Am 28. März 2012 wurde von der SP-Fraktion folgender Vorstoss eingereicht:
„Der Stadtrat ergreift geeignete Massnahmen mit dem Ziel, die Stimm- und Wahlbeteiligung in Olten zu erhöhen. Zu prüfen sind insbesondere die Möglichkeiten des e-Voting, die Urnenöffnungszeiten, zusätzliche Wahl- und Abstimmungslokalstandorte und gezieltere Aufrufe, sich an den Wahlen und Abstimmungen zu beteiligen.
Begründung:
Eine lebendige Demokratie ist darauf angewiesen, dass sich die Stimmberechtigten beteiligen und ihre politischen Rechte nutzen. Seit Jahren ist es jedoch so, dass in Olten, wie auch an anderen Orten, die Stimm- und Wahlbeteiligung in der Regel deutlich unter 50% liegt. Bei den Stimmberechtigten unter 30 sank die Beteiligung in den letzten Jahren gar auf 25%. Vor diesem Hintergrund einer unbefriedigend tiefen Stimm- und Wahlbeteiligung hat der Oltner Stadtrat im Frühling 2010 beschlossen, die Urnenöffnungszeiten am Sonntag um eine halbe Stunde zu verkürzen (neu nur noch 10 – 11.30 Uhr statt bis 12 Uhr). Dies insbesondere deshalb, weil man dann früher mit dem Auszählen der Stimmen beginnen kann. Bereits zuvor wurden die zeitlichen und örtlichen Möglichkeiten für die direkte Stimmabgabe sukzessive beschränkt. Die Wahllokale in den Quartieren wurden von vier auf zwei reduziert und am Samstagmorgen ist nun nur noch das Lokal im Bifangschulhaus eine Stunde geöffnet. Dieser Abbau zielt unseres Erachtens in die falsche Richtung oder muss mindestens geeignet kompensiert werden. Die Möglichkeiten für die Stimmabgabe sind nicht zu beschränken, sondern im Gegenteil auszubauen und attraktiver zu machen. Wir sind als Behörde aufgerufen, geeignete Massnahmen zu ergreifen, damit die Abstimmungs- und Wahlbeteiligung wieder deutlich und dauerhaft steigt.
Es wäre zu prüfen, an welchen Standorten die Urnenöffnungszeiten am Sonntag wieder zu verlängern wären, weil erfahrungsgemäss doch viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger kurz vor 12 Uhr die Möglichkeit der direkten Stimmabgabe nutzten. Völlig unverständlich ist, weshalb der Abstimmungsbriefkasten am Sonntag nicht mehr bis um 12 Uhr verwendet werden kann. Zu prüfen ist auch, ob weitere auf die heutigen Bedürfnisse der Urnengänger abgestimmte Wahl- und Abstimmungslokalstandorte in den Quartieren oder dem Bahnhof zu eröffnen sind.
Zum Vergleich sei erwähnt, dass die Stadt Solothurn an zwei Standorten die Urnen am Sonntag von 10 – 12 Uhr offen hält und zusätzlich an einem Standort am Samstag von 9.30 – 12 Uhr. Die Stadt Aarau bietet von Freitag bis Sonntag an 6 verschiedenen Standorten Möglichkeiten für die direkte Stimmabgabe an. Städte wie Bern und Zürich bieten im Bahnhof ein Wahllokal an.
Verschiedene Gemeinden und Kantone haben erste erfolgreiche Erfahrungen mit e-Voting gemacht. Dies ist sicher ein probates Mittel, um die Stimm- und Wahlbeteiligung der jüngeren Bevölkerung wieder zu verbessern. Da die Kompetenz in dieser Frage beim Kanton liegt (Art. 91 bis GpR), sollte Olten den Kanton um eine Bewilligung ersuchen, einen Versuch zur elektronischen Wahl- und Stimmabgabe in Olten zuzulassen oder diesen mit dem Kanton zusammen unternehmen.
Neben den aufgestellten Tafeln „diese Woche Abstimmung“ sind zudem weitere Möglichkeiten zu prüfen, wie man die Bevölkerung – auch via neue Medien – an den Abstimmungstag erinnern kann.“
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Im Namen des Stadtrates beantwortet Stadtpräsident Ernst Zingg den Vorstoss wie folgt:
Der Stadtrat stimmt mit den Postulanten überein, dass eine Demokratie von der Beteiligung der Stimmberechtigten lebt. Dies hat er auch mit der Anwendung von Aktivierungsinstrumenten wie Mitwirkungsverfahren, Resonanzgruppen, Spezialkommissionen usw., bei denen sogar Kreise über die Stimmberechtigten hinaus beteiligt wurden und werden, schon mehrfach bewiesen. Zudem hat er seine Informationstätigkeit zu Abstimmungsvorlagen in den letzten Jahren intensiviert, unter anderem mit Flyern, Ausstellungen, Einsatz des Infowagens, Stadtrats-Stamm usw.
Nach Ansicht des Stadtrates ist die heutige Stimm- und Wahlbeteiligung, die im Übrigen in Olten im Vergleich hoch ist (Abstimmung ANDAARE vom 23. Oktober 2011: 49,3%, Abstimmung Volksinitiative Verkehrsfreie Innenstadt vom 13. Februar 2011: 50,8%, Abstimmungen Fusion und Innenstadt vom 17. Juni 2012: 50,04%), indessen weniger auf die Möglichkeiten der Stimmabgabe zurückzuführen als vielmehr auf eine auf allen staatlichen Ebenen festzustellende Politikverdrossenheit angesichts der zunehmenden Polarisierung in der Politlandschaft sowie auf den wachsenden Stellenwert der Partikularinteressen. Hier können auch die Parteien – gerade auch bei der Aktivierung von neuen Stimmberechtigten – eine wesentliche Rolle übernehmen.
Was die Möglichkeiten der Stimmabgabe angeht, erachtet der Stadtrat den Entscheid vom Frühling 2010 betreffend Öffnungszeiten der Wahl- und Stimmlokale weiterhin als wohl begründet. Zumal die Zahl der Stimmabgaben in den Oltner Wahl- und Stimmlokalen unverändert ist (zwischen 200 und 500, das heisst zwischen 4 und 9% der Stimmenden oder 2 und 4% der Stimmberechtigten).
Zu den einzelnen Argumenten der Postulanten ist Folgendes zu sagen:
- Die Samstagsöffnung im Bifang wurde aufrecht erhalten, da zum gleichen Zeitpunkt viele Oltnerinnen und Oltner den Bifangmarkt besuchen. Auf der linken Aareseite steht bis um Mitternacht vor dem Abstimmungssonntag der Briefkasten beim Stadthauseingang zur Verfügung.
- Wenn der Eindruck erweckt wird, dass punkto Einsatz des Briefkastens beim Stadthauseingang eine Reduktion stattgefunden habe, entspricht dies nicht der Realität: Eine Öffnung des Briefkasten beim Stadthauseingang am Sonntag bis um 12 Uhr ist schon seit vielen Jahren gesetzlich nicht zulässig: Laut § 79 Abs.1 des Gesetzes über die politischen Rechte vom 22. September 1996 (GpR, 113.111 BGS) sind die Zustellkuverts bei der brieflichen Stimmabgabe „bis zum letzten Samstag vor dem Wahl- oder Abstimmungstag der Gemeinde abzugeben“. In Olten wird dies im Gegensatz zu anderen Gemeinden bis zum letzten möglichen Moment ausgenützt, indem der Briefkasten um Mitternacht von der Stadtpolizei geleert wird.
- Es ist nicht einzusehen, weshalb die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die früher am Abstimmungssonntag kurz vor 12 Uhr ihr Stimmrecht wahrnahmen, dies nicht auch kurz vor halb 12 Uhr tun können. Die Schliessung um 11.30 Uhr dient dem raschen Auszählen, wie es von allen Seiten gefordert und erwartet wird.
- Wer die bisher erwähnten Möglichkeiten aus zeitlichen Gründen nicht anwenden kann, dem steht nach wie vor die briefliche Stimmabgabe per Post zur Verfügung.
Die Zukunft gehört indessen – neben der brieflichen Stimmabgabe – sicher dem e-Voting. Hier liegt die Kompetenz – wie von den Postulanten richtig festgestellt – bei den kantonalen Instanzen. In seiner Antwort auf den vom Kantonsrat erheblich erklärten Auftrag Fabian Müller (SP, Balsthal) betreffend Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die definitive Einführung von e-Voting vom November 2011 hat der Regierungsrat erklärt, in einem Pilotprojekt, befristet bis Ende 2012, könnten alle im Kanton Solothurn registrierten und in einem EU- oder Mitgliedstaat des Wassenaar-Abkommens wohnenden Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ihre Stimme elektronisch abgeben. Bereits bei der zweiten Abstimmung habe fast jeder Fünfte der zugelassenen Stimmberechtigten seine Stimme elektronisch abgegeben. Über eine Weiterführung und allfällige Ausweitung auf alle Stimmberechtigten im Kanton werde erst nach der Auswertung im Jahr 2012 entschieden. Bei einem positiven Auswertungsergebnis sei geplant, das Projekt in Absprache mit dem Bund und den Konsortiumskantonen weiterzuführen. Mit einem schrittweisen und kontrollierten Ausbau könne im Rahmen eines zweiten Pilotprojektes ab 2014 auch den Solothurner Stimmberechtigten die Möglichkeit eröffnet werden, elektronisch abzustimmen.
Die Weiterentwicklung von e-Voting sei aber nicht so schnell und ohne weiteres möglich, machte der Regierungsrat geltend. Im Hinblick auf einen schrittweisen und kontrollierten Ausbau seien einige Anpassungen in den Informatiksystemen und in der Organisation vorzunehmen. So werde eine elektronische Schnittstelle benötigt, um die elektronisch eingegangenen Stimmen im e-Voting-System in das Wahl- und Abstimmungssystem WABSTI einfliessen zu lassen. Zurzeit müssten die Wahlbüros die elektronisch eingegangenen Stimmen manuell zu den brieflich und den an der Urne abgegebenen Stimmen hinzu addieren. Für einen Einbezug aller Stimmberechtigten im Kanton müssten zudem die Stimmregister der Gemeinden harmonisiert und in einer Datenbank zusammengefügt werden. Für die Durchführung der kommunalen Wahlen und Abstimmungen sei den Gemeinden ebenfalls Zugang zum e-Voting-System zu gewähren. Neben den Investitionskosten für den Ausbau der Informatiksysteme entstünden Betriebs- und Wartungskosten sowie Kosten für den Druck der Stimmrechtsausweise (mit Sicherheitssiegel). Für die definitive Einführung von e-Voting müssten daher auch die benötigten finanziellen Mittel zuerst bereit gestellt werden.
Die e-Voting-Versuche mit den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern hätten die Anforderungen und Erwartungen von Bund und Kanton indessen bisher vollständig erfüllt, erklärte der Regierungsrat. Er sei überzeugt, dass sich die elektronische Stimmabgabe neben den bisherigen konventionellen Wegen in Zukunft etablieren werde. Der Stadtrat ist gleicher Meinung, sieht aber nicht nur keinen Nutzen, sondern auch gar keine Möglichkeit, sich über die vom Kanton vorgegebene Roadmap hinwegzusetzen. Die Stadtkanzlei hat jedoch schon vor längerer Zeit ihr grosses Interesse bei der Staatskanzlei angemeldet, an allfälligen Pilotversuchen teilnehmen zu können, und hat dies Mitte August 2012 aufgrund der Publikation seiner E-Government-Strategie durch den Kanton (vgl. Beilage) erneuert.
Zweifellos können und müssen in der Zwischenzeit auch die neuen Medien benutzt werden, um an Abstimmungstermine zu erinnern.
Im Sinne der obenstehenden Erwägungen empfiehlt der Stadtrat dem Gemeindeparlament das Postulat zu überweisen, aber gleichzeitig abzuschreiben, da die Prüfung der geforderten Massnahmen stattgefunden hat und die erforderlichen Schritte eingeleitet sind.