Schlussbericht
Untersuchung der Abläufe und Verantwortlichkeiten bei der Entstehung der aktuellen finanziellen Situation der Stadt Olten
Olten, 13. August 2014
Management Summary
Die Geschäftsprüfungskommission des Oltner Gemeindeparlaments hat ihre Anfang 2014 gestartete Untersuchung der Abläufe und Verantwortlichkeiten bei der Entstehung der aktuellen finanziellen Situation der Stadt Olten abgeschlossen. Sie beantragt dem Parlament, den Stadtrat mit der Umsetzung einer Reihe von Massnahmen – insbesondere zur Steigerung der Transparenz und der Prozesssicherheit – zu beauftragen, und reicht dazu eine entsprechende Motion ein.
Die GPK hatte im Dezember 2013 beschlossen, eine Sondersitzung zur Aufarbeitung der Entstehungsgeschichte der heutigen Finanzlage bzw. der Fehleinschätzungen bezüglich Steuererträge juristischer Personen durchzuführen. Neben der Suche nach den Ursachen und der Klärung von Verantwortlichkeiten ging es dabei auch darum, Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen und das Vertrauen der Bevölkerung wieder zu gewinnen.
Die GPK betont aufgrund ihrer Abklärungen, dass Steuereinschätzungen zwar nicht zuletzt aufgrund der starken Verzögerungen bei den definitiven Veranlagungen eine komplexe Materie und die Informationsbeschaffung über voraussichtliche Steuereingänge von Seiten juristischer Personen schwierig sind. Spätestens im Februar 2012, als die Zahlen der Alpiq präsentiert wurden (Verlust 2011 1,3 Mrd. Franken und pessimistischer Ausblick), war der Rückgang der Steuereinnahmen von Seiten der Juristischen Personen hingegen erkennbar. Rückblickend muss daher festgestellt werden, dass zu jenem Zeitpunkt die damaligen Finanzverantwortlichen der Stadt Olten – Finanzdirektor und Finanzverwalter – den negativen Trend hätten erkennen und entsprechend reagieren müssen. Es hätten in der Folge schon für das Jahr 2012 Gegenmassnahmen ergriffen und ein korrigiertes Budget erstellt werden können. Und insbesondere im Hinblick auf das Budget 2013 hätten Diskussionen über allfällige Sparbemühungen und die Steuerfusshöhe geführt werden können.
Es ist jedoch aus Sicht der GPK nicht nachweisbar, ob hinter dieser ausgebliebenen Reaktion wie auch hinter einer nicht zahlenmässig ausgewiesenen Transaktion aus der Steuervor¬bezugsreserve in der Rechnung 2011 bei den damaligen Finanzverantwortlichen eine Absicht stand. Zum Beispiel dass man grössere Projekte wie Fusion und Innenstadt (Juni 2012) oder Sanierung Stadthaus (März 2012) nicht gefährden wollte, wie im Nachhinein kolportiert wurde. Es deutet aber einiges darauf hin, dass bei allen involvierten Gremien die Einstellung herrschte, dass es in den vergangenen Jahren noch immer besser herausgekommen war als erwartet und auch jetzt sich alles zum Guten wenden würde.
Die GPK schliesst aus ihren umfangreichen Abklärungen, dass es eine verbindliche, überprüfbare Form braucht, wie Informationen über die zu erwartende Entwicklung bei den Steuereinnahmen juristischer Personen periodisch eingeholt und wie solche Informationen schriftlich festgehalten werden müssen. Zudem braucht es eine klare Regelung, wer über Entnahmen aus Reserven entscheidet und wer bei relevanten liquiditätswirksamen Veränderungen aktiv informiert werden muss. Und generell ist künftig der Einnahmenseite bei der Budgetdebatte mehr Beachtung zu schenken, nicht nur der Ausgabenseite. Und alle Gremien – Gemeindeparlament, GPK und Stadtrat – müssen mehr „nachbohren“, wenn Unklarheiten bestehen.
Aus der Erkenntnis heraus, dass die Budgetierungen wie auch die Rechnungsabschlüsse jeweils gemäss den geltenden Regeln erfolgt sind und dass keine Hinweise auf strafrechtliche Relevanz des Geschehenen vorliegen, empfiehlt die GPK indessen, die Untersuchung abzuschliessen und auf die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zu verzichten.
Zur Konkretisierung ihrer Forderungen legt die GPK dem Parlament eine Motion vor, mit welcher der Stadtrat beauftragt werden soll, den Prozess der Informationsbeschaffung über die zu erwartende Entwicklung bei den Steuereinnahmen juristischer Personen verbindlich festzulegen. Ebenfalls verbindlich fixiert werden soll – in Abstimmung mit den kantonalen Vorschriften bzw. Fachempfehlungen betreffend HRM2 – der Prozess der Reservenbewirtschaftung. Das jeweilige Ergebnis der Reservenbewirtschaftung ist zudem regelmässig und transparent zu kommunizieren: Sämtliche Einlagen und Entnahmen zu Reserven müssen jeweils im Rechnungsabschluss und in der entsprechenden Parlamentsvorlage aufgeführt werden, so dass die nachfolgenden Entscheidungsgremien allenfalls Änderungen vornehmen können. Ferner soll die Möglichkeit einer externen Rechnungsprüfung bei der laufenden Revision der Gemeindeordnung aufgenommen werden.
1. Ausgangslage
Die Finanzlage der Einwohnergemeinde der Stadt Olten hat sich in den letzten Jahren drastisch verschlechtert. Ursache sind die stark reduzierten Steuereinnahmen von Seiten der grössten Steuerzahlerin der Stadt Olten wie auch des Kantons, der Alpiq AG, die in den Spitzenzeiten in Olten bis zu zwei Drittel der Steuereingänge von Seiten der juristischen Personen ablieferte.
Im November 2012 stellte der neue Finanzverwalter in einer ersten Analyse der laufenden Rechnung, der Ertragssituation sowie der kurzfristigen Liquiditätsplanung fest, dass das Budget 2012 und der voraussichtliche Abschluss 2012 erheblich voneinander abweichen würden. Deshalb wurde dem Stadtrat eine zusätzliche Fremdkapitalaufnahme von 10 Mio. Franken und eine sofortige Überarbeitung des Budgets 2013 beantragt. Im Januar 2013 wurden dann im Gespräch mit der Alpiq die kommenden negativen Trends bestätigt. Der Stadtrat hat danach sofort mit der Überarbeitung des Budgets 2013 begonnen.
An der Märzsitzung des Gemeindeparlaments informierte der damalige Stadtrat, die im Jahr 2013 vorgesehenen Nettoinvestitionen seien auf Grund einer Verzichts- bzw. Verschiebeplanung um rund 12,2 Mio. Franken auf rund 16,5 Mio. Franken gesenkt worden. Im Rahmen von zwei Budgetkürzungsrunden konnten zudem in der laufenden Rechnung gesamthaft 2,9 Mio. Franken eingespart werden.
Im September 2013 legte der Stadtrat dem Parlament ein erstes Entlastungspaket vor. Zugleich wurde eine dringliche überparteiliche Motion zum Entlastungsprogramm behandelt, die mit 28:9 Stimmen als Postulat überwiesen wurde.
Am 25. November 2013 reichten Rudolf Moor (SP) und Mitunterzeichnende folgende Interpellation betr. Entwicklung der finanziellen Situation der Stadt Olten ein : „Die aktuelle Situation der Finanzen der Stadt Olten ist beunruhigend. Schwer nachvollziehbar ist die Tatsache, dass bei der Beratung des Budgets 2013 im November 2012 vom Stadtrat keine Warnungen bezüglich einer zu erwartenden Verschlechterung der Lage zu vernehmen waren und auf Fragen bezüglich Risiken und vermuteter zu optimistischer Beurteilung der Situation der juristischen Personen durchwegs beruhigende Antworten zu hören waren. Neben der momentan notwendigen Schadensbegrenzung gilt es sicherzustellen, dass zukünftig schwerwiegende Fehleinschätzungen vermieden werden.“
Bei der Behandlung der Interpellation im Parlament am 30. Januar 2014 wurde die Forderung gestellt, dass Fehler und Verantwortlichkeiten aufgezeigt und Konsequenzen aus dem Geschehenen gezogen werden müssten. Ziel sei zudem die Wiederherstellung des Vertrauens auf Seiten der Bevölkerung, die sich mit mehr Steuern, höheren Gebühren und tiefere Leistungen konfrontiert sehe.
In der Zwischenzeit war bereits die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Parlaments aktiv geworden: Sie hatte an ihrer Sitzung vom 10. Dezember 2013 beschlossen, eine Sondersitzung zur Aufarbeitung der Entstehungsgeschichte der heutigen Finanzlage bzw. der Fehleinschätzungen bezüglich Steuererträge juristischer Personen durchzuführen. Abgeklärt werden sollten zudem Konsequenzen für die Zukunft.
2. Zielsetzungen
An ihrer ausserordentlichen Sitzung vom 18. Februar 2014 definierte die GPK folgende Zielsetzungen:
- Aufarbeitung der Ereignisse:
o Wie sieht die Chronologie der Ereignisse aus?
- Suche nach den Ursachen:
o Wie konnte es dazu kommen, dass auf die massive Verschlechterung der Finanzlage nicht früher reagiert wurde, obwohl nach Ansicht der GPK Anhaltspunkte vorhanden gewesen wären?
o Hat das System versagt?
- Verantwortlichkeiten klären:
o Wie lautet die Antwort auf die Schlagzeile „Vorwurf der Täuschung steht im Raum“ (Oltner Tagblatt vom 1. Februar 2014)?
o Wurden Gesetzesvorschriften verletzt?
o Wurde ein Offizialdelikt begangen?
- das Bestmögliche tun, damit Gleiches nicht mehr passiert, und somit Lehren aus der Vergangenheit ziehen:
o Braucht es Instrumente für mehr Sicherheit?
o Müssen die Kompetenzen einzelner Organe – insbesondere der GPK – verbessert werden (Stichwort Pflichtenheft)?
o Braucht es eine Folgeform der GPK für die Aufarbeitung?
- Vertrauen der Bevölkerung wieder gewinnen:
o Kommunikation der Ergebnisse
3. Vorgehen
Am 18. Februar, 8. April und 21. Mai 2014 fanden drei Sondersitzungen der GPK in folgender Zusammensetzung statt:
Heinz Eng, Präsident
Christoph Fink, Vizepräsident
Christine von Arx
Matthias Borner
Alexandra Kämpf
Rudolf Moor
Renata Pfeiler
Roland Rudolf von Rohr
Felix Wettstein
sowie
Stadtschreiber Markus Dietler (Aktuariat)
3.1 Sitzung vom 18. Februar 2014
Anhand der Protokolle aus den Vorjahren wurde eine Chronologie der Aussagen verantwortlicher Personen zu den Steuereingängen der juristischen Personen erstellt. Daraus ergaben sich zahlreiche Fragen aus den Reihen der GPK-Mitglieder und der Auftrag, diese bis zu einer nächsten Sitzung zu klären.
Die aufgeworfenen Fragen wurden aufgelistet und – zusammen mit einem ebenfalls festgestellten Bedarf an zusätzlichen Unterlagen – via Schreiben des Kommissionspräsidenten vom 24. Februar 2014 dem Stadtrat zur Beantwortung bis 25. März zugestellt. Fristgerecht gingen die Antworten des Stadtrates ein.
3.2 Sitzung vom 8. April 2014
Im Zentrum der zweiten Sitzung stand die Behandlung der Antworten des Stadtrates. Daraus ergaben sich zusätzliche Fragen, die dem Stadtrat erneut mit Schreiben des Kommissionspräsidenten vom 23. April 2014 mit Frist bis 16. Mai 2014 zugestellt wurden. Am 13. Mai 2014 wurden auch diese Fragen vom Stadtrat schriftlich beantwortet. Zudem wurde der GPK in Aussicht gestellt, dass an der nächsten Sitzung Finanzverwalter Urs Tanner weitere Auskünfte mündlich erteilen würde.
3.3 Sitzung vom 21. Mai 2014
Die neuen Antworten des Stadtrates wurden an einer dritten Sitzung behandelt. Zusätzlich erfolgten ergänzende mündliche Ausführungen von Finanzverwalter Urs Tanner.
Es wurde beschlossen, einen öffentlich zugänglichen Schlussbericht betreffend Vorgehen, Erkenntnisse und Folgerungen abzufassen. Heinz Eng und Christine von Arx wurden beauftragt, diesen mit technischer Unterstützung von Markus Dietler zu verfassen und den übrigen Mitgliedern der GPK zur Stellungnahme zu unterbreiten.
3.4 Redaktion Schlussbericht
Am 2. Juli 2014 trafen sich Heinz Eng und Christine von Arx zur Redaktion des Schlussberichts mit technischer Unterstützung von Stadtschreiber Markus Dietler. Das Ergebnis wurde am 3. Juli 2014 den weiteren GPK-Mitgliedern zur Stellungnahme verschickt. An einer weiteren Sitzung vom 7. August 2014 verarbeitete der vorbereitende Ausschuss die eingegangenen Stellungnahmen. Am 13. August 2014 fand schliesslich im Plenum die Schlussredaktion des vorliegenden Berichtes statt. Stadtschreiber Markus Dietler verfasste zudem eine Medienmitteilung, die im Vorfeld der Parlamentssitzung vom 25. September 2014, an welcher der Schlussbericht traktandiert wird, publiziert wird.
4. Feststellungen
Aus den Protokollen der GPK, der Beantwortung der Interpellation Rudolf Moor (SP) und Mitunterzeichnende betr. Entwicklung der finanziellen Situation der Stadt Olten, den schriftlichen Antworten des Stadtrates auf die Fragen der GPK und den mündlichen Ausführungen von Finanzverwalter Urs Tanner an der Sitzung vom 21. Mai 2014 ergaben sich folgende Feststellungen:
a.Grundsätzlich sind die Steuerschätzung sowie der Steuerabschluss komplexe Aufgaben, da die Verbuchung der mutmasslichen Steuererträge vor der effektiven Steuererhebung erfolgen muss. Dies führt zwangsläufig immer wieder zu Differenzen. Es gilt dabei, die Differenz zwischen Verbuchung und effektivem Ertrag des Steuerjahres möglichst gering zu halten. Eine effektive Abweichungsanalyse kann jedoch meistens erst 2 bis 3 Jahre nach dem Abschluss erstellt werden. Der im Jahresabschluss ausgewiesene Steuerertrag entspricht somit nicht den tatsächlich bis zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Steuerzahlungen, sondern weitgehend einer Schätzung der zu erwartenden Steuerzahlungen für das jeweilige Kalenderjahr. Im Rahmen dieser Schätzung wird eine Steuervorbezugsreserve geäufnet oder aufgelöst. Sie dient dazu auszuweisen, ob zusätzliche Steuereinnahmen erwartet werden (Äufnung) oder ob damit gerechnet wird, dass nachträglich Steuervorauszahlungen zurückgezahlt werden müssen (Auflösung). Mit Hilfe der Steuervorbezugsreserve ist es auf diese Weise möglich, den Steuerertrag zu „glätten“, indem man diese äufnet oder – zumindest teilweise – auflöst. Dies hat einen direkten Einfluss auf den Rechnungsabschluss.
b. Kontakte mit den grössten Unternehmen auf dem Platz Olten und mit den kantonalen Steuerbehörden haben stattgefunden, aber nicht regelmässig und die Ergebnisse wurden nicht dokumentiert. Anzumerken ist, dass börsenkotierte Unternehmen an gewisse Richtlinien gebunden sind und der Umgang mit börsenrelevanten Informationen sehr heikel ist. Welche Informationen der Stadtrat für die Planung 2013 hatte, ist nicht belegt.
c. Die Prognosen der zu erwartenden Steuererträge werden jeweils durch die Direktion Finanzen und Informatik erstellt; der Gesamtstadtrat wurde bisher nie in die Beurteilung des Steuerertrags involviert.
d. Im Herbst 2011 wurde der GPK durch den damaligen Finanzverwalter bekannt gegeben, dass von Seiten der Firma Alpiq im Jahr 2011 mit beträchtlichen Steuerausfällen zu rechnen sei. Gleiches gelte auch für das Jahr 2012, in welchem aber ein Teil der Steuerausfälle durch andere juristische Personen kompensiert werden könne. Ab 2013 sei bei Alpiq wieder mit Steuerzahlungen wie in durchschnittlichen Jahren zu rechnen.
e. Die nachfolgenden Gremien (Stadtrat, Rechnungsprüfungskommission, GPK und Parlament) haben in dieser Sache nicht genügend nachgehakt.
f. In der Rechnung 2011 betrugen die Steuererträge juristischer Personen effektiv nur 27,9 Mio. Franken. Im Nachgang zum Steuerabschluss wurden 5,5 Mio. Franken Steuervorbezugsreserve durch den damaligen Finanzverwalter aufgelöst und als Ertrag gutgeschrieben. Der entsprechende Beleg liegt vor, unterzeichnet vom damaligen Finanzverwalter und seinem damaligen Stellvertreter. Diese Transaktion wurde in der Vorlage – und entsprechend auch im dazugehörigen Mediencommuniqué – erwähnt, aber nicht mit Zahlen hinterlegt. Der Gesamtstadtrat hat auf Grund des Steuergeheimnisses keinen Einblick in die Steuereinnahmen; es ist zudem nicht ersichtlich, dass er von der Transaktion aus der Steuervorbezugsreserve gewusst hat. Die Art und der Umfang der Transaktion waren auch dem Parlament und der Öffentlichkeit nicht bewusst.
g. Die „Schönung“ der Rechnung 2011 respektive die Tatsache, dass diese nicht deklariert und daher auch nicht erkannt wurde, haben bewirkt, dass nicht bereits im Herbst 2012 (Budget 2013), sondern erst im folgenden Jahr Gegensteuer zur negativen Entwicklung der städtischen Finanzen gegeben werden konnte. Hier gilt es aber gleichzeitig festzustellen, dass die letzte Steuersenkung auf den Satz von 95% schon im Herbst 2011 mit dem Voranschlag 2012 erfolgte und sich nicht auf diese Fehleinschätzung stützte. Vielmehr basierte der damalige stadträtliche Antrag auf Steuersenkung unter anderem auf den Aussagen, dass die Steuerausfälle teilweise kompensiert und ab dem Jahr 2013 wieder durchschnittliche Steuererträge erwartet werden könnten.
h. Angesichts der doch sehr unterschiedlichen „Stärkeklassen“ der juristischen Personen als – bewusst oder unbewusst – irreführend bezeichnet werden muss deshalb die Aussage der damaligen, nicht mehr im Amt befindlichen Finanzverantwortlichen (Finanzdirektor und Finanzverwalter) auf eine schon zu Handen des Budgets 2012 am 28. Oktober 2011 gestellte Frage: Die Mindereinnahmen von Seiten der Alpiq würden durch andere Firmen abgedeckt. Das Gleiche gilt für die Aussage vom 9. November 2012, die grossen Risiken für das Budget 2013 lägen „bei den Steuereinnahmen, das heisst der Bevölkerungs- und Konjunkturentwicklung“, während sie doch vielmehr bei der Entwicklung der grössten Steuerzahlerin zu suchen waren.
i. Festzustellen ist aber zugleich, dass die Budgetierungen wie auch die Rechnungsabschlüsse jeweils gemäss den geltenden Regeln erfolgt sind. Die Buchungen, wie sie gemacht wurden, sind mit dem kaufmännischen Vorsichtsprinzip und der periodengerechten Verbuchung (accrual accounting) vereinbar. Und es liegen keine Hinweise auf strafrechtliche Relevanz des Geschehenen vor.
j. Aus den öffentlich zugänglichen Unterlagen zu den Budgetberatungen 2013 im Kantonsrat gehen keine Aussagen zu Steuereingängen von Einzelfirmen hervor; budgetierte Mindereinnahmen wurden mit den Auswirkungen von Steuergesetzrevisionen begründet. Die Protokolle der Finanzkommission unterstehen dem Amtsgeheimnis und sind somit nicht öffentlich.
5. Schlussfolgerungen
Steuereinschätzungen sind nicht zuletzt aufgrund der starken Verzögerungen bei den definitiven Veranlagungen eine komplexe Materie und die Informationsbeschaffung über voraussichtliche Steuereingänge von Seiten juristischer Personen schwierig, insbesondere bei börsenkotierten Firmen, bei den Indiskretionen zu ungewollten Kursveränderungen führen können. Spätestens im Februar 2012, als die Zahlen der Alpiq präsentiert wurden (Verlust 2011 1,3 Mrd. Franken und pessimistischer Ausblick), war der Rückgang der Steuereinnahmen von Seiten der Juristischen Personen indessen erkennbar. Rückblickend muss daher festgestellt werden, dass zu jenem Zeitpunkt die damaligen Finanzverantwortlichen der Stadt Olten den negativen Trend hätten erkennen und entsprechend reagieren müssen. Es hätten in der Folge schon für das Jahr 2012 Gegenmassnahmen ergriffen und ein korrigiertes Budget erstellt werden können. Und insbesondere im Hinblick auf das Budget 2013 hätten Diskussionen über allfällige Sparbemühungen und die Steuerfusshöhe geführt werden können.
Es ist aus Sicht der GPK nicht nachweisbar, ob hinter dieser ausgebliebenden Reaktion wie auch hinter der nicht zahlenmässig ausgewiesenen Transaktion aus der Steuervorbezugsreserve in der Rechnung 2011 bei den damaligen Finanzverantwortlichen eine Absicht stand – zum Beispiel dass man grössere Projekte wie Fusion und Innenstadt (Juni 2012) oder Sanierung Stadthaus (März 2012) nicht gefährden wollte, wie im Nachhinein kolportiert wurde. Es deutet aber einiges darauf hin, dass bei allen involvierten Gremien die Einstellung herrschte, dass es in den vergangenen Jahren noch immer besser herausgekommen war als erwartet und auch jetzt sich alles zum Guten wenden würde.
Die GPK schliesst Folgendes aus ihren Abklärungen:
a. Man hätte angesichts der schwindenden Steuereinnahmen von Seiten der juristischen Personen ein Jahr früher – das heisst 2012 im Hinblick auf das Budget 2013 – beginnen können und auch sollen, Gegensteuer zu geben; den massiven Einbruch der Steuereinnahmen von Seiten von Alpiq und damit die aktuellen Finanzprobleme der Stadt Olten hätte man aber dadurch nicht verhindern können.
b. Es braucht eine verbindliche, überprüfbare Form, wie Informationen über die zu erwartende Entwicklung bei den Steuereinnahmen juristischer Personen periodisch eingeholt und wie solche Informationen schriftlich festgehalten werden müssen.
c. Künftig braucht es zudem bei den Prognosen mehr Systematik. Dabei soll ebenso sehr abgestützt werden auf öffentlich zugängliche Informationen, die im Herbst 2011 wie auch im Herbst 2012 zu wenig seriös gewichtet wurden, als auf Gespräche mit den betroffenen Unternehmen, die es aber jeweils zu hinterfragen gelte.
d. Es braucht eine klare Regelung, wer über Entnahmen aus Reserven entscheidet und wer bei relevanten liquiditätswirksamen Veränderungen aktiv informiert werden muss. Die GPK empfiehlt, auch den Stellvertreter oder die Stellvertreterin des Finanzdirektors bzw. der Finanzdirektorin bzw. den Gesamtstadtrat verstärkt in diesen Prozess einzubeziehen.
e. Generell ist künftig der Einnahmenseite bei der Budgetdebatte mehr Beachtung zu schenken, nicht nur der Ausgabenseite. Und alle Gremien müssen mehr „nachbohren“, wenn Unklarheiten bestehen.
f. Aus der Erkenntnis heraus, dass die Budgetierungen wie auch die Rechnungsabschlüsse jeweils gemäss den geltenden Regeln erfolgt sind und dass keine Hinweise auf strafrechtliche Relevanz des Geschehenen vorliegen, empfiehlt die GPK, die Untersuchung abzuschliessen und auf die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zu verzichten.
6. Massnahmen
Aus ihren Schlussfolgerungen leitet die GPK folgende Massnahmen ab:
1. Der Prozess der Informationsbeschaffung über die zu erwartende Entwicklung bei den Steuereinnahmen juristischer Personen ist verbindlich festzulegen. Die Finanzverwaltung wird vom Stadtrat beauftragt, jährlich die 20 grössten Oltner Unternehmen anzuschreiben mit der Bitte, über ihren für die Stadt Olten massgeblichen voraussichtlichen steuerbaren Gewinn und ihr voraussichtliches steuerbares Kapital zu orientieren. Dabei ist zu beachten, dass keine Rechtspflicht auf Auskunft besteht. Die Finanzverwaltung entscheidet in Zusammenarbeit mit der Steuerverwaltung über die Höhe der voraussichtlichen Fiskalerträge und informiert den Finanzdirektor/die Finanzdirektorin und die RPK über das Ergebnis.
2. Der Prozess der Reservenbewirtschaftung ist in Abstimmung mit den gesetzlichen Grundlagen verbindlich festzulegen. Dabei geht vor allem um folgende Fragen: Wer entscheidet mit welchen Kompetenzen? Wer muss informiert werden?
3. Die genannten Prozesse und ihre jeweiligen Ergebnisse sind zu dokumentieren.
4. Das jeweilige Ergebnis der Reservenbewirtschaftung ist regelmässig und transparent zu kommunizieren: Sämtliche Einlagen und Entnahmen zu Reserven müssen jeweils im Rechnungsabschluss und in der entsprechenden Parlamentsvorlage aufgeführt werden, so dass die nachfolgenden Entscheidungsgremien allenfalls Änderungen vornehmen könnten.
5. Die Möglichkeit einer externen Rechnungsprüfung soll bei der laufenden Revision der Gemeindeordnung aufgenommen werden.
6. Die Untersuchung der GPK betr. Abläufe und Verantwortlichkeiten bei der Entwicklung der aktuellen finanziellen Situation der Stadt Olten wird abgeschlossen.
Mit der Abgabe des vorliegenden Berichts an das Gemeindeparlament reicht die GPK die Forderung nach Umsetzung dieser Massnahmen als Motion ein.
Beschlussesanträge:
1. Vom Schlussbericht „Untersuchung der Abläufe und Verantwortlichkeiten bei der Entstehung der aktuellen finanziellen Situation der Stadt Olten“ wird Kenntnis genommen.
2. Die Motion der GPK betr. Umsetzung der Massnahmen gemäss Schlussbericht „Untersuchung der Abläufe und Verantwortlichkeiten bei der Entstehung der aktuellen finanziellen Situation der Stadt Olten“ wird als erheblich erklärt.
3. Die Untersuchung der GPK betr. Abläufe und Verantwortlichkeiten bei der Entwicklung der aktuellen finanziellen Situation der Stadt Olten wird abgeschlossen.
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Motion GPK betr. Abläufe und Verantwortlichkeiten bei der Entstehung der aktuellen finanziellen Situation der Stadt Olten
Die GPK hat an ihrer Sitzung vom 10. Dezember 2013 beschlossen, eine Sondersitzung zur Aufarbeitung der Entstehungsgeschichte der heutigen Finanzlage bzw. der Fehleinschätzungen bezüglich Steuererträge juristischer Personen durchzuführen. Abgeklärt werden sollten zudem Konsequenzen für die Zukunft.
Mittlerweile liegt ein Untersuchungsbericht vor, der an der Parlamentssitzung vom 25. September 2014 traktandiert wird. Die GPK beantragt auf dieser Grundlage dem Parlament, den Stadtrat mit der Umsetzung folgender Massnahmen zu beauftragen:
1. Der Prozess der Informationsbeschaffung über die zu erwartende Entwicklung bei den Steuereinnahmen juristischer Personen ist verbindlich festzulegen. Die Finanzverwaltung wird vom Stadtrat beauftragt, jährlich die 20 grössten Oltner Unternehmen anzuschreiben mit der Bitte, über ihren für die Stadt Olten massgeblichen voraussichtlichen steuerbaren Gewinn und ihr voraussichtliches steuerbares Kapital zu orientieren. Dabei ist zu beachten, dass keine Rechtspflicht auf Auskunft besteht. Die Finanzverwaltung entscheidet in Zusammenarbeit mit der Steuerverwaltung über die Höhe der voraussichtlichen Fiskalerträge und informiert den Finanzdirektor/die Finanzdirektorin und die RPK über das Ergebnis.
2. Der Prozess der Reservenbewirtschaftung ist in Abstimmung mit den gesetzlichen Grundlagen verbindlich festzulegen. Dabei geht vor allem um folgende Fragen: Wer entscheidet mit welchen Kompetenzen? Wer muss informiert werden?
3. Die genannten Prozesse und ihre jeweiligen Ergebnisse sind zu dokumentieren.
4. Das jeweilige Ergebnis der Reservenbewirtschaftung ist regelmässig und transparent zu kommunizieren: Sämtliche Einlagen und Entnahmen zu Reserven müssen jeweils im Rechnungsabschluss und in der entsprechenden Parlamentsvorlage aufgeführt werden, so dass die nachfolgenden Entscheidungsgremien allenfalls Änderungen vornehmen könnten.
5. Die Möglichkeit einer externen Rechnungsprüfung soll bei der laufenden Revision der Gemeindeordnung aufgenommen werden.