Sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte
Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte
Liebe Gäste / Anwesende
Herzlich willkommen nach der Sommerpause, insbesondere auch an die neuen Mitglieder, die wir in Kürze in unseren Kreis offiziell aufnehmen werden.
Eigentlich hatte ich wenig Lust, in meiner Ansprache auf die Ereignisse der letzten Wochen in Olten einzugehen, kann mich dem aber nicht ganz entziehen. Ich möchte deshalb lediglich ein paar Feststellungen und Wünsche von meiner Seite an den Anfang stellen:
- Das was passiert ist, halte ich nicht für typisch für Olten. Jeder, der jetzt nach Olten zeigt, soll sich Gedanken machen wie es vor seiner Haustüre aussieht und in welchem Klima und auf welchem Boden solche Entwicklungen möglich sind.
- In Olten hat meiner Meinung nach Chaotentum keinen Platz, ebenso wenig wie Extremismus jeglicher Art, insbesondere wenn er mit Gewalt, sei es gegen Menschenleben, gegen Sachen oder gegen das demokratische Staatswesen verbunden ist.
- Ich wünsche mir, dass alle entsprechenden Gruppierungen, die sich dem nicht fügen können, rigoros, sei es mit ordnungspolitischen Mitteln, aber vor allem mit dem Kundtun unserer Überzeugungen in die Schranken gewiesen werden.
- Menschen, die zusammenkommen wollen, um Gedanken auszutauschen, Menschen, die kritische oder manchmal auch ketzerische Meinungen haben, Menschen, die friedlich einen Verein gründen, aber auch ganz Neues andenken wollen – und das alles auch bekannt machen wollen – diese Menschen sollen aber auch in Zukunft wissen, dass Sie in Olten willkommen sind.
Was ich nun aber trotz allem Positives aus dieser Geschichte mitnehme, ist Folgendes: es gibt auch in Olten junge Leute, die bereit sind ihre Meinung einzubringen, ihre Meinung zu vertreten, kundzutun wie ich gerade gesagt habe, an Wahlen aktiv teilnehmen und damit im besten Sinn politisieren.
Ich weiss, nicht alle haben das Gefühl, dass Politik etwas Wichtiges ist, ich verweise nur auf die Abstimmungen und Wahlen.
Dabei definiert Politik die Gesellschaft und sagt der Wirtschaft, wo ihr Platz ist. Und wenn dies nicht mehr so wäre, wären wir wieder ganz am Anfang: nämlich dort, wo der Stärkere immer recht gehabt hat.
Mit Politik, und mit Demokratie im Besonderen, hat sich in meinen Augen also die Gesellschaft vom Recht des Stärkeren und vom Krieg als Mittel der Auseinandersetzung abgewandt, um mit den Mitteln des Gesprächs, der Diskussion und dem Disput zu allgemein verbindlichen Entscheidungen zu kommen.
Was muss Politik also können: Politik muss die konkreten Interessen und Bedürfnisse von allen Menschen und der Gesellschaft als Ganzes wahrnehmen, um einen Ausgleich zu erreichen. Und Politik muss die grossen Probleme erkennen, die auf die Gemeinschaft, den Staat, die Stadt zu kommen werden, damit sie sie im Kleinen lösen kann (à lokale Agenda 21 / UN Rio 92).
Ich möchte dazu zwei mE zentrale Beispiele machen:
- Beispiel: Energie
Ob Kuwait oder Libyen, Irak, Nigeria oder der Kaukasus, die Energieproblematik und ?zukunft, -verteilung, -kosten sind der zentrale Motor vieler Konflikte.
Was geht uns das an? Ein Land oder eine Stadt, die beim Energieverbrauch zu 60 % auf Erdöl, und zu über 80% auf nicht erneuerbare und damit importierte Energieformen angewiesen ist, kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
Ist es nötig im Winter Erdbeeren aus Israel und im Sommer Lamm aus Neuseeland zu essen? Wo sind die energie-effizienten Verkehrs- und Mobilitätssysteme, wo baut die Stadt im Minergie- und Passivhaus-Standard, wie sieht es mit dem Energiehaushalt unseres Stadthauses aus?
Wir sind eben Energiestadt geworden und dazu gratuliere ich. Doch ist es tatsächlich ein hohe Auszeichnung, wenn mindestens 70 oder 80 andere Städte und Gemeinden allein in der Schweiz effizienter und ökologischer wirtschaften?
2. Beispiel: Wasser
Wasser wird mit wachsender Bevölkerung und zunehmender Umweltverschmutzung weltweit knapper und knapper (letztes Jahr war nicht zufällig das UNO-Jahr des Wassers à Zeitungsartikel). Wasser in trinkbarer Qualität wird zum Problem …und zum Kriegsgrund.
Was hat das mit Olten zu tun? Kennen Sie das Nitratprojekt Gäu-Olten, wo Bund, Kanton und Gemeinden zusammen mit den Bauern versuchen, den Nitratgehalt des Oltner Trinkwassers von gegen 40 mg Nitrat/l wieder auf einen akzeptablen Qualitätsstandard zu bringen?
Selbstverständlich gibt es auch lokale, regionale Probleme, die sich nie zu einer Weltkatastrophe auswachsen werden. Auch diese Fragen sind von der Politik anzugehen. Und das möglichst in einem Stadium, in dem die Menschen sich noch nicht aufregen, wo sie noch bereit sind mitzudiskutieren und mitzugestalten.
Es ist zu spät über Gewaltprävention und Integration zu reden, wenn sich die Jugendlichen (und Erwachsenen) schon die Köpfe eingeschlagen haben. Es ist zu spät über eine Sportstättenplanung zu sprechen, wenn der Fussballplatz neu angelegt und die Eishalle zusammengebrochen sind. Es ist zu spät über Stadtentwicklung zu diskutieren, wenn die Autobahn gebaut ist und die Zonenpläne genehmigt sind.
Aber es ist eben nie zu spät, Fehler zu korrigieren, aus Fehlern zu lernen und in Zukunft auch in die Zukunft vorauszuschauen.
Und damit kehren wir wieder an den Anfang zurück. Was kann und muss Politik: Politik muss auch (und vor allem) in die Zukunft schauen, offen sein für Neues und Kommendes, Fragen, Probleme und Entwicklungen möglichst vorwegnehmen, einschätzen, antizipieren wie man so schön sagt. Der Journalist Emile de Girardin hat mal den berühmten Spruch getan: Gouverner c’est prévoir. Ich würde die Aussage erweitern, Politik machen / Politisieren heisst vorausschauen.
Meine Damen und Herren, in diesem Sinn wünsche ich Ihnen und mir, offene Ohren und offene neugierige Augen, und ich wünsche Ihnen in den kommenden Jahren eben den notwendigen Weitblick, zum Wohl unserer Stadt und ihren Einwohnerinnen und Einwohner.
Herzlichen Dank