Am 15. März 2016 hat Daniel Probst (FDP) folgenden Vorstoss zu Handen des Gemeindeparlaments eingereicht:
"Mit Inkrafttreten des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts am 1. Januar 2013 wurden in der ganzen Schweiz die Vormundschaftsbehörden der Gemeinden durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) abgelöst.
In Olten ist seither die KESB Olten-Gösgen als kantonale Behörde für die Interessen von schutz- und hilfebedürftigen Menschen verantwortlich. Operativ wahrgenommen werden die Vormundschaftsaufgaben unter der Leitung der Direktion Soziales durch das städtische Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz (AKES). Die AKES Olten beschäftigt für die Erfüllung ihrer Aufgaben sieben Berufsbeistände.
Die KESB kann auch Privatpersonen für die Führung von Mandaten ernennen. So hat die KESB Olten-Gösgen im Frühling 2015 Kantonsrat und Alt-Gemeinderat Rolf Sommer ein entsprechendes Mandat zugesprochen. Dieses wurde ihm jedoch Anfangs Dezember 2015 bereits wieder entzogen.
Hinter diesem Vorgang verbirgt sich gemäss Weltwoche vom 13. Januar 2016 (s. Beilage) ein Fall von Sozialhilfemissbrauch, dem mutmasslich nicht nachgegangen wurde. Wer Sozialhilfemissbrauch nicht konsequent aufdeckt und sanktioniert, schadet den wirklich Bedürftigen. Deshalb bitten wir den Stadtrat, zu den folgenden Fragen Stellung zu nehmen.
Die Dringlichkeit der Interpellation begründet sich damit, dass der Missbrauch, falls er tatsächlich vorliegt, weiterhin ungeahndet besteht und nun möglichst rasch beseitigt werden soll.
Fragen
- Teilt der Stadtrat die Haltung, dass Verdachtsfälle auf Sozialmissbrauch innerhalb der Sozialregion Olten konsequent aufdeckt und sanktioniert werden müssen, da ein Ausnutzen des Systems schlussendlich den wirklich Bedürftigen schadet?
- Hat der Stadtrat Überprüfungen und Abklärungen angeordnet, um den in der Weltwoche vom 13. Januar 2016 beschriebenen Vormundschaftsfall auf Sozialmissbrauch zu untersuchen?
- Welche Konsequenzen will der Stadtrat ziehen, wenn die von der Weltwoche beschriebenen Umstände rund um den betreffenden Vormundschaftsfall sich als korrekt erweisen?
- Welche Kompetenzen, Überprüfungs-, Interventions- und Sanktionsmittel hat a) der Stadtrat, b) die Kommission der Sozialregion Olten als Aufsichtsbehörde, c) der Verwaltungsleiter der Direktion Soziales und d) der Leiter des Amts für Kindes- und Erwachsenenschutz, um bei Verdacht auf Sozialmissbrauch im Arbeitsbereich des städtischen Amts für Kindes- und Erwachsenenschutz agieren und reagieren zu können?
- Reichen nach Meinung des Stadtrates die heute gegebenen Kompetenzen und verfügbaren Überprüfungs- und Interventionsmittel a) des Stadtrates, b) der Kommission der Sozialregion Olten, c) des Verwaltungsleiters der Direktion Soziales und d) des Leiters des Amts für Kindes- und Erwachsenenschutz bei Verdacht auf Sozialmissbrauch im städtischen Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz aus oder besteht allenfalls Handlungsbedarf, solche zu entwickeln und einzuführen?
* * * * *
Stadtrat Peter Schafer beantwortet die Interpellation im Namen des Stadtrates wie folgt:
Zur Ausgangslage
Grundsätzlich gelten im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes das Amtsgeheimnis und die Schweigepflicht, weshalb über betroffene Personen keine Auskünfte erteilt werden.
Der als privater Mandatsträger eingesetzte Alt-Gemeinderat Rolf Sommer hat aber der Weltwoche gegenüber so viele Details preisgegeben, dass – unter Verwendung dieser Details – die Fragen beantwortet werden können, ohne dass ein Amtsgeheimnis verletzt oder gegen die Schweigepflicht verstossen wird.
Die Weltwoche erzählt Rolf Sommers Geschichte
Der Weltwoche-Journalist schildert die Erlebnisse von Rolf Sommer wie folgt: Dieser sei Ingenieur und deshalb gewohnt, genau hinzuschauen. Er habe sich als privater Beistand beim Leiter der Sozialregion Olten gemeldet, um sich für Menschen zu engagieren, die auf Hilfe angewiesen sind. Daraufhin sei ihm durch die KESB ein Mandat zugeteilt worden. Bei der verbeiständeten Person habe es sich um einen 36-jährigen, taubstummen Mann mit Entwicklungsrückstand gehandelt, der von einer IV-Rente lebe und in einer geschützten Werkstätte arbeite. Rolf Sommer habe diesen bei seiner Familie besucht und bald das Gefühl gehabt, „es stimme etwas nicht“. Er habe festgestellt, dass von dessen Lohnkonto Bankomatbezüge abgebucht worden seien. Die Familie hätte sich an dessen Lohn von der geschützten Werkstätte (Fr. 7‘000.-/Jahr) bereichert. Diesem Sozialmissbrauch sei er sogleich nachgegangen. Daraufhin hätte die Schwester der verbeiständeten Person die KESB darum ersucht, einen neuen Beistand einzusetzen, da Rolf Sommer unangemeldet vorspreche, die Kommunikation mit ihm nicht klappe, er sich einmische und die Familie verachte. Daraufhin hätte Rolf Sommer weiter nachgeforscht. Die Eltern seien offenbar mit gefälschten (gekauften) Pässen in die Schweiz eingereist. Das Aufenthaltsrecht sei diesen erst auf dem Beschwerdeweg durch die frühere Asylrekurskommission gewährt worden. 2005 hätten die Familienmitglieder gar das CH-Bürgerrecht erhalten. Er habe die KESB auf diese Missbräuche hingewiesen. Daraufhin sei ihm das Mandat entzogen und eine Berufsbeiständin eingesetzt worden, da es für die verbeiständete Person nicht zumutbar sei, sich im Spannungsfeld zwischen der Familie und dem Beistand zu befinden. Der Weltwoche-Journalist kommt zum Schluss, die Sozialregion habe hier eine zentrale Rolle gespielt. Nach der „Entmachtung“ von Rolf Sommer sei die Massnahme eingeschränkt worden. Die neue Beiständin hätte die verbeiständete Person nicht mehr zu begleiten, sondern nur noch deren Einkommen zu verwalten und die notwendigen Vertretungshandlungen vorzunehmen. Die Behörden hätten somit sichergestellt, dass die Familie bei ihrem Sozialmissbrauch nicht mehr gestört würde.
Systematische Beschreibung der Erlebnisse von Rolf Sommer
- Einsatz privater Mandatsträger/Einsatz von Rolf Sommer als privater Mandatsträger
Das Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz der Sozialregion Olten rekrutiert private Mandatsträger u.a. über die Online-Plattform BENEVOL prüft deren Eignung (Leumund) und meldet diese der KESB als mögliche Mandatsträger für ausgewählte Fälle. Die KESB gewährt den betroffenen Personen das rechtliche Gehör und setzt danach den privaten Mandatsträger als Beistand ein. Das Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz begleitet und berät die privaten Mandatsträger, hilft diesen u.a. beim Erstellen des Eingangsinventars, bei Bedarf bei der Buchführung und bei der periodischen Berichterstattung. Die KESB überwacht die privaten Mandatsträger bei deren Tätigkeit.
Rolf Sommer meldete sich beim Leiter des Amtes für Kindes- und Erwachsenenschutz. Dieser überprüfte den Leumund und meldete ihn als privaten Mandatsträger der KESB. Die KESB setzte ihn als Beistand ein. Rolf Sommer wurde vom Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz über die Aufgaben und Pflichten eines Beistandes informiert.
2. Auftrag eines privaten Mandatsträgers und Handlungsmaxime
In der Regel werden private Mandatsträger im Bereich des Erwachsenenschutzes eingesetzt. Als Auftrag wird in der Mehrheit der Fälle formuliert, Einkommen- und Vermögen zu verwalten, die verbeiständete Person bei Bedarf in rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten zu vertreten und ihr in persönlichen Belangen beizustehen. Handlungsmaxime ist das Wohl der verbeiständeten Person: Deren Interessen sind zu wahren. Kann sich die Person nicht selber äussern, sind deren mutmassliche Interessen zu wahren. Eine erfolgreiche Mandatsführung setzt den Aufbau einer Beziehung und eines Vertrauensverhältnisses zu der verbeiständeten Person und deren Umfeld voraus.
3. Ausübung des Amtes durch Rolf Sommer
Gemäss Weltwoche-Artikel ist es Rolf Sommer offenbar nicht gelungen, ein Vertrauensverhältnis und eine tragfähige Beziehung zu der verbeiständeten Person und deren Familie aufzubauen. Wenn er – wie im Artikel beschrieben – tatsächlich unangemeldet bei der Familie vorgesprochen hat, dieser sogleich mit Misstrauen begegnet ist, sich in deren Familiengefüge eingemischt und detektivische Nachforschungen aufgenommen hat, ist dies auch nicht weiter erstaunlich. Offenbar hat ihn das Wohl der verbeiständeten Person weniger gekümmert als sein Gefühl, „es stimme etwas nicht“. Letztlich ist daraus ein Spannungsfeld entstanden, welches keine brauchbare Zusammenarbeit mehr zuliess. In solchen Fällen entzieht eine verantwortungsbewusste Behörde ein Mandat und setzt eine geeignete Person als Beistand ein.
4. Missbrauchsthematik
Als „Sozialmissbrauch“ wird in der Regel der unrechtmässige Bezug gesetzlicher Sozialhilfe bezeichnet. Im geschilderten Fall ist das Leistungsfeld der gesetzlichen Sozialhilfe nicht tangiert.
Als „Sozialmissbrauch“ im erweiterten Sinne wird auch der unrechtmässige Bezug von Leistungen der Sozialversicherungen (IV, EL, …) bezeichnet. Im geschilderten Fall fliessen – laut Weltwoche – Sozialversicherungsleistungen. Missbrauch in diesem Zusammenhang wird aber nicht erwähnt.
Als missbräuchlich werden – laut Weltwoche Artikel – Bankomatbezüge zulasten des Lohnkontos der verbeiständeten Person bezeichnet. Dabei handelt es sich um den in einer geschützten Werkstatt erzielten Lohn von jährlich ca. Fr. 7‘000.-. Aufgabe des Beistandes wäre es gewesen, für die Verwendung dieser Einnahmen im Interesse und zum Nutzen der verbeiständeten Person besorgt zu sein.
5. Involvierte Behörden und Personen
Zu einem früheren Zeitpunkt waren offenbar die Migrationsbehörden und u.a. die frühere Asylrekurskommission tätig. Bei der späteren Einbürgerung kam auch die Bürgergemeinde zum Zuge.
IV-Leistungen und EL-Leistungen wurden von den entsprechenden Stellen bei der AKSO verfügt.
Die „Entmachtung von Rolf Sommer“ bzw. der Entzug des Mandates mangels klientengerechter Ausübung des Mandates – so die Weltwoche – erfolgte durch die KESB.
Die – laut Weltwoche - zentrale Rolle der Sozialregion Olten bestand darin, Rolf Sommer der KESB als privaten Mandatsträger genannt und ihn – nach dessen Einsatz als Beistand – über dessen Rechte und Pflichten informiert zu haben.
Die Verantwortung, die Interessen des Klienten wahrzunehmen, lag in erster Linie beim dafür eingesetzten Beistand. Unter Berücksichtigung und Wahrung des Wohls und der Interessen der verbeiständeten Person kann dieser handeln, Ansprüche geltend machen, ungerechtfertigte Ansprüche abwehren. Zweckentsprechende Mittel könnte er zurückfordern. Allerdings ist die Aufarbeitung der Familiengeschichte nicht Aufgabe des Beistandes. Es ist auch nicht dessen Aufgabe, Entscheide von Migrationsbehörden nachträglich zu überprüfen und in der Presse zu kommentieren. Der Beistand ist mit seinem Vorgehen bei einer Grenze angelangt, deren Überschreiten ein Strafverfahren zur Folge haben könnte. Ein Berufsbeistand, der sich solches leistet, würde fristlos entlassen.
Zu den Fragen
- Teilt der Stadtrat die Haltung, dass Verdachtsfälle auf Sozialmissbrauch innerhalb der Sozialregion Olten konsequent aufdeckt und sanktioniert werden müssen, da ein Ausnutzen des Systems schlussendlich den wirklich Bedürftigen schadet?
Ja. Der Stadtrat teilt diese Haltung. Der Stadtrat bestärkt die politisch zusammengesetzte Sozialkommission der Sozialregion Olten in ihrer Haltung, bei missbräuchlichem Sozialhilfe-bezug konsequent Strafanzeige zu erstatten. Der Stadtrat weist auf die Publikation der Anzahl Anzeigen, Einstellungen, Kürzungen und Weisungen durch die Sozialkommission im Verwaltungsbericht der zuständigen Direktion hin.
2. Hat der Stadtrat Überprüfungen und Abklärungen angeordnet, um den in der Weltwoche vom 13. Januar 2016 beschriebenen Vormundschaftsfall auf Sozialmissbrauch zu untersuchen? Nein. Die Aufsicht über die Mandatsführung liegt bei der dafür zuständigen KESB Olten-Gösgen. Die KESB hat wohl im vorliegenden Fall eher geprüft, ob eine missbräuchliche Ausübung seines Amtes durch einen privaten Mandatsträger vorliege.
3. Welche Konsequenzen will der Stadtrat ziehen, wenn die von der Weltwoche beschriebenen Umstände rund um den betreffenden Vormundschaftsfall sich als korrekt erweisen? Der Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass sich die dafür zuständige KESB um den Fall gekümmert und die nötige Massnahme (Entzug des Mandates) getroffen hat.
4. Welche Kompetenzen, Überprüfungs-, Interventions- und Sanktionsmittel hat a) der Stadtrat, b) die Kommission der Sozialregion Olten als Aufsichtsbehörde, c) der Verwaltungsleiter der Direktion Soziales und d) der Leiter des Amts für Kindes- und Erwachsenenschutz, um bei Verdacht auf Sozialmissbrauch im Arbeitsbereich des städtischen Amts für Kindes- und Erwachsenenschutz agieren und reagieren zu können? a) der Stadtrat ist nicht fachlich vorgesetzt. Der Stadtrat ist administrativ vorgesetzt. Würde ein Berufsbeistand sein Amt derart missbräuchlich auslegen, käme der Stadtrat im Verfahren zur fristlosen Entlassung eines solchen Mitarbeitenden zum Zuge;
b) die Sozialkommission ist im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes nicht fachlich vorgesetzt. Die Sozialkommission sanktioniert unrechtmässigen Bezug im Bereich der Sozialhilfe;
c) der Verwaltungsleiter der Sozialdirektion ist nicht fachlich vorgesetzt. Er führt die Direktionsgeschäfte und ist von Amtes wegen Geschäftsleiter der Sozialregion.
d) der Leiter des Amtes für Kindes- und Erwachsenenschutz führt die Berufsbeistände administrativ und begleitet und berät diese fachlich. Er rekrutiert, berät, begleitet und unterstützt die privaten Mandatsträger. Diese sind der KESB gegenüber verantwortlich.
Die Beistände sind dafür verantwortlich, die Interessen ihrer Klienten zu wahren. Stossen sie auf Mängel wie z.B. nicht deklarierte Vermögenswerte, sorgen sie nach Möglichkeit und unter Wahrung der Interessen der verbeiständeten Personen dafür, dass diese Mängel behoben werden.
Das Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz richtet weder Sozialhilfe- noch Sozialversicherungsleistungen aus. Deshalb liegt keine Kompetenz für den Erlass von Sanktionen vor.
5. Reichen nach Meinung des Stadtrates die heute gegebenen Kompetenzen und verfügbaren Überprüfungs- und Interventionsmittel a) des Stadtrates, b) der Kommission der Sozialregion Olten, c) des Verwaltungsleiters der Direktion Soziales und d) des Leiters des Amts für Kindes- und Erwachsenenschutz bei Verdacht auf Sozialmissbrauch im städtischen Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz aus oder besteht allenfalls Handlungsbedarf, solche zu entwickeln und einzuführen? Wir verweisen auf die Ausführungen unter Ziff. 4. Der Stadtrat, die Kommission, der Verwaltungsleiter der Direktion Soziales und der Leiter des Amtes für Kindes- und Erwachsenenschutz verfügen in ihren Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichen über die notwendigen Kompetenzen. Im Bereich des missbräuchlichen Bezuges von Sozialhilfeleistungen ist die Sozialkommission laufend aktiv, d.h. entsprechende Beschlüsse werden an den Kommissionssitzungen gefasst. Bei missbräuchlichem Bezug von Sozialversicherungsleistungen sind die AHV-Zweigstellen und die AKSO zu informieren. Für aufenthaltsrechtliche Fragen sind die Migrationsbehörden zuständig.