Am 16. Mai 2002 hat Dr. Markus Ammann (SP) im Gemeindeparlament folgende Interpellation eingereicht:
„Am 6. Juli 2001 fand zwischen Vertretern der Amtschreiberei Olten-Gösgen, Herrn Stadtpräsident Ernst Zingg und dem Inventurbeamten der Einwohnergemeinde Olten eine Besprechung statt, in der festgehalten wurde, dass „die Rückstände im Inventuramt Olten ein unverantwortliches Mass angenommen hatten“ (Protokoll des Regierungsrates vom 15.1.2002).
Es wird festgehalten, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Anzahl der ausstehenden Protokolle/ Vermögenslosigkeitsbescheinigungen für das Jahr 2000 22 Pendenzen und für das Jahr 2001 (bis 31.5.2001) 64 Pendenzen betrug.
Weil die gemeinsam vereinbarte Frist zur Aufarbeitung der Fälle per Ende September 2001 erneut nicht eingehalten wurde, war der Amtschreiber Mitte Oktober 2001 verpflichtet (§ 184 EG ZGB), den Regierungsrat von den Versäumnissen in Kenntnis zu setzen. Zum Zeitpunkt des Schreibens waren noch immer 74 Inventare/Vermögenslosigkeitsbescheinigungen ausstehend.
Aufgrund der langen Wartezeiten bis zum Abschluss der Erbschaftsverfahren war die Amtschreiberei seit längerem mit zahlreichen Reklamationen von Hinterbliebenen konfrontiert. Nach Gesetz (§ 177 Abs. 1 EG ZGB) ist ein Inventar innert 30 Tagen nach dem Tod des Erblassers aufzunehmen.
In der Folge hat das Finanzdepartement die Stadt Olten schriftlich darauf hingewiesen, dass „dringender Handlungsbedarf geboten sei“ und dass nach unbenutztem Ablauf einer weiteren Frist „die ausstehenden Inventare und/oder Vermögenslosigkeitsbescheinigungen durch den Amtschreiber oder einen Notar auf Kosten der Stadt Olten erstellt würden“. Der Regierungsrat stellte in seiner Sitzung vom 15. Januar 2002 fest, dass die Stadt Olten auch auf die diesbezüglichen Schreiben des Finanzdepartmentes „im übrigen nicht reagiert“ hat. Letztendlich konstatiert er, dass die gesetzlichen Pflichten betr. Inventaraufnahme „durch die Stadt Olten auf krasse Weise verletzt“ wurden.
Da diese dem Gemeindepräsidenten zustehenden Aufgaben (§§ 172 – 183 EG ZGB) „nachlässig oder gar nicht“ ausgeführt wurden, beschliesst der Regierungsrat, dass der Amtschreiber der Amtei Olten-Gösgen die ausstehenden Oltner Inventare aufzunehmen oder Vermögenslosigkeitsbescheinigungen auszustellen hat und die zusätzlichen Kosten (von ca. Fr. 96.--/Std.) der Stadt Olten in Rechnung zu stellen sind.
In diesem Zusammenhang bitte ich den Stadtrat um Beantwortung der folgenden Fragen:
- Entspricht die im Protokoll des Regierungsrates vom 15.1.2002 dargestellte Situation den Tatsachen?
- Welche zusätzlichen Kosten erwuchsen bisher der Stadt Olten durch die nachlässige Behandlung der erwähnten Geschäfte?
- Sind die Pendenzen im Inventuramt heute aufgearbeitet? Wenn nein: Bis wann ist keine externe Mitarbeit mehr erforderlich und in welcher Höhe werden sich die weiteren Kosten bewegen?
- Seit wann sind dem verantwortlichen Stadtpräsidenten die Probleme im Inventuramt bekannt?
- Weshalb entstanden die unhaltbaren und ungesetzlichen Zustände im Inventuramt, und weshalb hat die Stadt Olten auf die Schreiben der Regierung des Kantons nicht reagiert?
- Wer trägt die politische Verantwortung dafür?
- Welche Vorkehrungen wurden getroffen, damit sich derartige Verhältnisse nicht wiederholen können?
- Wie und nach welchen Kriterien wurde nach der Pensionierung des vormaligen Inventurbeamten diese Stelle wiederbesetzt? Wurde sie ordnungsgemäss öffentlich ausgeschrieben? Wenn nein, weshalb nicht?“
Die Interpellation wird im Namen des Stadtrates von Stadtpräsident Ernst Zingg wie folgt beantwortet:
Vorbemerkung
Der Interpellant greift mit seinen Fragen ein Thema auf, das zum Zeitpunkt der Einreichung des Vorstosses eine gewisse Brisanz besass.
Im Jahre 2001, dies kann dem Verwaltungsbericht entnommen werden, wurden vom Inventuramt der Stadt Olten 194 Todesfälle behandelt. In der Folge wurden 143 eigentliche Inventarprotokolle und 49 Vermögenslosigkeitsbescheinigungen erstellt. Zu erwähnen sind auch die 45 zum Teil sehr umfangreichen Liegenschaftenschätzungen, die auch Bestandteil der Inventarakten sind. Eine Kurzanalyse der im Jahre 2002 bereits bekannten Todesfälle und eine entsprechende Hochrechnung zeigen, dass die Fallzahlen, aber auch die Komplexität im Jahre 2002 eine steigende Tendenz aufweisen.
Beim Inventuramt handelt es sich um einen „Einmann-Betrieb“. Die Stellvertretung wurde bis vor kurzem (im übrigen gegenseitig) durch die Mitarbeiter des Zivilstandsamtes der Stadt Olten wahrgenommen. In der Zwischenzeit wurde das Zivilstandswesen regionalisiert und räumlich aus dem Stadthaus ausgegliedert.
Zu den Fragen im einzelnen:
- Ja. In der Ausgangslage des RRB vom 15. Januar 2002 wird der Vorwurf erhoben, die Stadt Olten habe auf die Schreiben des Finanzdepartementes vom 18.10. bzw. 20.12.2001 nicht reagiert. Tatsache ist, dass seitens der Stadt bei der zuständigen Amtschreiberei Olten-Gösgen um eine Erstreckung der gesetzten Fristen nachgesucht wurde. Aufgrund der sehr positiven Reaktion der Amtschreiberei bestand insofern keine Veranlassung, mit der kantonalen Verwaltung in Solothurn Kontakt aufzunehmen.
2. Die zusätzlichen Kosten betreffen folgende Teilbereiche:
- Beschlussgebühr RRB vom 15.1.2002 (Fr. 800.--)
- Kosten aus der Hilfestellung durch das Erbschaftsamt der Amtschreiberei Olten-Gösgen (Fr. 2’266.25).
Es handelt sich dabei um reine Sekretariatskosten, nicht um Kosten für allfällig stellvertretend durchgeführte Amtshandlungen. Weitere Kosten entstehen nicht.
3. Die Pendenzenlast ist heute in einem für dieses Amt üblichen und die gesetzlichen Vorschriften erfüllenden Mass. So konnten per Ende August praktisch alle Todesfälle bis zum 30. Juni 2002 erledigt werden. Einzelne komplexe Inventarakten konnten der Amtschreiberei noch nicht übergeben werden, da notwendige Grundlagen (z.B. Schätzungen von ganz erheblichen Kunstsammlungen) noch ausstehend sind. Jede dieser Pendenzen wurde mit allen direkt Beteiligten besprochen. Von den Fällen in den Monaten Juli und August sind ebenfalls bereits über die Hälfte erledigt bzw. die Abschlussarbeiten im Gange.
4. Die Pendenzensituation wird von den Verantwortlichen in der städtischen Verwaltung laufend erkannt und beurteilt, insofern sind die Probleme im Inventuramt dem Stadtpräsidenten in keinem Zeitpunkt verborgen gewesen. Im Rahmen der Mitarbeiter-Gespräche wurde die Situation gezielt erörtert und nach Lösungsmöglichkeiten gesucht, die letztlich auch erfolgreich waren.
5. Die kumulierten Rückstände im Inventuramt sind im wesentlichen auf drei Faktoren zurückzuführen:
a) mehrwöchiger krankheitsbedingter Ausfall des Amtsinhabers
b) Wegfall der Stellvertreter-Lösung (siehe Vorbemerkung)
c) signifikante Häufung komplexer Fälle in diesem Zeitpunkt
Betreffend Kontaktaufnahme bzw. Reaktion auf die Schreiben der kantonalen Verwaltung wird auf die Beantwortung von Frage 1 verwiesen.
6. Das Inventuramt liegt gemäss den gesetzlichen Bestimmungen in der Zuständigkeit des Gemeindepräsidiums/Stadtpräsidiums, welches gegebenenfalls auch die politische Verantwortung trägt.
7. Die unter Ziff. 5 hievor genannten drei Faktoren können organisatorisch nur im Bereich Stellvertretung beeinflusst werden. Gegenwärtig wird eine gegenseitige Stellvertretung mit der zuständigen Direktion Öffentliche Sicherheit (Bestattungsamt der Stadt Olten) überprüft. Im Zusammenhang mit der administrativen Entlastung des Amtsinhabers wurden unter vermehrtem Einbezug eines speziellen EDV-Programmes und der gezielten Mitarbeit von Mitarbeiterinnen der Stadtkanzlei auch die Abläufe optimiert.
8. Nach der Pensionierung des vorherigen Amtsinhabers wurde die Stelle per 1. April 1998 wiederbesetzt. Der Stadtrat hat dabei von der Möglichkeit gemäss Art. 7 AGO Gebrauch gemacht, wonach eine frei werdende Stelle dann nicht ausgeschrieben werden muss, wenn sie verwaltungsintern besetzt werden kann. Diese Voraussetzung war damals gegeben.