte periodisch überprüft werden, denn die Verbesserungsvorschläge kommen nur mit der praktischen Anwendung.“
Stadtpräsident Ernst Zingg beantwortet die Motion im Namen des Stadtrates wie folgt:
Das Reglement über das Bestattungs- und Friedhofwesen trat am 1. Juli 2002 in Kraft und ersetzte die völlig veraltete Verordnung über das Bestattungs- und Friedhofwesen vom 28. April 1964. Wir haben es also mit einem relativ neuen Erlass zu tun, dessen Teilrevision sich aufdrängen würde, wenn in den letzten zwei Jahren in der Rechtsanwendung grössere Probleme oder Ungereimtheiten zu verzeichnen wären.
Gemäss den Abklärungen des Stadtpräsidiums bei den involvierten Stellen (Bestattungsamt und Werkhof) besteht aus fachlicher Sicht zum heutigen Zeitpunkt kein akuter Revisionsbedarf, hingegen trifft es zu, dass einzelne Fragestellungen durchaus diskussionswürdig sind.
Der Motionär ist der Auffassung, dass „gesetzliche Anordnungen immer sehr präzise, klar und ohne Interpretationsspielraum“ abgefasst werden müssen. Diese Auffassung widerspricht aber einem der Grundgedanken in der Rechtswissenschaft: Jedes Gesetz, jeder Paragraph oder sogar jeder einzelne Satz, sei er noch so klar und eindeutig formuliert, muss letztendlich in der Rechtsanwendung ausgelegt werden. Ein gewisser Interpretationsspielraum ist in jedem Gesetz oder Reglement enthalten, da niemals jeder Einzelfall in einem abstrakten Erlass berücksichtigt werden kann.
Der vom Motionär erwähnte Art. 6 Abs. 1 des Reglements ist aus der Sicht des Stadtrates nicht derart offen formuliert, dass damit automatisch Willkür oder Ungleichbehandlungen die Folge sind. Der Stadtverwaltung steht mit dieser Bestimmung ein gewisses Ermessen zur Verfügung, welches sie im Einzelfall anzuwenden hat. Es kann sein, dass in Einzelfällen die Meinungen über die Berücksichtigung des Willens der Verstorbenen kontrovers diskutiert werden. Letztlich muss aber die Stadtverwaltung Lösungen finden, die für alle Beteiligten akzeptabel sind.
Ein verschiedentlich geäussertes Anliegen, welches der Motionär nicht explizit nennt, betrifft die Schaffung von Familiengräbern, welche gemäss dem heutigen Reglement nicht möglich wäre. Ebenfalls zu prüfen wäre, ob die sechs Kategorien von Grabstätten in Art. 12 den heutigen Bedürfnissen noch entsprechen.
Zusammengefasst ergibt sich, dass der Motionär grundsätzlich berechtigte Anliegen vertritt, diese aber nicht mit einer (zu) verbindlichen Motion umgesetzt werden sollen, weil damit der Stadtrat gezwungen wird, einen Reglementsentwurf vorzulegen, selbst wenn sich der Revisionsbedarf nicht erhärten sollte. Sinn machen würde aber eine Prüfung des Anliegens durch den Stadtrat in Form eines Postulates. Falls der Motionär bereit ist, seine Motion in ein Postulat umzuwandeln, spricht sich der Stadtrat für eine Überweisung aus.