Am 30. Januar 2014 haben Christian Werner (SVP) und Mitunterzeichnende folgenden Vorstoss eingereicht:
„Der Stadtrat wird beauftragt, Vorschläge für die gesetzliche Verankerung einer Steuererhöhungsbremse vorzulegen. Die Spezialkommission Totalrevision Gemeindeordnung kann diesbezüglich mit einbezogen werden.
Begründung:
Seit der Kanton Solothurn im Jahr 2007 einerseits eine Defizit- und andererseits eine Steuererhöhungsbremse eingeführt hat, sind Regierung und Parlament zu einer ausgeglichenen Erfolgsrechnung verpflichtet. Konkret untersteht seither die Verabschiedung eines defizitären Voranschlags dem qualifizierten Mehr, während ein allfälliger Verlustvortrag innerhalb von vier Jahren nach seinem erstmaligen Entstehen vollständig abgetragen sein muss, wobei dies in erster Linie durch Massnahmen auf der Ausgabenseite erfolgen soll.
In der Stadt Olten bestehen keine vergleichbaren Regelungen, obwohl eine Steuererhöhungsbremse – flankierend zu einer wirksamen Defizitbremse – auch hier sinnvoll und angezeigt wäre. Dadurch soll der Absicht Nachdruck verliehen werden, die Staatsfinanzen in erster Linie ausgabenorientiert ins Lot zu bringen. In Verbindung mit einer wirksamen Defizitbremse stellt eine Steuererhöhungsbremse sicher, dass allfällige Verlustvorträge – im Interesse künftiger Generationen – wenn möglich über Ausgabenkürzungen und nicht über Steuererhöhungen abgebaut werden. Die Steuererhöhungsbremse könnte beispielsweis so ausgestaltet werden, dass jede Erhöhung des Steuerfusses über 110% der einfachen Staatssteuertarife hinaus der Volksabstimmung unterliegt.“
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Stadtrat Benvenuto Savoldelli beantwortet den Vorstoss im Namen des Stadtrates wie folgt:
Ausgangslage: aktuelle finanzielle Grenzen /Schuldencontrolling
Die solothurnischen Gemeinden sind der Finanzaufsicht des Amtes für Gemeinden (AGEM) unterstellt. Das AGEM führt dabei ein Schuldencontrolling über alle Gemeinden des Kantons.
Dabei werden Gemeinden, welche die Bestimmungen zur Nettoverschuldung und zum Haushaltgleichgewicht nicht einhalten, auf eine „Watchlist“ gesetzt. Als Kriterien für die Aufführung auf der „Watchlist“ dienen:
- Nettoschuld (Fremdkapital – Finanzvermögen) pro Kopf > 5‘000 Franken und/oder
- Bilanzfehlbetrag (Fremdkapital > Aktivpositionen)
Sollten diese Werte überschritten werden, so wird das AGEM aktiv. Der Prozess zur Wiederherstellung eines gesunden Finanzhaushaltes wird vom AGEM geleitet und kann unter Umständen darin enden, dass der Regierungsrat der Gemeinde Massnahmen (§ 212 GG) anordnen oder in extremis die Selbstverwaltung (§ 213 GG) durch den Kanton entzogen werden kann.
Aufgrund der übergeordneten Bestimmungen kann deshalb festgestellt werden, dass eine Schulden- resp. Defizitbremse bereits heute besteht und eine Gemeinde zu einem ausgeglichen Haushalt gezwungen werden kann.
Steuererhöhungsbremsen bei Solothurner Gemeinden
Zurzeit hat keine solothurnische Einwohnergemeinde eine Steuererhöhungsbremse im Einsatz. Zeitweise hatte die Gemeinde Oensingen eine Steuererhöhungsbremse in ihrem Reglement. Diese kam jedoch nie zum Einsatz und wurde wieder gestrichen.
Die Regelungen welche damals galten:
§36 Gemeindeordnung, 6. Finanzhaushalt
3) Bei der Finanzplanung und der Budgetierung sind folgende Parameter (Ausgabensteuerung) verbindlich zu beachten:
a) Das Eigenkapital darf nicht weniger als 40% der Nettoausgaben betragen.
b) Das Verwaltungsvermögen darf nicht mehr als 10% der Nettoausgaben, dieser Betrag kapitalisiert mit 8% betragen.
c) Die Steuerfüsse dürfen nicht höher als 10%-Punkte unter dem kantonalen Mittel festgesetzt werden.
Ist ein Parameter im Rechnungsjahr x nicht erfüllt, so muss der Gemeinderat der GV für das Rechnungsjahr x+2 einen Vorschlag vorlegen, welcher die Vorgabe zu diesem Parameter erfüllt.
Bekannt sind u.a. Defizitbremsen, wie sie die Stadt Solothurn kennt. Dort gelten folgende Regelungen:
Die laufende Rechnung darf nicht mit einem Aufwandüberschuss budgetiert werden, wenn ein Bilanzfehlbetrag besteht, der 5 Prozent des budgetierten Ertrages der Gemeindesteuern übersteigt.
Es wird jedoch keine Aussage über die Höhe des Steuersatzes gemacht. Somit können die Ausgaben mit einer Steuererhöhung ebenfalls erhöht werden.
Konflikt Übergeordnetes Recht (Schuldencontrolling) / Steuererhöhungsbremse
Grundsätzlich ist der Steuerfuss ist so zu bemessen, dass der voraussichtliche Steuerertrag mit dem übrigen Ertrag mittelfristig den Aufwand der laufenden Rechnung einschliesslich der notwendigen Abschreibungen finanziert (§ 144 Abs. 2 des Gemeindegesetzes).
Hat nun eine Gemeinde gebundene Ausgaben, welche über einem in der Steuererhöhungsbremse festgelegten Steuerfuss liegen, so hat die Gemeinde den Steuerfuss anzupassen.
Im Weiteren wird der Kanton auch eingreifen, sprich den in einer Steuererhöhungsbremse festgelegten Steuersatz übersteuern, wenn die erwähnte Nettoverschuldung 5‘000 Franken (z.B. durch ein zu hohes Investitionsvolumen) übersteigen wird oder ein Bilanzfehlbetrag besteht.
Steuerbarkeit der Ausgaben von Solothurner Gemeinden
Die Ausgaben in den Gemeinden des Kantons Solothurn sind nur zu einem geringen Teil steuerbar. Geschätzt werden die steuerbaren Ausgaben einer Gemeinde in der Grösse von Olten auf rund 20 - 25%. Bei kleineren Gemeinden reduziert sich der beeinflussbare Teil. So werden z.B. Lehrergehälter, Klassengrössen, Ausgaben im Sozialbereich (Bsp. EL) durch den Kanton vorgegeben. Im Weiteren wird mit der Einführung des neuen Finanzausgleichs im Ressourcenausgleich eine Bandbreite der Disparität festgelegt, welche in Extremis zu einer Verdoppelung der Beiträge zur Folge haben kann ohne dass die Gemeinde die Ausgaben beeinflussen kann. Die Gemeinde ist somit in vielen Fällen auf verantwortungs- resp. finanzbewusste Kantonsparlamentarierinnen und Kantonsparlamentarier angewiesen.
Eine Steuererhöhungsbremse kann deshalb nur als Empfehlung angesehen werden, eine Verpflichtung würde in einem zu genehmigenden Reglement vom Kanton beanstandet.
Aufgrund einer nur beschränkt anwendbaren Steuererhöhungsbremse, welche jederzeit durch die übergeordneten kantonalen Vorgaben ausser Kraft gesetzt werden kann, macht eine Steuererhöhungsbremse wenig Sinn und wiegt sogar in falscher Sicherheit. Der Stadtrat beantragt deshalb dem Parlament, die Motion abzulehnen.