Am 30. Januar 2014 haben Paul Dilitz (Fraktion SP und Junge SP) und Mitunterzeichnende folgenden Vorstoss eingereicht:
„Der Stadtrat wird ersucht, in Sachen Ausstandsregelung von Gemeinderatsmitgliedern bei Geschäften, bei welchen ihr persönliches und/oder materielles Interesse gegeben ist, in der neuen Gemeindeordnung eine Klärung herbei zu führen. Um eine zukünftige Regelung konsequent und gerecht durchsetzen zu können, wird der Stadtrat zudem ersucht, dafür zu sorgen, dass die Interessenverbindungen alles Gemeinde- und Stadträte in geeigneter Weise offen gelegt werden.
In der Gemeinderatssitzung vom 27./28. November 2013 wurde unter dem Traktandum 5.3 „Begegnungszentrum CULTIBO/Kreditgenehmigung“ der Antrag des Stadtrates, mit dem Verein Begegnungszentrum CULTIBO eine neue dreijährige Leistungsvereinbarung mit dem entsprechenden finanziellen Beitrag der Stadt behandelt. Vor der Behandlung des Geschäftes wurden der Präsident des Vereins sowie die beiden Vizepräsidenten, welche alle drei dem Parlament angehören, durch den Ratspräsidenten des Saales verwiesen und mussten in den Ausstand treten. Speziell stossend war in der Folge auch, dass die drei CULTIBO-Vorstandsmitglieder nicht auf den Besucherplätzen Platz nehmen durften. Dies ist unseres Erachtens nicht gesetzeskonform, da die Gemeinderatssitzungen öffentlich sind.
Das Thema Abtretungspflicht ist im Gemeindegesetz im § 117 geregelt. Eine Ausstandspflicht ist bei Behördenmitgliedern dann gegeben, wenn eine Person an der zu behandelnden Angelegenheit ein persönliches oder materielles Interesse besitzt. Die Juristen des Amtes der Gemeinden empfahlen auf Nachfrage im obigen Fall ebenfalls den Ausstand, um eine Beschwerde in der Sache auszuschliessen. Es gibt aber in einem entsprechenden Fall kein richterliches wegweisendes Urteil.
Darum beantragen wir, dass der Stadtrat in Sachen Ausstandsregelung von Gemeinderats- und Stadtratsmitgliedern bei Geschäften, bei welchen ein persönliches und/oder materielles Interesse der Mitglieder gegeben ist, in der neuen Gemeindeordnung Klarheit schafft. Um im konkreten Fall in Zukunft einen klaren Ausstandsentscheid fällen zu können, müssen sämtliche Interessenverbindungen aller Gemeinderats- und Stadtratsmitglieder bekannt sein. Darum wird der Stadtrat ersucht, ein öffentliches Register einzurichten, bzw. dieses Anliegen in der neuen Geschäftsordnung zu integrieren, in welchem alle Gemeinderats- und Stadtratsmitglieder Auskunft über ihren Beruf inkl. berufliche Stellung, ihre Nebenbeschäftigungen, ihre Verwaltungsratsmandate und ihre leitenden Funktionen in Vereinen und Organisationen offenlegen.“
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Im Namen des Stadtrates beantwortet Stadtpräsident Martin Wey den Vorstoss wie folgt:
Nach § 117 des kantonalen Gemeindegesetzes (GG, BGS 131.1) – worauf sich auch Art. 29 der Gemeindeordnung der Einwohnergemeinde der Stadt Olten (SRO 111) und Art. 33 der Geschäftsordnung des Gemeindeparlaments (SRO 121) stützen – haben Behördenmitglieder dann in den Ausstand zu treten, wenn
sie selbst (bzw. Verwandte und dergleichen) an der zu behandelnden Sache ein persönliches oder materielles Interesse besitzen;
oder wenn sie sich schon in anderer amtlicher Stellung oder aufgrund eines privatrechtlichen Mandats mit der Sache befasst haben.
Keine Abtretungspflicht besteht bei Geschäften, welche die ganze Gemeinde oder Teile davon, andere öffentlich-rechtliche Organisationen oder eine allgemein umschriebene Mehrheit von Personen betreffen (vgl. § 117 Abs. 3 GG).
Als Behörden gelten gemäss Gesetz der Gemeinderat (Stadtrat), das Gemeindeparlament und die Kommissionen (§17 GG).
Die Aufzählung der Abtretungsgründe im Gemeindegesetz ist abschliessend. Die Schaffung zusätzlicher Abtretungsgründe ist auf kommunaler Ebene demnach nicht vorgesehen; sie ist dem kantonalen Gesetzgeber vorbehalten. Letzteres nicht zuletzt deshalb, da mit der Abtretungspflicht in die übergeordnet durch Gesetz und Verfassung gewährten politischen Rechte eingegriffen wird.
Das Merkblatt „Gemeinderat - Führung, Verantwortung und Freude“ des Amtes für Gemeinden (AGEM) hält zum Ganzen fest (vgl. Seite 28), dass „die objektive Interessenlage und die potentielle Einflussmöglichkeit die einzigen Kriterien sind, nach denen die Ausstandstatbestände beurteilt werden. Es ist also unerheblich, ob das betroffene Mitglied persönlich davon überzeugt ist, trotz der konkreten Interessenlage objektiv entscheiden zu können.“ Zudem wird empfohlen, „lieber einmal zu viel als einmal zu wenig in den Ausstand zu treten, wenn die Beschlussfähigkeit der Behörde dadurch nicht beeinträchtigt wird.“ Das Merkblatt hält zudem ausdrücklich fest, dass das abtretungspflichtige Mitglied das Sitzungslokal verlassen muss.
Zusammengefasst ist der Stadtrat der Ansicht, dass die Abtretungspflicht genügend geregelt ist und keine Ergänzung zu erfolgen hat.
Was die geforderte Offenlegung der Interessenbindungen aller Gemeinde- und Stadträte betrifft, vertritt der Stadtrat die Meinung, dass zuhanden der Spezialkommission für die Totalrevision der Gemeindeordnung das Anliegen eingebracht werden soll, dass aus Transparenzgründen alle Behördenmitglieder, insbesondere Stadtrats-, Parlaments- und Kommissionsmitglieder, ihre privaten und beruflichen Mandate und Interessenbindungen offenlegen.
In Sinne der geforderten Offenlegung der Interessenbindungen beantragt der Stadtrat die Überweisung und gleichzeitige Abschreibung des Postulats.