Sehr geehrte Frau Präsidentin
Sehr geehrte Damen und Herren
Der Stadtrat unterbreitet Ihnen den folgenden Bericht und Antrag:
1. Ausgangslage
Der Stadtrat unterbreitete dem Gemeindeparlament am 20.09.2012 eine erste Vorlage. Das Parlament trat auf die Vorlage ein, wies diese aber wieder an den Stadtrat zur Überarbeitung zurück.
Die Vorlage bestand aus zwei Teilen: Einem technischen Teil, Anwendung des Stellenschlüssels, und einem sozialpolitischen Teil, Begründung der Fallkosten. Der erste, technische Teil, wurde nüchtern beurteilt und als notwendig erachtet. Zu Kritik Anlass gab der zweite, sozialpolitische Teil.
Im folgenden Abschnitt werden deshalb der technische und der sozialpolitische Teil separat abgehandelt.
2. Technischer Teil: Anwendung des kantonalen Stellenschlüssels
Für die Fallführung stehen der Sozialregion Olten folgende Stellen zur Verfügung:
Stellen davon befristet
Sozialarbeit 11.6 1.5
Sachbearbeitung 7 0
Total 18.6 1.5
Die Anwendung des kantonalen Stellenschlüssels ergibt einen Soll-Bestand von 22.70 Stellen. Gemäss politischer Vorgabe ist die vom kantonalen Amt für soziale Sicherheit tolerierte Abweichung von 10% vom Soll-Bestand abzuziehen. Dies ergibt eine Untergrenze von 20.43 Stellen.
Mit dem Ersatz der 1.5 befristeten Stellen durch 1.5 unbefristete und der Bewilligung von zwei zusätzlichen Stellen wird der Ist-Bestand auf 20.6 erhöht. Der Ist-Bestand liegt damit innerhalb des Toleranzbereiches von 20.43 (tolerierte Untergrenze) und 22.70 (Soll-Bestand).
3. Sozialpolitischer Teil: Fallbestand und Fallkosten
Die Kosten pro Fall nach Sozialregion werden in der ECOPLAN Studie wie folgt ausgewiesen:
Die Sozialhilfekosten pro Kopf und Sozialregion werden in der ECOPLAN Studie wie folgt ausgewiesen:
Zur Beurteilung und Erklärung der unterschiedlichen Sozialhilfekosten pro Kopf (der Bevölkerung) und pro Sozialregion berücksichtigt ECOPLAN hypothetisch die folgenden Rahmenbedingungen (Variablen):
ECOPLAN zieht folgendes Fazit:
Die ausführliche vom VSEG in Auftrag gegebene Studie ECOPLAN kommt somit zum klaren Schluss, die hohen Fallzahlen, welche für die hohen Sozialhilfekosten pro Kopf (der Bevölkerung) in der Sozialregion Olten verantwortlich sind, seien durch die Rahmenbedingungen erklärbar.
Es bleibt die Frage offen, weshalb in Olten die oben beschriebenen Rahmenbedingungen herrschen. Folgende Punkte sind dabei zu berücksichtigen:
- Geographische Lage / Wirtschaftsraum / Verkehrstechnische Lage
- Verdrängungseffekt aus Sozialräumen Zürich, Bern, Basel, u.a.
- Anonymität im städtischen Raum
- Günstiger Wohnraum / schlecht gepflegte Liegenschaften / Liegenschaften an schlechter Lage
- Zuzug aus benachbarten Sozialregionen: Die Sozialregion Olten weist in der
BFS-Sozialhilfestatistik 2010 im Abschnitt „Hauptgrund der Beendigung“ unter dem Stichwort „Beendigung der Zuständigkeit“ eine Quote von 31.9% aus, die Sozialregion Unteres Niederamt eine solche von 50.4%. Das kantonale Mittel beträgt 31.6%. Diese Auffälligkeit müsste von der Sozialregion Unteres Niederamt begründet werden, die offenbar sehr viele Fälle aus Zuständigkeitsgründen „abgeben“ kann. Die Fälle müssen andernorts übernommen und geführt werden.
Frau Dr. Claudia Hänzi vom Amt für soziale Sicherheit des Kantons Solothurn, ASO, nimmt zu den Kosten wie folgt Stellung:
Gerne stelle ich Ihnen nachfolgend Erklärungsansätze für die Kostenentwicklung in der Sozialregion Olten zusammen. Dafür habe ich die Kosten der Sozialregion Olten im Vergleich mit anderen Sozialregionen analysiert. Zu den einzelnen Punkten:
1. Kosten pro Kopf: Mitunter wird politisch ins Feld geführt, dass die Sozialregion Olten mit Sozialhilfekosten pro Kopf von CHF 705.— (2011) fast doppelt so hoch liege, wie die Stadt Solothurn mit CHF 378.— (2011).
Erklärungen findet man beim Studium der aktuellen Sozialhilfestatistik bzw. beim vor die Augen Führen, was mit diesen Pro-Kopf-Kosten gemeint ist. Diese Zahl von CHF 705.-- bzw. 378.— ergibt sich aus der Formel: im Lastenausgleich abgerechnete Kosten durch Bevölkerungszahl; stellt also die effektive Sozialhilfekostenlast pro Einwohner innerhalb der Sozialregion dar und nicht etwa die Pro-Kopf-Kosten bezogen auf die Anzahl Sozialhilfebezüger. Entsprechend interessant wird hier ein Heranziehen der aktuellen Sozialhilfequote. Die Sozialhilfequote berechnet sich ja aus dem Anteil der Sozialhilfeempfänger/-innen zur gesamten Bevölkerung. Die neusten Zahlen (2011) zeigen, dass Olten hier im Vergleich zu Solothurn mit einer Quote von 6.6 auch fast doppelt so hoch liegt wie Solothurn mit einer Quote von 3.7. Wer gemessen an der Gesamtbevölkerung fast doppelt so viele Personen unterstützten muss, weist logischerweise auch fast doppelt so hohe Pro-Kopf-Werte aus. Wäre dies nicht so, müsste in Frage gestellt werden, ob die Sozialregion Olten ihren gesetzlichen Pflichten nachlebt.
Warum nun die Quote so hoch liegt, dafür gibt es verschiedene Erklärungsansätze. In einer ersten Linie zeigt die Erfahrung, dass arme Bevölkerungsschichten seit langem die Anonymität städtischer Verhältnisse dem Leben auf dem Land vorziehen. Dies hat vor allem mit der Furcht vor Stigmatisierung zu tun. Dazu kommt, dass günstiger Wohnraum in ländlichen Verhältnissen mit hoher Dichte an Einfamilienhäusern nicht so leicht erhältlich ist. Zeigt sich zudem noch ein attraktiver Leerwohnungsbestand, ist ein Zuzug von Bevölkerungsschichten in schwachen wirtschaftlichen Verhältnissen sicher. Weiter liegt gerade Olten geographisch speziell. Olten liegt zwischen zwei wirtschaftlichen Boom-Zentren, nämlich Basel und Zürich. In beiden Zentren wird der Wohnraum auch in den umliegenden Agglomerationen mehr und mehr unbezahlbar. Die ersten, welche einen solchen Trend zu spüren bekommen, sind die ärmeren Bevölkerungsschichten. Sie werden an die Peripherie und somit nach Olten gedrängt. Nicht zuletzt dürfte in Olten aber auch historische Komponenten sowie die Qualität als Verkehrsknotenpunkt eine gewisse Rolle spielen. Letzteres ist insbesondere für Personen attraktiv, welche physisch eingeschränkt sind. Weniger problematisch dürfte hier das soziale Angebot sein, denn hier ist Olten sicherlich mit anderen Agglomerationen vergleichbar oder sogar eher knapp bemessen.
2. Fallkosten: Unter den Fallkosten sind die durchschnittlichen Kosten pro Fall / Dossier zu verstehen, wobei die Gesamtkosten auf die Anzahl vorhandene, aktive SH-Fälle verteilt werden. Die Statistik zeigt, dass Olten im Vergleich mit anderen Sozialregionen relativ hohe Fallkosten hat. Die oben angeführte Erklärung ist nicht tauglich, um Gründe für die hohen Fallkosten zu finden. Statistisch betrachtet kann hier nur argumentiert werden, dass in städtischen Gebieten in der Tendenz mehr 1-Personen-Haushalte zu unterstützen sind, als Mehr-Personen-Haushalte. Dies hat bei den Fallkosten generell eine leicht kostenerhöhende Wirkung, weil die Unterstützungsansätze beim Grundbedarf degressiv sind und auch die Wohnkosten im Schnitt höher ausfallen. Ich habe aber keine Daten darüber, wie die genaue Verteilung bei den Haushaltformen in Olten ist. Das wäre wohl noch zu recherchieren.
Um individuelle Erklärungsansätzen zu finden, hilft hier nur weiter, wenn beim Vergleich mit anderen Sozialregionen gewisse Kostenbestandteile rausgenommen werden, von denen anhand der Voranalyse vermutet werden muss, sie könnten kostentreiben sein. Die Anlage der vorgenommenen Analyse sieht wie folgt aus:
• In einem ersten Schritt habe ich eine Auswahl von Sozialregionen getroffen, die mit Olten verglichen werden sollten. Aufgedrängt haben sich da die Stadt Solothurn und Zuchwil-Luterbach als eher städtisch geprägte Zentren. Grenchen konnte nicht hinzugezogen werden. Diese Sozialregion rechnet noch nicht nach dem Bruttoprinzip ab, was zu statistischen Verschiebungen führt. Darüber hinaus habe ich die Sozialregion Thal-Gäu miteinbezogen, weil sie einerseits zu den grössten gehört und nach unserem Dafürhalten ebenfalls über eine auffällige Kostenstruktur verfügt. Weiter habe ich den SD-MUL als Vertreter eher ländlicher Gemeinden hineingenommen und Wasseramt Ost mit einer auffallend günstigen Kostenverteilung. Zu guter Letzt habe ich noch Dornach miteinbezogen, weil nahe bei Basel und zudem durchschnittlich sowie mehrheitlich unauffällig.
• Es folgte eine tabellarische Aufteilung nach Kostenarten und zwar dargestellt pro Fall sowie pro Kopf, wobei Letzteres nicht gemessen an der Gesamtbevölkerung sondern gemessen an der Anzahl unterstützter Personen ist.
• In einem weiteren Schritt sind die Abweichungen von Olten von den durchschnittlichen Kosten dargestellt. Dabei wurde der Durchschnittswert jeweils ohne Olten berechnet, damit die Abweichung allenfalls noch deutlicher hervortritt. Diese Darstellung gab dann die Möglichkeit, die „neuralgischen“ Kostenbestanteile zu identifizieren (gelb hinterlegt).
• In einem nächsten Schritt wurden die Kosten um die Kostenbestandteile Gesundheitskosten, Zahnarztkosten, Gestehungskosten, stationärer Aufenthalt und Fremdplatzierungen (alle „neuralgisch“) bereinigt. Diese wurden also aus der Gesamtrechnung eliminiert.
• Dieser bereinigte Vergleich erfolgte einmal pro Kopf und einmal pro Fall.
Betrachtet man nun die Resultate, fällt auf, dass Olten gerade im Vergleich zu Solothurn nicht mehr wirklich hervorsticht. Selbstverständlich ist es so, dass eine Stadt niemals eine so günstige Kostenstruktur haben kann wie ein ländlich geprägter Sozialdienst, dies allein wegen der Mieten, aber auch wegen des Anfalls verschiedener Fälle mit multikomplexen Problemlagen. Wichtig ist aber, dass in der Gesamtrechnung Olten hier nicht mehr wirklich auffällt. Zudem liefert der Vergleich bzw. die Bereinigung Erklärungen:
• Die Fremdplatzierungen, die stationären Aufenthalte sowie die Gestehungskosten (Integrationsprogramme) sind kostentreibend. Alle drei Komponenten sind aber wenig, bzw. nicht sinnvollerweise nach unten korrigierbar. Fremdplatzierungen werden durch die Vormundschaftsbehörde angeordnet; hier kann nur noch darauf geschaut werden, dass nicht die teuerste Institution genommen wird. Der Eintritt in eine Suchtanstalt ist grundsätzlich begrüssenswert bzw. in einzelnen Fällen sogar durch Art. 12 BV geschützt. Zudem kann der SD nichts dafür, dass Olten für Suchtmittelabhängige Personen attraktiv zu sein scheint. Der Vorwurf, man sei zu teuer, weil man die Leute in ein Integrationsprogramm schickt, steht zudem quer in der Landschaft. Hier kann man allerhöchstens politisch argumentieren bzw. entscheiden, ob man Integration möchte oder nicht.
• Aus meiner Sicht näher überprüft werden sollten aber die Gesundheits- kosten inkl. Zahnarzt. Zwar ist nachvollziehbar (auch basierend auf der Ecoplanstudie), dass Populationen mit einem offenbar hohen Anteil an invaliden Personen bzw. vor allem Personen, die mittelfristig eine Invalidenrente zugesprochen erhalten könnten, auch mehr Gesundheitskosten verursachen. Sicherlich nicht zu unterschätzten ist hier auch der hohe Anteil an Flüchtlingen und Personen mit vorläufiger Aufnahme. Denn die Erfahrung zeigt, dass diese Personen einen durchschnittlich schlechteren Gesundheitszustand zeigen, also auch mehr medizinische Leistungen benötigen. Trotzdem erscheint mir hier die Kostenstruktur von Olten schon auffallend. Hier würde ich eine vertiefte Analyse insbesondere auch der Prozesse vorschlagen.
• Die Analyse sagt nichts zu den Einnahmen bzw. liefert keine Aussage dazu, ob sich diese noch steigern liessen.
Ergänzend zu den von Frau Dr. Hänzi aufgeführten Punkten kann folgendes festgehalten werden:
Das von Frau Dr. Hänzi unter Ziffer 2 aufgeführte Argument, 1-Personen-Haushalte seien im städtischen Umfeld häufiger und würden zu höheren Kosten führen, lässt sich auf Grund der BFS-Statistik erhärten: Von den unterstützten Personen leben in der Sozialregion Olten 41.7% in Einzelhaushalten. Das kantonale Mittel liegt bei 31.7%. In der Sozialregion Unteres Niederamt liegt diese Quote bei 29.6%.
Frau Dr. Hänzi führt unter Ziffer 2 auf, Fremdplatzierungen, stationäre Aufenthalte und Gestehungskosten (Integrationsprogramme) seien kostentreibend. Fremdplatzierungen und stationäre Aufenthalte werden aber übergeordnet von den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden KESB (ab 01.01.2013 kantonale Behörden, bisher Vormundschaftsbehöden) beschlossen und sind vom Sozialamt nicht beeinflussbar.
Frau Dr. Hänzi führt unter Ziffer 2 auf, Differenzen bei den Gesundheits- und Zahnarztkosten seien näher zu überprüfen. Die Gesundheitskosten machen 7%, die Zahnarztkosten 1% der ausbezahlten Sozialhilfeleistungen aus. Über allfällige nicht gesetzlich vorgeschriebene Kostenübernahmen in diesen Bereichen entscheidet die vom Gemeindeparlament gewählte Sozialkommission. Das Sozialamt wird die Sozialkommission entsprechend informieren, Anträge in diesen Bereichen seien künftig noch kritischer zu beurteilen.
4. Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Je 100 anrechenbare Fälle entsprechen 100 Stellen-% Sozialarbeit und 25 Stellen-% Sachbearbeitung. Dafür wird ein Beitrag von 150'000 Franken geleistet. Für die Sozialregion entstehen somit keine zusätzlichen Lohnkosten, wenn eine Stelle besetzt wird. Es werden aber auch keine Lohnkosten eingespart, wenn eine Stelle nicht besetzt wird, da ein Lastenausgleichsbeitrag in derselben Höhe wegfällt.
Problematisch für die Sozialregion ist allerdings, dass – Frau Dr. Claudia Hänzi vom ASO hat dies im Gespräch bereits angedeutet – die Voraussetzungen zur Bewilligung des Stellenplans der Sozialregion durch das ASO nicht mehr gegeben wären, wenn die Stellen nicht besetzt würden. Ein Ausschluss aus dem Lastenausgleich für die Kosten der Sozialadministration hätte ein Schadenspotential von Fr. 2‘724‘000.-- (vgl. Budget Sozialregion Olten, 584.462.01).
Werden die Stellen nicht besetzt, können nicht mehr alle von den neuen kantonalen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden KESB angeordneten Mandate von der Sozialregion geführt werden. Die KESB wird Dritte auf Kosten der Sozialregion mit der Mandatsführung betrauen. Pro 20 extern geführte Fälle ist mit Kosten von ca. Fr. 100‘000.-- zu rechnen.
Werden die Stellen nicht besetzt, kann auch das Sozialamt seine Fälle nicht mehr alle in der geforderten Qualität bearbeiten. Fehler bewirken auch hier einen (Teil-) Ausschluss aus dem Lastenausgleich. Das Schadenspotential im Bereich der gesetzlichen Sozialhilfe beträgt Fr. 11‘000‘000.-- (vgl. Budget Sozialregion Olten, 582.462.01).
Gesamthaft betrachtet ist es für die Sozialregion und damit auch für die Einwohnergemeinde Olten vorteilhaft, sich im Regelwerk der auf kantonaler Ebene gesetzten Anreize an der unteren Grenze der vom kantonalen Stellenschlüssel definierten Bandbreite zu orientieren. Abweichungen nach unten führen zu den oben angedeuteten Mehrkosten. Abweichungen nach oben führen ebenfalls zu Mehrkosten, allerdings ohne das oben beschriebene Schadenspotential.
5. Realisierung
Umwandlung der 1.5 befristeten Stellen in unbefristete. Besetzung von zwei zusätzlichen Stellen.
6. Stellungnahmen
Die Vormundschaftsbehörde und Sozialkommission der Sozialregion Olten empfiehlt die Zustimmung zu diesem aus fachlicher Sicht zwingenden Geschäft.
Beschlussesantrag:
1. 1.5 befristet besetzte Stellen werden per 01.01.2013 in unbefristete Stellen (Sachbearbeitung LK 10/11 oder Sozialarbeit LK 19 nach Bedarf der Sozialregion) umgewandelt.
2. 2.0 unbefristete Stellen (Sachbearbeitung LK 10/11 oder Sozialarbeit LK 19 nach Bedarf der Sozialregion) werden bewilligt.
3. Der Stadtrat wird mit dem Vollzug beauftragt.