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Im Schutzraum wären die Leute im Notfall erstickt...
Sie stammen aus der Zeit der Kriege des letzten Jahrhunderts und viele Leute wissen heute nicht mehr so recht, wozu sie eigentlich gut sind: Die Schutzräume, auch Luftschutzkeller genannt, sollen der Zivilbevölkerung im Ernstfall Schutz bieten, vor radioaktiver Strahlung beispielsweise oder vor Trümmerbelastung bei Erdbeben. Es ist eine der Aufgaben des Zivilschutzes, in regelmässigen Abständen (alle 10 Jahre) die Schutzräume der Zivilbevölkerung auf ihre Tauglichkeit und auch auf ihr Vorhandensein zu prüfen. Mitte März war auch die Gemeinde Wangen bei Olten an der Reihe. Eine Woche dauert der Einsatz, gesamthaft sind fünf Gruppen à je drei bis vier Zivilschützer unterwegs, von Haus zu Haus, von Schutzraum zu Schutzraum, täglich unterzieht jede Gruppe bis zu zwölf Schutzräume einer detaillierten Kontrolle: In welchem Zustand ist der Raum allgemein? Ist der Notausstieg frei zugänglich? Sind die Panzertüren verschliessbar? Funktioniert das Belüftungssystem? Grundsätzlich muss ein Schutzraum so gehalten werden, dass er innerhalb von 24 Stunden voll einsatzbereit ist.
Zurück im Schutzraum des älteren Herrn in Wangen. Bei der Kontrolle muss Gruppenchef Jürg Allemann aus Dulliken auf seinem Kontrollblatt im Bereich Belüftung ein „K“ notieren – K für kritisch. Wo liegt das Problem? Die drei Zivilschützer – neben Allemann und Bleuer gehört auch Betreuer Michael Kamber aus Kappel zur Gruppe – fanden auf den ersten Blick einen intakten Raum vor, der von den Bewohnern auch als Lagerraum gebraucht wird, aber so, dass sich Panzertüren und Fenster noch schliessen lassen. „Da haben wir auch schon ganz anderes gesehen“, sagt Tobias Bleuer. „Jemand baute zum Beispiel einen Schrank um die geöffnete Panzertüre, damit es schöner aussieht.“ Diese Türe lässt sich dann natürlich nicht mehr schliessen. An solchen Beispielen merke man, dass viele Leute das Bewusstsein für die Funktion des Schutzraumes verloren hätten, so Bleuer. In der Tat hat der private Luftschutzkeller an Bedeutung verloren; bei Neubauten ist dieser für Einfamilienhäuser nicht mehr, jedoch für Wohngebäude mit mehr als 38 Zimmern nach wie vor obligatorisch. Trotzdem macht die Kontrolle des Zivilschutzes Sinn. Es geht um eine Bestandesaufnahme: Wie viele der existierenden Räume sind noch intakt und nutzbar? Die Mängel, die bei der Kontrolle entdeckt wurden werden den Eigentümern schriftlich mitgeteilt und diese sind angehalten, die Mängel, auch im eigenen Interesse innert sechs Monaten zu beheben.
Wenig Sinn würde das wahrscheinlich im erwähnten Wangner Schutzraum machen, wo das Problem erst auf den zweiten Blick zum Vorschein kommt. Die Zivilschützer wollen die Belüftungsfunktion des Raumes testen. Dazu müssen sie den Raum zuerst dichtmachen. Heisst: Panzertüre und Panzerdeckel schliessen, wozu als Erstes ein feinmaschiges Netz, dass die Hausbesitzer als Spinnenschutz beim Fluchtfenster montiert hatten, entfernt werden muss. Nachdem alle Öffnungen verschlossen wurden, nimmt sich Bleuer das Frischluft-Aggregat vor. Davon gibt es elektronische oder solche, die man Hand ankurbeln muss. Dieser hier muss von Hand angetrieben werden; es ist schliesslich auch ein ziemlich altes Modell. Wie vom Hausbesitzer zu erfahren ist, wurde die ganze Anlage 1968 gebaut. Und so verwundert es auch nicht, dass alles Kurbeln nichts nützt, dass keine Frischluft hineingepumpt werden kann, dass kein Überdruck entsteht – das Aggregat ist defekt. Gruppenchef Allemann notiert den Mangel in seiner Checkliste. „Ob es aber ersetzt wird, ist eine andere Frage“, sagt er. Die Kontrolle wird abgeschlossen, die Gruppe verabschiedet sich und macht sich auf – zum nächsten Schutzraum.