Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrte Damen und Herren
Der Stadtrat unterbreitet Ihnen folgenden Bericht und Antrag:
1. Ausgangslage
Am 7. Mai 2014 hat der Kantonsrat der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen dem Kanton und den Gemeinden (NFA SO) und dem Gesetz über den Finanz- und Lastenausgleich der Einwohnergemeinden (FILAG EG) zugestimmt. Bis 22. August 2014 läuft laut Publikation im Amtsblatt Kanton Solothurn (21/23.5.14) die Referendumsfrist. Der Stadtrat hatte sich in der Vernehmlassung im vergangenen September aus verschiedenen Gründen – trotz Mitarbeit der früheren städtischen Finanzverantwortlichen in der Ausarbeitung der Vorlage – gegen den vorliegenden neuen Finanzausgleich ausgesprochen. Nach dem Kantonsratsentscheid fand am 2. Juni 2014 mit drei Vertretern des VSEG eine Aussprache zum Thema statt.
Gemäss § 151 GpR entscheidet bei der ausserordentlichen Gemeindeorganisation das Gemeindeparlament darüber, ob als Einwohnergemeinde das Referendum ergriffen wird. Der Stadtrat hat an der Sitzung vom 16. Juni 2014 beschlossen, dies dem Parlament im vorliegenden Fall zu beantragen. Da vor Ablauf der Referendumsfrist keine weitere Parlamentssitzung stattfinden wird, beantragt der Stadtrat, die Vorlage bereits an der Juni-Sitzung zu behandeln.
2. Der neue Finanzausgleich
Der neue Finanzausgleich setzt sich aus einem Finanz- und Lastenausgleich sowie einem Lastenausgleich in der Bildung (Schülerpauschalen) zusammen.
2.1 Ressourcenausgleich
Der Ressourcenausgleich funktioniert als Kombination eines horizontalen Ausgleichs (= Ausgleich zwischen den Gemeinden, siehe Disparitätenausgleich)
und
eines vertikalen Ausgleichs (= Ausgleich durch den Kanton, siehe Mindestausstattung).
Er stellt das Instrument zur Verringerung der Steuerkraftunterschiede zwischen ressourcenschwachen und ressourcenstarken Gemeinden dar. Ob eine Gemeinde einen Abgabe oder einen Beitrag im horizontalen Ressourcenausgleich leistet oder erhält, wird künftig allein durch das Kriterium der Steuerkraft bestimmt.
In einem ersten Schritt erfolgt der sogenannte Disparitätenausgleich zwischen den Gemeinden (horizontale Komponente). In einem zweiten Schritt werden die ressourcenschwachen Gemeinden mit einem Kantonsbeitrag unterstützt, so dass sie eine bestimmte "Mindestausstattung“ erreichen (vertikale Komponente).
2.1.1 Disparitätenausgleich (Horizontaler Ausgleich)
Die erste Komponente des Ressourcenausgleichs bildet der horizontale Ausgleich zwischen den Gemeinden. Basis des Disparitätenausgleichs ist der Steuerkraftindex (SKI), also das prozentuale Verhältnis zum durchschnittlichen Steueraufkommen pro Einwohner/Kanton. Dieses Mass kommt bereits heute im bisherigen System des direkten Finanzausgleichs zur Anwendung.
Der Disparitätenausgleich wird so angelegt, dass die ressourcenstarken respektive steuerkraftstarken Gemeinden eine Abgabe leisten, welche die Differenz ihrer Steuerkraft zur durchschnittlichen Steuerkraft von 100 um einen bestimmten Prozentsatz reduziert. Gemeinden mit einer Steuerkraft unter 100 erhalten dem gegenüber einen Beitrag. Dieser Beitrag verringert die Differenz ihrer Steuerkraft zur durchschnittlichen Steuerkraft von 100 ebenfalls um denselben Prozentsatz. Die Finanzierung dieses Ausgleichsgefässes erfolgt ausschliesslich durch die Gemeinden mit einer Steuerkraft über 100 Indexpunkten (rein horizontaler Finanzausgleich zwischen den Gemeinden).
Die Höhe des Disparitätenausgleichs bzw. der Abschöpfungsquote bei den ressourcenstarken Gemeinden ist auf Gesetzesstufe als Bandbreite bestimmt: Unter § 10 Absatz 4 des FILAG EG wird eine Bandbreite zwischen 30 bis 50 Prozenten der überdurchschnittlichen Ressourcenstärke (d.h. über einem Steuerkraftindex von 100) festgelegt.
2.1.2 Mindestausstattung durch den Kanton (vertikaler Ausgleich)
Die zweite Komponente des Ressourcenausgleichs bildet die Mindestausstattung. Diese hat zum Ziel, ressourcenschwache Gemeinden so auszustatten, dass sie die öffentlichen Aufgaben wirtschaftlich und sparsam erfüllen können. Basis zur Bestimmung einer Mindestausstattung stellt der Wert des Steuerkraftindexes nach Ausgleich der Disparität zwischen den Ge-meinden dar. Gemeinden, deren Steuerkraft nach ausgerichtetem Disparitätenausgleich unter einem bestimmten Wert liegt, erhalten zusätzlichen einen Beitrag vom Kanton. Diese Zusatzgelder bewirken, dass alle Gemeinden auf eine vom Kanton garantierte Mindestausstattung angehoben werden. Die Finanzierung der Mindestausstattung ist – in Analogie zum Bund – durch den Kanton bereitzustellen. Diese Mindestausstattung stellt eine dynamische Grösse dar. Nimmt die Disparität der Gemeinden zu oder ab, verändert sich auch die Mindestausstattung. Der Kanton trägt diese dynamische Komponente im System mit. Das Gesetz beinhaltet für die Mindestausstattung eine Bandbreite von 80 bis 100 Steuerkraftindex-punkten vor (vgl. § 11 Abs. 4 des FILAG EG).
2.2 Lastenausgleich
Drei Lastenausgleichsgefässe ersetzen den bisher gängigen Steuerbedarf. Er stellte im heutigen direkten Finanzausgleich eine Art Lastenausgleichskomponente dar. Die Festlegung dieses Steuerbedarfs ist komplex und hinsichtlich der Wirkungsweise schwer nachvollziehbar. Ganz im Sinne der Reformgrundsätze gilt es neu eine Trennung zwischen Ressourcen und Lasten vorzunehmen. So gesehen ist der bisherige Steuerbedarf nicht NFA-kompatibel und daher nicht weiterführbar. Gleiches gilt auch für das Investitionsbeitragswesen für Schulbauten. Solche nach der Finanzkraft abgestufte Subventionen an Schulbauten sind nicht weiter NFA-verträglich.
Im neuen System werden drei vom Kanton finanzierte Lastenausgleichsgefässe geschaffen. Sie sollen Gemeinden mit besonders hohen, strukturell bedingten Kosten entlasten. In Anlehnung an die NFA Bund werden geografisch-topografische, soziodemografische Lasten und Zentrumslasten abgegolten.
2.3 Schülerpauschalmodell
Das vorgeschlagene Schülerpauschalmodell orientiert sich an objektivierbaren Kostenfaktoren. Die vom Kanton entrichteten Schülerpauschalen beinhalten Normkostenanteile pro Schul- und Klassenstufe (Grundpauschale) sowie Kosten für die über die Grundausstattung zusätzlich zu erteilenden Lektionen (lektionenbasierte Abgeltung für überdurchschnittliche Belastungen).
3. Stellungnahme des Stadtrates
In der Ende September zu Ende gegangenen Vernehmlassung zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen dem Kanton und den Gemeinden hat der Stadtrat als Vertreter der heute grössten Zahlerin im Finanzausgleich den vorliegenden Vorschlag abgelehnt: Die Abkehr vom heute geltenden, nach oben plafonierten und von den Gemeinden und dem Kanton paritätisch bestückten Finanzausgleich hin zu einem steuerkraftbasierten Ressourcenausgleich mit Mindestausstattung bis zu 100% birgt seiner Ansicht nach angesichts vieler Variablen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten. Es besteht die Gefahr, dass das neue System falsche Anreize setzt, indem es nicht auf die spezifischen Aufgaben der jeweiligen Gemeinde eingeht, sondern Gelder auch für Aufgaben verschiebt, die allenfalls gar nicht vorhanden sind.
Mit dem Ansatz des „Gleichmachens“ steht es zudem im Widerspruch zu den kantonalen Bestrebungen in den Bereichen Richtplanung und Raumplanung, die den Städten und andern regionalen Zentren klare Zentrumsaufgaben zuteilt, für deren Erfüllung ihnen aber auch die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen müssen, was mit dem vorgeschlagenen System nicht der Fall ist. Auch die gewählte Methodik ist fragwürdig: Es geht nicht an, dass nur Kultur und Freizeit herangezogen werden. Es müssen auch andere Zentrumslasten wie insbesondere Sport und Angebote, welche die umliegenden Gemeinden nicht anbieten können (z.B. Kinderkrippen etc.), berücksichtigt werden. In diesem Punkt gilt es zu beachten, dass sich eine Schwächung dieser Zentren und insbesondere auch der Stadt Olten zum Schaden des Gesamtkantons auswirkt.
Aufgrund der geographischen Ausgestaltung des Kantons ist ferner beim geographisch-topografischen Lastenausgleich das Modell der Kosten der Weite in Frage zu stellen: Die Länge der Strassen sagt nichts über deren Auslastung aus. Ein hohes Verkehrsaufkommen führt automatisch auch zu höheren Kosten (Unterhalt etc.).
Mit der Einführung des neuen Finanzausgleichs wird die Stadt Olten aufgrund der hohen Zusatzbeiträge, welche sie je nach Steueraufkommen einschiessen muss, den Steuersatz sowohl bei den natürlichen als auch bei den juristischen Personen voraussichtlich erheblich erhöhen müssen. Diese Erhöhung kann sich vor allem bei den juristischen Personen im Steuerwettbewerb mit umliegenden Städten der Nachbarkantone negativ auswirken. Aufgrund des neuen Niveau-Ausgleiches beim horizontalen Ressourcenausgleich zwischen den Gemeinden wird beim Wegzug von Firmen somit auch die durchschnittliche Steuerkraft gesenkt und je nachdem die Steuerkraft von steuerschwachen Gemeinden erhöht. Dadurch werden diese ebenfalls zu weniger Geldmitteln kommen.
Zusammenfassend konnte der Stadtrat der vorgesehenen Neugestaltung des Finanzausgleichs nicht zustimmen, da die Zentren – insbesondere die Stadt Olten – zu stark belastet werden, was ihre Finanzautonomie weiter einschränkt. Kommt hinzu, dass die Planungssi-cherheit für die Gemeinden sinkt, weil der Kantonsrat auf Vorschlag eines achtköpfigen Gremiums jährlich den Umfang des horizontalen Ausgleichs zwischen den Gemeinden, den sogenannten Disparitätenausgleich, festlegt, was eine seriöse Finanzplanung verunmöglicht. Hier forderte der Stadtrat vom Kanton eine höhere Planungssicherheit, als es die – seiner Ansicht nach im Übrigen zu hoch angesiedelte – Bandbreite von 30 bis 50% erwarten lässt.
Unsicherheit besteht zudem punkto Kantonsbeitrag, der mit dem neuen Finanzausgleich erheblich grösser werden soll: Der Stadtrat forderte angesichts der Sparbemühungen des Kantons, dass dieser weitreichende Garantien zusichern würde, dass die vorgesehenen Mittel langfristig zur Verfügung stünden und nicht im Rahmen künftiger Sparaktionen gestrichen würden, so dass mögliche weitere Transferzahlungen unter den Gebergemeinden aufgeteilt werden müssten. Abschliessend hielt der Stadtrat fest, dass eine Änderung des Lastenausgleichs unter den Sozialregionen, wie sie derzeit vom Verband Solothurner Einwohnerge-meinden (VSEG) gefordert werde, eine komplette Neubeurteilung des ganzen Themas Fi-nanzausgleich erfordern würde.
Diese Argumente des Stadtrates konnten in den darauf folgenden Gesprächen von Seiten der Befürworter des neuen Finanzausgleichs nicht entkräftet werden. Der Stadtrat ist daher nach wie vor der Meinung, dass der neue Finanzausgleich die Stadt Olten – insbesondere in der aktuellen finanziellen Lage – zu stark belastet, dass er mit der geplanten Grundausstattung strukturerhaltend wirkt und dass angesichts der vorhandenen Bandbreite bei den Parametern die Planungssicherheit nicht in genügendem Umfang gewährleistet ist.
Er empfiehlt daher dem Parlament, gemäss §151 des Gesetzes über die politischen Rechte (GpR) das Referendum gegen den Kantonsratsbeschluss zu ergreifen. Dies insbesondere auch um zum Ausdruck zu geben, dass die Einwohnergemeinde Olten ihre Ablehnung des Kantonsratsbeschlusses auf individuelle Gründe stützt, die von denjenigen anderer Kritiker des neuen Finanzausgleichs abweichen können: Sie spricht sich nicht gegen eine kontrollierte Solidarität gegenüber finanzschwachen Gemeinden aus und lehnt auch das vorgelegte System des neuen Finanzausgleichs nicht grundsätzlich ab. Für sie nicht akzeptierbar sind vielmehr insbesondere die nach wie vor vorhandene Planungsunsicherheit, die Tendenz zur Strukturerhaltung, die weitere Einschränkung der Finanzautonomie sowie gewisse Parameter beziehungsweise deren Bemessung(sprozess).
Beschlussesantrag:
1. Gegen den Kantonsratsbeschluss vom 7. Mai 2014 betr. Neugestaltung des Finanz-ausgleichs und der Aufgaben zwischen dem Kanton und den Gemeinden (NFA SO) und Gesetz über den Finanz- und Lastenausgleich der Einwohnergemeinden (FILAG EG) wird das Referendum ergriffen.
2. Der Stadtrat wird mit dem Vollzug beauftragt.