Am 23. Mai 2013 haben Daniel Probst (FDP) und Mitunterzeichnende folgenden Vorstoss eingereicht:
„Der Stadtrat wird beauftragt, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür einzusetzen, dass die Anbindung der Bemessung der Sozialhilfeleistungen an die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) für den Kanton Solothurn aufgelöst wird. Im Sozialgesetz sollen neu für den Kanton eigene, tiefere und damit für die hiesigen Lebenshaltungskosten angemessene Bemessungsrichtlinien erlassen werden.
Begründung:
Die im Kanton Solothurn und insbesondere in der Sozialhilferegion Olten stark ansteigenden Sozialkosten führen zunehmend zu kritischen Stimmen gegenüber den Vorgaben im kantonalen Sozialhilfegesetz. Letztlich leidet darunter der gesellschaftliche Konsens, dass die Gemeinschaft Menschen und Familien unterstützen soll, welche aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sind, genügend Einkommen für ein würdiges Leben zu erzielen.
Die im Kanton Solothurn angewendeten SKOS-Richtlinien sind im Vergleich zu den eher tiefen Lebenshaltungskosten unseres Kantons zu hoch. Vor Einführung des Sozialgesetzes 2007 hat sich in der Kanton Solothurn ebenfalls an den SKOS-Richt-linien orientiert, diese aber jeweils um mindestens 10% unterschritten. Diese frühere Praxis soll wieder angestrebt werden, damit die Sozialhilfe als wichtiger Pfeiler unserer sozialen Gesellschaft weiter akzeptiert und breit getragen wird.“
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Im Namen des Stadtrates beantwortet Stadtrat Peter Schafer die Motion wie folgt:
Nach städtischem Recht verlangt eine Motion vom Stadtrat, dem Gemeindeparlament einen Reglements- oder Beschlussesentwurf vorzulegen. Demgegenüber beinhaltet das Postulat einen entsprechenden Prüfungsauftrag, eingeschlossen die Frage, ob eine Massnahme zu treffen oder zu unterlassen sei (Art. 60 und 61 der Geschäftsordnung des Gemeindeparlaments der Stadt Olten, SRO 121). Diese Mitwirkungsrechte stützen sich letztlich auf das kantonale Gemeindegesetz, welches die diesbezüglichen politischen Rechte auf Gemeindeebene explizit statuiert (§ 42 f. des Gemeindegesetzes, BGS 131.1).
Der Vollzug der Sozial- und Nothilfe durch die Einwohnergemeinden ist durch das kantonale Recht geregelt (vgl. § 2 Abs. lit. e des Sozialgesetzes, SG, BGS 831.1). Dabei haben die Einwohnergemeinden dafür zu sorgen, dass namentlich die Sozialhilfe im Rahmen dieses Gesetzes erfüllt und finanziert wird (§ 26 Abs. 1 SG). Sie haben die Sozialhilfe an Personen zu richten, die sich in einer sozialen Notlage befinden; sie sind zur wirksamen Hilfeleistung verpflichtet. Nach § 152 SG haben sich die Sozialhilfeleistungen grundsätzlich nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Sozialhilfe (SKOS) zu richten; einzig der Regierungsrat kann Ausnahmen von der generellen Anwendbarkeit der SKOS-Richtlinien festlegen (Abs. 2). Damit aber ist der sachliche Gegenstand - der öffentlichen Sozialhilfe - durch das übergeordnete Recht abschliessend statuiert. Der entsprechende
Vorstoss aus dem Gemeindeparlament kann demnach nicht als eigentlicher Auftrag im Sinne einer Motion, sondern nur als Postulat entgegengenommen werden.
SKOS-Richtlinien
Die SKOS-Richtlinien sind ein „gewachsenes“ Regelsystem mit Stärken und Schwächen. U.a. können folgende Stärken der SKOS-Richtlinien können genannt werden:
- Normierung (keine Willkür)
- Nachvollziehbarkeit
- Klare Struktur, klare Definition
- Die Richtlinien sind „justiziabel“
Als Schwächen können u.a. genannt werden:
- Fehlende Abstimmung mit anderen Existenzminima (betreibungsrechtliches Existenzminimum, Existenzminimum nach EL-Berechnungsschema)
- Negative Anreize, falsch gesetzte Anreize, fehlende Anreize (wer mehr arbeitet sollte per Saldo über mehr Mittel verfügen)
- Existenzminimum nach SKOS fällt teilweise höher aus als das betreibungsrechtliche.
Problematisch ist sicher auch, dass ein Verein Grundlagen erarbeitet, die praktisch unverändert zu gesetzlichen Bestimmungen werden. Dies wird aber noch eine Weile so dauern, da der Nationalrat erst kürzlich entschieden hat, kein Sozialhilferahmengesetz auszuarbeiten.
Kanton Solothurn
Der Kanton Solothurn hat auch in das neue Sozialgesetz (BGS 831.1) vom 31. Januar 2007 die folgenden Bestimmungen aufgenommen:
§ 152 Richtlinien für die Bemessung
1 Die Bemessung der Sozialhilfeleistungen richtet sich grundsätzlich nach
den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Sozialhilfe
(SKOS-Richtlinien).
2 Der Regierungsrat kann Ausnahmen von der generellen Anwendbarkeit
der SKOS-Richtlinien festlegen.
§ 152 Abs. 2 SG ist u.a. auf Anregung des Oltner Stadtrates im Rahmen der Vernehmlassung zum Sozialgesetz in das Gesetz aufgenommen worden. Nach der Bestimmung in § 152 Abs. 2 SG hat der Regierungsrat die Kompetenz, auf begründeten Antrag hin - wie von Daniel Probst angestrebt – z.B. die Beiträge für den Lebensunterhalt um 10% zu reduzieren.
Varianten
a. Kürzung der Ansätze für alle Leistungsempfänger
Mit einer solchen undifferenzierten Kürzung würden alle Leistungsempfänger gleich getroffen. Davon ausgehend, dass gemäss Statistik Kinder stark betroffen sind, müsste diese Variante kritisch beurteilt werden.
b. Mit der Bezugsdauer abnehmende Ansätze
Dieser Ansatz wäre grundsätzlich interessant: Im ersten Jahr würde der volle Ansatz gewährt. Über eine zu definierende Zeitdauer würden die Ansätze auf einen Minimalansatz sinken. Es gelten allerdings dieselben Vorbehalte wie bei Variante a.
c. Vereinfachung und Stärkung des Sanktionssystems
Beispielsweise bei Verweigerung der Annahme einer zugewiesenen Arbeit sollte sofort reagiert werden. Im aktuell gültigen und auf die SKOS-Richtlinien abgestützten Sanktionssystem ist jedoch ein mehrstufiges Verfahren festgehalten: Zuerst muss eine Arbeit zugewiesen werden. Wird diese nicht angenommen, muss erneut Arbeit unter Androhung von Sanktionen zugewiesen werden. Erst danach kann eine Sanktion ausgesprochen werden, allerdings vorerst nur im Bereich von 15% Kürzung für maximal 6 Monate. Jeder solche Schritt muss verfügt werden und ist arbeitsaufwendig.
d. weitere Varianten
Weitere Varianten sind möglich.
Ein Entscheid, Sozialhilfeleistungen künftig nicht mehr an die SKOS Richtlinien zu binden, bedarf einer genauen Hintergrundbetrachtung und ist letztlich auf politischer Ebene auszuhandeln.
Beantwortung eines ähnlichen Vorstosses durch den Regierungsrat
Der Regierungsrat beantwortet mit Beschluss vom 21.10.2013 (RRB 2013-1908) einen ähnlichen, aber auf kantonaler Ebene eingegebenen Auftrag von Kantonsrat Alexander Kohli (FDP, Grenchen): Weg mit der Anbindung der Sozialhilfeleistungen an die SKOS-Richtlinien. Die Stellungnahme des Regierungsrates liegt diesem Bericht und Antrag bei. Der Regierungsrat beantragt die Erheblicherklärung mit folgendem Wortlaut: „Der Regierungsrat wird beauftragt, § 93 Sozialgesetz zu revidieren und dabei die Ausnahmebestimmungen in den Bereichen Sanktionsrahmen, situationsbedingte Leistungen (inkl. Anreizsystem), Leistungen an Jugendliche und junge Erwachsene sowie Vermögensfreibeträge zu erweitern.“
Angesichts der bereits geprüften Schritte und der klaren Haltung des Regierungsrates empfiehlt der Stadtrat dem Parlament, die Motion in ein Postulat umzuwandeln, das Postulat zu überweisen und - da der Regierungsrat bereits entschieden hat - abzuschreiben.