Am 28. Juni 2012 wurde diese Interpellation eingereicht.
In der Stadt Olten ist die Sozialhilfequote mittlerweile so hoch, dass wir diesbezüglich im Kanton Solothurn an der Spitze liegen. Die steigenden Kosten bei der gesetzlichen Sozialhilfe belasten zunehmend die Steuerzahler. Eine Trendwende ist nicht absehbar. Im Gegenteil: Die Kosten steigen Jahr für Jahr weiter an – und zwar massiv.
Gleichzeitig gelangen seit geraumer Zeit schweizweit fast wöchentlich Fälle von Sozialhilfe- missbrauch an die Öffentlichkeit. Viele Gemeinden haben deshalb ihre Missbrauchs- bekämpfung in der Sozialhilfe verstärkt und konnten in den letzten Wochen und Monaten vermelden, dass ihre diesbezüglichen Massnahmen greifen. So haben sich bspw. in der Stadt Zürich im vergangenen Jahr die zur Anklage gebrachten Fälle von Sozialhilfebetrug im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Seit 2009 hat sich diese Zahl gar mehr als verdreifacht. Laut Walter Schmid, Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, widerspiegelt das Beispiel von Zürich einen nationalen Trend.
Sicher ist, dass Sozialhilfemissbrauch auch in Olten vorkommt. Unklar hingegen ist, ob dagegen konsequent vorgegangen wird und, falls ja, ob die Massnahmen zur Missbrauchs- bekämpfung in Olten Erfolge zeitigen. Vor diesem Hintergrund wird der Stadtrat um die Be- antwortung folgender Fragen ersucht:
1. Wie viele Fälle von Sozialhilfemissbrauch wurden in Olten in den Jahren 2009, 2010 und 2011 aufgedeckt (einzeln aufgeschlüsselt), wie viele davon zur Anzeige gebracht?
2. Wie hoch schätzt der Stadtrat die Dunkelziffer im Bereich des Sozialhilfemissbrauchs in Olten im Vergleich zu anderen Städten, die trotz intensiveren Kontrollen eine steigende Anzahl von Betrugsfällen verzeichnen?
3. Wie beurteilt der Stadtrat die Massnahmen zur Missbrauchsbekämpfung in Olten? Besteht die Absicht, die Missbrauchsbekämpfung in der Sozialhilfe zu verstärken? Wenn ja, wie? Wenn nein, macht der Stadtrat Umstände geltend, die ihn daran hindern, mit wirksameren Massnahmen gegen den Sozialhilfemissbrauch vorzu- gehen?
4. Gibt es eine zentrale Anlauf- und Koordinationsstelle für Meldungen und Hinweise aus der Bevölkerung? Wenn ja, wo? Wenn nein, wieso nicht?
5. Welche konkreten Massnahmen gedenkt der Stadtrat ganz grundsätzlich zu ergreifen, um die ohnehin schon sehr hohen Ausgaben im Zusammenhang mit der gesetzlichen Sozialhilfe in den nächsten Jahren nicht weiter massiv ansteigen zu lassen?
Begründung: Im Vorstosstext enthalten
Unter Sozialhilfemissbrauch wird das unrechtmässige Beziehen von gesetzlich geregelten Sozialleistungen, die für bedürftige Personen vorgesehen sind, verstanden.
* * * * * *
Für den Stadtrat beantwortet Stadtrat Peter Schafer die Interpellation wie folgt:
Grundsätzliches
Der Interpellant weist auf die Sozialhilfequote hin. Diese sei mittlerweile so hoch, dass Olten im Kanton eine „Spitzenstellung“ einnehme. Die Einwohnergemeinde Olten hat seit jeher die höchsten Sozialhilfefallzahlen und auch die höchsten Kosten in diesem Bereich im Kanton. Das ist nichts Neues. Das Amt für soziale Sicherheit des Kantons Solothurn liess die Frage des Weshalb durch die Firma ECOPLAN abklären: Ob auf Grund der soziodemographischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten vor Ort die Kosten der Sozialregionen erklärbar seien. Auf Grund der Faktoren 1. Arbeitslosenquote, 2. Langzeitarbeitslose, 3. Ausländerquote, 4. EL-Quote und 5. Leerwohnungsquote wurden geschätzte und effektive Pro-Kopf-Kosten der Sozialhilfe gerechnet. Mit einem einzigen Ausrutscher (Sozialregion Untergäu bei einem Betreff) lagen alle Sozialregionen innerhalb einer statistischen Bandbreite von 30%. Das heisst konkret: Die Höhe der Sozialhilfefälle ist ein Abbild der wirtschaftlichen Befindlichkeit der Bevölkerung. Denn hinter jedem „Fall“ stehen Menschen! Dieses Abbild ist zu akzeptieren, denn die Bevölkerung kann man nicht einfach auswechseln. Die Schluss- folgerung lautet daher, in der Einwohnergemeinde Olten leben und wohnen überdurch- schnittlich viele wirtschaftlich schwach gestellte Menschen. Im kommenden Sozialbericht des Kantons soll dezidiert auch auf diese Problematik eingegangen werden, um Vergleiche im Kanton zu ermöglichen und erklären zu können.
Der Interpellant schreibt, seit geraumer Zeit würden schweizweit fast wöchentlich Fälle von Sozialhilfemissbrauch an die Öffentlichkeit gebracht. Unsere Wahrnehmung von Meldungen über Sozialhilfemissbrauch geht genau in die andere Richtung, das Thema ist für die Medien nicht mehr von Interesse. Das Problem soll nichts desto trotz objektiv angegangen werden, denn Betrug wird auch in Olten im Sozialhilfebereich nicht geduldet! Es ist aber auch von seinem Stellenwert und von der Dimension her in einen sachlichen und vernünftigen Zusammenhang zu bringen. Bei Sozialhilfemissbrauch handelt es sich um Verstösse mit Tätern, welche in der Regel ungebildet sind. Sie haben meist auch einen anderen kulturellen Hintergrund und die Deliktsummen sind in Olten äusserst begrenzt.
Der Interpellant schreibt, sicher sei, dass Sozialhilfemissbrauch auch in Olten vorkomme. Unklar hingegen sei, ob dagegen konsequent vorgegangen werde, falls ja ob die Missbrauchsbekämpfung in Olten Erfolge zeitige. Mit Beschluss vom 23. Mai 2005 hatte der Stadtrat eine einjährige Pilotphase für die Zusammenarbeit mit der Firma SoWatch, Überprüfungsdienst gegen Sozialhilfemissbrauch, bewilligt. Am 26.03.2007 nahm die Sozialdirektion zum Thema Stellung. Die Zusammenarbeit mit SoWatch (mit jährlichen Kostenpauschalen) wurde durch auf kantonale Rechtsprechung gestützte Einzelaufträge an Detekteien (mit Kosten pro Einsatzstunde) abgelöst. Seither besteht in der Sozialregion Olten die Regelung, dass bei Verdacht auf Missbrauch die zuständige Sozialarbeiterin bzw. der zuständige Sozialarbeiter die Leitung Sozialamt informiert, diese Abklärungen trifft und die Sozialkommission informiert. Die Sozialkommission entscheidet über Massnahmen und Strafanträge.
Zu den einzelnen Fragen:
Wie viele Fälle von Sozialhilfemissbrauch wurden in Olten in den Jahren 2009, 2010 und 2011 aufgedeckt (einzeln aufgeschlüsselt), wie viele davon zur Anzeige gebracht?
Pro Jahr werden vom Sozialamt der Sozialregion Olten 3 bis 5 Strafanzeigen eingereicht. Im Jahre 2011 reichte das Sozialamt sogar 6 Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft ein.
Hinzu kommen diverse Rückforderungsvereinbarungen, welche mit Klienten getroffen wurden. Bei diesen wäre eine Strafanzeige wenig sinnvoll gewesen; wegen fehlenden Indizien, offensichtlichen Missverständnissen oder wenn es sich um sehr kleine Summen handelt, welche zu viel bezogen wurden.
Nicht vergessen werden dürfen die behördlichen Weisungen und Sanktionen, wie die Kürz- ungen und Einstellungen der Sozialhilfe:
2009 2010 2011
Kürzungen der Sozialhilfe 34 22 38
Einstellungen der Sozialhilfe 5 12 19
Anhörungen durch Vertretungen 12 26 27
Weitere behördliche Weisungen 8 5 4
Total behördliche Weisungen 59 65 88
In diesen Bereich gehören auch die Weisungen des Sozialamtes:
Weisungen zu Arbeitsantritt in Projekte 23 22 61
Sonstige Weisungen 54 84 36
Total Weisungen Sozialamt 97 106 97
Wie hoch schätzt der Stadtrat die Dunkelziffer im Bereich des Sozialhilfemissbrauchs in Olten im Vergleich zu anderen Städten, die trotz intensiveren Kontrollen eine steigende Anzahl von Betrugsfällen verzeichnen?
Eine solche Quote zu nennen wäre an die Voraussetzung gebunden, eine einheitliche Definition zu Grunde zu legen. Wir verweisen dazu auf das Positionspapier der Sozialdirektion vom 26.03.2007. Ausgehend von der darin enthaltenen Definition nennen wir eine Quote von 1 bis 3 Prozent.
Wie beurteilt der Stadtrat die Massnahmen zur Missbrauchsbekämpfung in Olten? Besteht die Absicht, die Missbrauchsbekämpfung in der Sozialhilfe zu verstärken? Wenn ja, wie? Wenn nein, macht der Stadtrat Umstände geltend, die ihn daran hindern, mit wirksameren Massnahmen gegen den Sozialhilfemissbrauch vorzugehen?
Die Sozialregion plant, das Intake (Fallaufnahme) des Sozialamtes zu verstärken, zu konzentrieren und mit den notwendigen Ressourcen auszustatten. Mit der Bildung einer Intake-Gruppe wird das Intake professionalisiert. Dies ermöglicht eine noch bessere Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche, eine klarere Prüfung der Zuständigkeit, Kontrollen vor Ort und damit Ver- hinderung von Missbrauch. Die Intake-Gruppe ist der erste und wichtigste Baustein der Missbrauchsbekämpfung.
Die Sozialregion plant, das Sozialamt mit den notwendigen und gemäss kantonalem Stellenschlüssel ausgewiesenen Ressourcen auszustatten. Dadurch erhalten die Mitarbeitenden die Möglichkeit, die Fälle inhaltlich zu bearbeiten und Zuweisungen in Arbeitseinsatzprogramme vorzunehmen. Solche Zuweisungen sind der zweitwichtigste Baustein der Missbrauchsbekämpfung. Wer an einem Arbeitseinsatzprogramm teilnimmt kann nicht gleichzeitig anderes Einkommen erzielen.
Die Sozialregion wird weiterhin in Einzelfällen Kürzungen beschliessen, Leistungen einstellen und Strafanträge einreichen. Nach Absprache mit der Sozialkommission wird bei erwiesenem Missbrauch konsequent Strafanzeige eingereicht. Dies ist der dritte Baustein der Missbrauchsbekämpfung.
Der Stadtrat erachtet diese drei Bausteine als geeignet und wirksam und unterstützt die Sozialregion in ihren Bemühungen. Der Stadtrat weist darauf hin, dass kantonale Bestrebungen in Bezug auf interne Kontrollen, Befristung von Leistungen und Sozial- detektive im Gang sind, die vom Stadtrat in Zukunft unterstützt und von der Sozialregion umgesetzt werden.
Gibt es eine zentrale Anlauf- und Koordinationsstelle für Meldungen und Hinweise aus der Bevölkerung? Wenn ja, wo? Wenn nein, wieso nicht?
Die Sozialregion nimmt Meldungen und Hinweise persönlich, telefonisch, als E-Mail oder schriftlich jederzeit entgegen.
Welche konkreten Massnahmen gedenkt der Stadtrat ganz grundsätzlich zu ergreifen, um die ohnehin schon sehr hohen Ausgaben im Zusammenhang mit der gesetzlichen Sozialhilfe in den nächsten Jahren nicht weiter massiv ansteigen zu lassen?
Der Stadtrat unterstützt die Sozialregion beim Aufbau der Intake-Gruppe. Der Stadtrat unterstützt die Sozialregion im Bestreben, die Fälle intensiv zu betreuen, was nur mit genügend Personal möglich ist. Eine Analyse der Fallaufnahmedaten zeigt, dass 82% der Fälle vor weniger als 5 Jahren aufgenommen worden sind. D.h. innerhalb von 5 Jahren werden über 80% der Unterstützungseinheiten wieder abgelöst. Eine Analyse der Sozialhilfeleistungen zeigt, dass die Sozialkommission die Leistungen im kleinen einstelligen Prozentbereich beeinflussen kann. Die übrigen Ausgaben sind gesetzlich gegeben bzw. sind im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes beschlossen worden. Für mehr Information verweisen wir auf den Bericht und Antrag an das Gemeindeparlament im Zusammenhang mit dem Bericht und Antrag des Stadtrates für zusätzliche Stellen in der Sozialregion (Budget 2013).
Die Steuergrössen im Bereich der wirtschaftlichen Sozialhilfe liegen auf der Ebene des Kantons, welcher die Unterstützungsleistungen definiert (in der Regel Verweis auf SKOS), welcher als Beschwerdeinstanz die Erbringung der Leistungen durchsetzt und welcher die weiteren gesetzlichen Rahmenbedingungen definiert. Darüber hinaus verfolgt und prüft die Sozialregion sämtliche Neuerungen und Vorschläge der Städteinitiative, welche die operativen Kräfte in diesem Bereich bündeln.
Weder kann die Sozialregion unterstützungsbedürftige Menschen wegweisen noch kann sie Kindern die notwendigen Massnahmen im Kindesschutz oder Erwachsenen im Erwachsenenschutz verweigern. Die Unterstützungsleistungen sind anständig zu erbringen. Der Kindes- und Erwachsenenschutz ist nach heute geltenden Normen zu erbringen. Vor Eintritt der Unterstützungsbedürftigkeit und vor der Feststellung einer Gefährdung leben die später betroffenen Menschen unabhängig von der Sozialregion. Einzelne Gemeinden versuchen, mit einer Hochpreispolitik im Wohnbereich sozialhilfeabhängige Personen und gefährdete Personen fern zu halten. Bis anhin ist dies nicht die Politik des Stadtrates. Hier besteht eine gesamtgesellschaftliche Mitverantwortung bei der Entstehung der Notsituationen. Die durch den Lastenausgleich erreichte Solidarität im Kanton Solothurn anzugreifen wäre gefährlich. Auf die Sozialregion Olten mit dem Finger zu zeigen ist genau so falsch. Letztlich findet eine Migrationsbewegung in städtische, verkehrstechnisch gut gelegene, die Anonymität besser gewährleistende Gebiete mit kostengünstigen Wohnmöglichkeiten statt. Dies zeigt auch der nationale Trend. Die Möglichkeit, in die Stadt Olten zu ziehen und wirtschaftliche Leistungen zu beantragen wird erst dadurch gegeben, dass ein Vermieter oder eine Vermieterin ein Wohnobjekt vermietet und einen Vertrag abschliesst. Bis anhin gibt es keine Steuermöglichkeit, solche Vertragsabschlüsse zu verhindern. Auch unterstützungsbedürftige und gefährdete Menschen haben die Niederlassungsfreiheit.