Am 26. März 2015 haben Simon Haller (GLP) und Mitunterzeichnende folgenden Vorstoss eingereicht:
„Die Öffnungszeiten der Oltner Stadtbibliothek sind per 1. Januar 2016 auf den Stand von 2014 (33 Stunden/Woche) anzupassen. Gleichzeitig müssen die Nettoaufwendungen für die Stadtbibliothek auf dem Stand von 2015 gehalten werden.
Begründung:
Die Stadtbibliothek ist ein wichtiges und gut genutztes Angebot im Oltner Kulturleben.
Per 2015 wurden die Öffnungszeiten der Stadtbibliothek von 33 Stunden/Woche auf 25
Stunden/Woche reduziert.
Aktuelle Öffnungszeiten:
Di-Fr: 10.00 – 11.30 Uhr und 15.00 – 18.00 Uhr
Sa: 10.00 – 16.00 Uhr
Als Hauptgrund wurde die Kürzung der Besoldungskosten um CHF 69‘000 (von CHF 424‘400 auf CHF 355‘000) genannt. Die Begründung ist nur vordergründig nachvollziehbar.
Aus Sicht des Motionärs ist nur eine geöffnete Bibliothek eine richtige Bibliothek. Mit der (überdimensionierten) Reduktion der Öffnungszeiten auf Einsparungen zu reagieren, ist nur auf den ersten Blick zwingend. Beim genaueren Hinschauen zeigt sich, dass verschiedene Möglichkeiten auf der Einnahmen- oder Ausgabeseite bestehen, welche die Beibehaltung der Öffnungszeiten erlauben.
Mögliche Massnahmen:
• Einbezug der Aussengemeinden: Die Aussengemeinden beteiligen sich heute nicht an der Stadtbibliothek, obwohl rund die Hälfte der regelmässigen Nutzer ausserhalb von Olten wohnt.
• Anpassung des Skill-Grade-Mix der Angestellten: Die heutigen Angestellten der Stadtbibliothek verfügen allesamt über hohe Qualifikationen. Die zu erledigenden Arbeiten in der Bibliothek sind vielfältig und unterschiedlich anspruchsvoll. Heute gilt der Grundsatz „Alle machen alles und können alles“. Diese Orientierung am Maximum ist für den Nutzer zwar wertvoll, gleichzeitig jedoch teuer.
• Zusammenarbeit mit Freiwilligen: Verschiedene Freiwillige haben der Stadtbibliothek angeboten, sie tatkräftig zu unterstützen. Eine neue Ausgestaltung und Verteilung der Arbeiten kann helfen, Kosten zu sparen und schafft gleichzeitig eine noch bessere Verwurzelung der Bibliothek in der Oltner Bevölkerung.
• Erhöhung der Nutzerbeiträge: Die Nutzerbeiträge (Einheimische CHF 20.-, Auswärtige CHF 40.-, Studenten CHF 10.-,) sind weiterhin tief und eher symbolischer Natur. Zusätzlich erbringt die Stadtbibliothek verschiedene aufwendige Dienstleistungen (z.B. Archivauskünfte) gratis.“
Im Namen des Stadtrates beantwortet Stadtpräsident Martin Wey den Vorstoss wie folgt:
Im Jahr 2005 wurde der Personalbestand der Stadtbibliothek um 50% auf 350% aufgestockt; der Stadtrat zeigte sich damals bereit, gleichzeitig die Öffnungszeiten von 21 auf 29 Stunden zu erhöhen. Dies hätte in etwa der gleichen Differenz entsprochen, wie sie heute nun „rückwärts“ von 33 auf 24 Stunden umgesetzt wurde. Von „überdimensionierter“ Reduktion kann daher nicht die Rede sein. Das Parlament genehmigte die Stellenaufstockung, dies aber unter der Voraussetzung, dass die Bibliothek mindestens während 33 Stunden geöffnet sein müsse. Somit wurden die Stellen um 17% erhöht, die Öffnungszeiten jedoch gleich um 57%! Damit wurde die Wirkung der Stellenerhöhung, mit der neben der Erweiterung der Öffnungszeiten dem Personal auch erlaubt werden sollte, keine (unbezahlten) Überstunden mehr leisten zu müssen und die Ferienguthaben wirklich beziehen zu können, stark in Frage gestellt. Dies hat sich in den letzten Jahren entsprechend ausgewirkt, zumal die Arbeit des Bibliothekspersonals nur zu einem Teil aus der sichtbaren Präsenz bei den Öffnungszeiten besteht; die Backofficearbeiten sind jedoch unabhängig von den Stellenprozenten immer gleich gross. Das hat nichts mit Kreativität und Flexibilität zu tun, welche beim Personal der Stadtbibliothek in hohem Masse vorhanden sind.
Gefordert wird nun vom Motionär mit Anfang 2015 von 350 auf 300 gekürzten Stellenprozenten, verteilt auf vier Personen, eine Stadtbibliothek, die 33 Stunden pro Woche, das sind 9 Stunden mehr als jetzt, offen ist. Das heisst, dass der gleiche Zustand wie vor der Streichung der 50%-Stelle erwartet wird. Das hiesse im Prinzip auch, dass vor der Kürzung eine 50%-Stelle zu viel besetzt gewesen wäre. Wer den Vergleich mit dem Stellenetat anderer Bibliotheken studiert, sieht indessen auf den ersten Blick, dass die Stadtbibliothek Olten mit grossem Abstand am wenigsten Personal zur Verfügung hat.
Beispiele:
Zofingen: punkto Bestand mit Olten vergleichbar, verteilt 500 Stellenprozenten auf 10 Personen, die Bibliothek ist 34 1/2 Stunden pro Woche offen.
Burgdorf: 1/3 des Bestandes von Olten, verteilt 400 Stellenprozenten auf 10 Personen, die Bibliothek ist 33 1/2 Stunde pro Woche offen.
Stadtbibliothek Aarau: 1/3 des Bestandes von Olten (keine Magazinbestände, da Dienstleistungen, die in Olten geleistet werden, von der Aargauer Kantonsbibliothek erfüllt werden), 950 Stellenprozenten, verteilt auf 12 Personen. Die Bibliothek ist 45 Stunden pro Woche geöffnet.
Zahlreiche weitere Beispiele können angefügt werden (vgl. Beilage). Aus dieser Aufstellung geht klar hervor, dass die Anzahl Angestellte mit den Öffnungszeiten einen direkten Zusammenhang hat.
In der Stadtbibliothek Olten arbeiten 2 Personen je 42 Stunden pro Woche, 2 Personen je 21 Stunden. Die Bibliothek ist nun neu während 24 Wochenstunden geöffnet. In dieser Zeit sind zwei, manchmal auch drei Personen voll mit der Ausleihe beschäftigt. Während dieser Zeit wird kein einziges Medium angeschafft, kein Medium verarbeitet und es wird nichts weggeräumt. In der verbleibenden Zeit, das sind 3 ½ Stunden pro Tag, müssen für die Stadtbibliothek sämtliche Arbeiten ausserhalb der Ausleihe erledigt werden. Das heisst:
- komplette Anschaffung von ca. 4500 Medien pro Jahr (Richtwert von der Bestellung bis zur Ausleihe eines Mediums 1/2 Stunde)
- Bearbeitung der Tageszeitungen (15 Stück)
- Zeitschriftenverwaltung (70 Abos)
- Fernleihen (Ausleihe an und von anderen Bibliotheken per Paketpost)
- Bearbeitung der schriftlichen Anfragen (Mailverkehr)
- EDV (Betreuung der Homepage, Updates, Erweiterungen und Problembehebungen Soft- wie Hardware)
- Briefpost
- Paketpost
- Mahnwesen
- Buchhaltung
- Bestandespflege (Ausscheiden und Umstellen von Medien)
- Pflege der Magazinbestände (ca. 100‘000 Bände im Haus)
- Auskünfte und Bedienung für Lesesaal- bzw. Studienkabinenbenutzerinnen und
-benutzer
- Drucksachenbeschaffung
- Bewirtschaftung Kulturgüterschutzraum (ausgelagerte Bestände, die bei Bedarf im Feuerwehrmagazin geholt werden und nach Benutzung wieder dorthin gebracht werden müssen)
- Schnupperlehrlinge und Praktikanten (mehrmals jährlich)
- Bewirtschaftung der Bücherrückgabebox (pro Tag zweimal, inklusive Sonntag, Montag und Feiertage!)
- Bearbeitung von Schenkungen (kistenweise)
- Öffentlichkeitsarbeit
- Führungen
- Veranstaltungen wie Café Littéraire, Lesungen, Oltner Bücherstützen etc.,
- Haustechnik (Organisation und Anwesenheit, wenn Service-Fachleute ihre Arbeiten ausführen, z.B. Liftrevision, Revision der verschiedenen Alarme [Gas, Wasser, Feuer, Einbruch, automatische Eingangstüre: alles bei geschlossenem Betrieb!]. Zwar hat die Stadtbibliothek eine Abwartin, sie ist jedoch nur abends und nicht jeden Tag im Haus, Service-Arbeiten werden tagsüber vorgenommen).
Das Gros der Benutzerinnen und Benutzer nahm übrigens die jüngste Einschränkung der Öffnungszeiten zwar mit Bedauern zur Kenntnis, jedoch auch mit Verständnis und mit der Bemerkung, dass man froh sei, dass es überhaupt noch eine Bibliothek gebe. Eine Handvoll Unzufriedener bleibt; die gab es schon vorher, die wird es immer geben. Sie wäre bei einer (weiteren) Erhöhung der im Übrigen schon zwischen Oltnern und Auswärtigen unterscheidenden Gebühren wohl nicht kleiner.
Der Motionär steht zugegebenermassen nicht alleine da mit der Meinung, dass eine Bibliothek möglichst lange Öffnungszeiten haben soll. Am besten wäre eine Bibliothek, die von 8 bis 20 Uhr offen wäre. Das ist aber in Olten nicht möglich: Dazu fehlen wie aufgezeigt die Werkzeuge, das sind Personal und Geld. Die Frage ist nun, was eine "richtige" Bibliothek ist. Der Stadtrat versteht darunter eine Bibliothek, die nicht nur offene Türen bietet, sondern eine Bibliothek, in welcher man von einer möglichst guten Dienstleistung profitieren kann. Qualität vor Quantität. Nach dem Motto: Keiner verlässt das Haus, ohne eine Antwort auf seine Frage erhalten zu haben.
Beanstandet wird vom Motionär in diesem Zusammenhang die hohe Qualifikation der Angestellten: Gerade in einem Betrieb, in welchem wenige Angestellte alle Arbeiten erledigen müssen, sind gut ausgebildete und flexible Personen von höchster Wichtigkeit. Zum Stichwort Zusammenarbeit mit Freiwilligen: Entgegen der Behauptung des Motionärs hat sich in jüngster Zeit gemäss Bibliotheksleitung genau eine Person gemeldet, eine 75jährige Dame, die ab und zu 2 Stunden pro Woche helfen würde; davon kann man keine effiziente und vor allem keine regelmässige Entlastung erwarten. Die Stadtbibliothek arbeitet im Übrigen seit langer Zeit mit Freiwilligen; seit je wurden und werden solche Personen für gewisse Arbeiten eingesetzt. Es kann aber nicht sein, dass sich die wenigen Festangestellten in grossem Umfang um die Betreuung der Freiwilligen, welche nicht zu unterschätzen ist, kümmern müssen und dass dadurch wertvolle Zeit für die Organisation, welche erfahrungsgemäss recht aufwändig ist, verbraucht wird.
Zudem: der Beruf des Bibliothekars – heute lautet die offizielle Berufsbezeichnung Informations- und Dokumentationsspezialist – ist anspruchsvoll, die Ausbildung dementsprechend. Die Ausleihe, das Aushängeschild eines Betriebes, muss in einem Betrieb von der Grösse der Oltner Stadtbibliothek von qualifizierten Personen besetzt sein. In grösseren Betrieben ist eine Ausleihe mit teilweise weniger qualifiziertem Personal möglich. Das sind aber dennoch Leute, die immerhin auch eine dreijährige Lehre in einer Bibliothek, einem Archiv absolviert haben. Zusätzlich existieren dort Auskunftstheken, besetzt mit Fachhochschul- oder Hochschulabgängern, die komplexere Fragen, Wünsche und Probleme bearbeiten. Von einer Person an der Ausleihe werden nebst den bibliothekarischen Kenntnissen gute Fremdsprachenkenntnisse, der sichere Umgang mit EDV, eine gute Allgemeinbildung und hohe Sozialkompetenz verlangt. Sich stundenlang in hoher Frequenz auf neue Fragen und Wünsche, auf neue Personen jeglicher Altersstufen einzustellen, verlangt hohe Flexibilität. An der Ausleihe können daher keine "billigen" Arbeitskräfte oder Freiwillige sitzen. Ihnen würde schlicht und einfach das Wissen fehlen.
Zusammengefasst: Eine "richtige" Bibliothek, wie der Motionär sie wünscht, ist eben nicht nur eine offene, sondern eine Bibliothek, die eine qualitativ hochstehende Dienstleistung erbringt. Die Bibliothek soll mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln der Nutzerin bzw. dem Nutzer und deren Bedürfnissen dienen. Wie teuer dies sein darf, entscheidet auch hier die Politik. Muss es (noch) billiger werden, heisst das konkret, dass gegenwärtiges, gut ausgebildetes Personal zugunsten billigerer Arbeitskräfte ersetzt wird, dass Angestellten mit grosser Erfahrung gekündigt werden muss. Was würden die Bevölkerung, die zahlreichen Bibliotheksbenutzerinnen und -benutzer dazu sagen? Wen würde man finden, der in einem solchen Betrieb arbeiten möchte? Wer wollte die Verantwortung dafür tragen?
Zum Stichwort Erhöhung der Gebühren: Die Gebühren der Stadtbibliothek sind tatsächlich nicht sehr hoch; wichtig ist aber auch der Zugang breiter Kreise zu ihrem Angebot. Zudem gibt es nach wie vor viele Bibliotheken, deren Benutzung gratis ist, unter anderen die Bibliothek der Fachhochschule Olten. Tausende von Studenten besuchen sie und auch viele Oltnerinnen und Oltner profitieren von den Gratis-Dienstleistungen der FHNW-Bibliothek. Die Bibliothek ist eine Dienstleistung einer Gemeinde für ihre Bewohner. Bibliotheken in anderen Gemeinden, die mit Olten vergleichbar sind, bieten einiges mehr: beispielsweise ein grösseres Medienangebot (in Olten gibt es weder Musik-CDs noch Comics, keine Mangas, keine selbständige Science-Fiction/Fantasy-Literatur-Abteilung, keine fremdsprachige Literatur ausser französisch, englisch und italienisch), einen geschlossenen Lesesaal, Räumlichkeiten für Gruppenarbeiten, Selbstverbuchung, Computerarbeitsplätze mit Druckmöglichkeit, gemütliche Sitzecke mit Kaffeemaschine, Kinderecke, Workshops, Integrationsarbeit, Verleih von e-Readern etc. Dies nur ein paar Dienstleistungen, die zu einer zeitgemässen oder – wie es der Motionär nennt – „richtigen“ Bibliothek gehören. All dies fehlt in Olten. In unserer Umgebung gibt es einige Bibliotheken, in denen diese Angebote selbstverständlich sind. Sie sind schnell erreichbar und allen zugänglich. Eine Erhöhung der Gebühren hätte mit Sicherheit eine Abwanderung zur Folge. Die Stärken der Stadtbibliothek Olten sind deshalb nach wie vor das umfassende Knowhow, die kompetente Bedienung, die Aufmerksamkeit und Freundlichkeit, die persönliche Wertschätzung, das tägliche Engagement jahraus jahrein. Die Kontinuität wird geschätzt, der Kontakt ist persönlich, die Benutzerinnen und Benutzer empfinden sich nicht als Nummer.
Noch ein Wort zum Einbezug der Aussengemeinden: Die Stadt Olten ist eine Zentrumsgemeinde. Ihre Angebote werden daher auch von der Bevölkerung der Agglomerationsgemeinden genutzt: Diese konsumiert beim Besuch in Olten gleichzeitig bei vielen privaten Oltner Anbietern, die wiederum in Olten Steuern zahlen. Beiträge von Aussengemeinden beruhen zudem in der Regel auf zusätzlichen Gegenleistungen (Beispiel Gratiseintritt beim Eislauf für Schulkinder der Aktionärsgemeinden der Sportpark Olten AG). Festgestellt werden muss zudem, dass die meisten Agglomerationsgemeinden höhere Steuersätze aufweisen als die Stadt Olten und diese bei Unterstützungsanfragen gerne auf diesen Umstand hinweisen.
Der Stadtrat hat in der zweiten Sparrunde Verantwortung übernommen und eine Kürzung des Personaletats der Stadtbibliothek per Anfang 2015 um 50 Stellenprozente beantragt. Dabei hat er von Beginn weg – u.a. in der Medienmitteilung vom 15. April 2014 noch vor den runden Tischen – kommuniziert, dass dieser Stellenabbau zu einer Reduktion der Öffnungszeiten führen werde. Die Stadt Olten sieht sich aufgrund ihrer schlechten Finanzlage zu massiven Einsparungen gezwungen. Mit weniger Ressourcen alle bisherigen Angebote im gleichen Umfang aufrechtzuerhalten ist schlicht nicht möglich. Der Stadtrat beantragt daher die Motion aufgrund der Ausführungen abzulehnen.