Sehr geehrte Frau Präsidentin
Sehr geehrte Damen und Herren
Der Stadtrat unterbreitet Ihnen den folgenden Bericht und Antrag:
1. Ausgangslage
Das Gemeindeparlament nahm an seiner Sitzung vom 28. Mai 2009 mit 37:0 Stimmen bei drei Enthaltungen die Stellenplanung der Sozialregion Olten gemäss kantonalen Vorgaben nach Sozialgesetz und Sozialverordnung zur Kenntnis. Mit 22:17 Stimmen bei 1 Enthaltung wurde der Beschlussesantrag gestrichen, dem Stadtrat die Befugnis zu erteilen, über Stellen der Sozialregion innerhalb des kantonal vorgegebenen Stellenplans zu entscheiden. Durch aktuelle Fallzahlen und Stellenschlüssel vorgegebene zusätzliche Stellen sind somit weiterhin über das Gemeindeparlament zu bewilligen.
Der Kanton veröffentlicht jeweils im Juni des laufenden Jahres die verbindlichen Fallzahlen per Ende Vorjahr. Auf Grund dieser Fallzahlen werden die für die Fallführung zählenden Stellen gerechnet und geplant. Der Stellenplan wird entsprechend angepasst. Die Fallzahlen der Sozialregion Olten haben vom 31.12.2008 bis zum 31.12.2011 um 326 Fälle von 1490 auf 1816 zugenommen. Gemäss kantonalem Stellenschlüssel (100 Fällen werden 1.25 Stellen zugeordnet) entspricht dies einem zusätzlichen Bedarf von 4.08 Stellen.
Auf den Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme der neuen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB per 01.01.2013 ist ein Abklärungsdienst aufzubauen, der im Auftrag der KESB Abklärungen und Berichte erstellen wird. Dafür ist eine Stelle vorgesehen.
Auf den 01.01.2013 will die Sozialregion das Intake im Sozialhilfebereich professionalisieren. Dazu sind 0.8 Stellen verteilt auf 4 Mitarbeitende vorgesehen.
2. Erwägungen
Die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in Olten kann nicht von der Sozialregion gesteuert werden. Ein komplexes Gefüge verschiedenster Gegebenheiten und Einflüsse führt dazu, dass Menschen in Olten Wohnsitz nehmen. Dass Menschen wirtschaftlich unterstützungsbedürftig werden oder vormundschaftliche Massnahmen notwendig werden, kann ebenfalls nicht von der Sozialregion gesteuert werden. Die Schwelle der Bedürftigkeit ist durch die kantonale Sozialgesetzgebung exakt definiert. Meldet sich eine betroffene Person, hat die Sozialregion im Rahmen eines Intake-Prozesses den Anspruch abzuklären und – sofern dieser berechtigt ist – die Not zu beheben. Im vormundschaftlichen Bereich wird die Arbeit der Sozialregion durch Gefährdungsmeldungen ausgelöst. Die Gefährdungen sind, sofern vormundschaftliche Massnahmen dazu geeignet und verhältnismässig sind, von Gesetzes wegen zu beheben.
Das Amt für soziale Sicherheit des Kantons Solothurn liess durch die Firma ECOPLAN abklären, ob auf Grund der soziodemographischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten vor Ort die Kosten der Sozialregionen erklärbar seien. Auf Grund der Faktoren 1. Arbeitslosenquote, 2. Langzeitarbeitslose, 3. Ausländerquote, 4. EL-Quote und 5. Leerwohnungsquote wurden geschätzte und effektive Pro-Kopf-Kosten der Sozialhilfe gerechnet. Mit einem einzigen
Ausrutscher (Sozialregion Untergäu bei einem Betreff) lagen alle Sozialregionen innerhalb einer statistischen Bandbreite von 30% (vgl. Beilage: Studie Ecoplan).
Die Aufschlüsselung der Sozialhilfeleistungen 1. Semester 2012 (vgl. Beilage) zeigt, welch geringer Teil der Kosten überhaupt von der politisch gewählten Sozialkommission beeinflusst werden können. Die materielle Grundsicherung (57% der Kosten) ist durch die kantonale Gesetzgebung bzw. die SKOS-Richtlinien bestimmt und nicht beeinflussbar. Bei der medizinischen Grundversorgung (8% der Kosten) kann die Behörde über Zahnarztkosten (1%) befinden. Die Sozialkommission hat sich hier nach den Empfehlungen der Zahnärzte bzw. des Vertrauenszahnarztes zu richten. Bei den situationsbedingten Leistungen (7% der Kosten) besteht ein Entscheidungsspielraum der Sozialkommission in der Rubrik „weitere situationsbedingte Leistungen“ (4%). In dieser Rubrik sind allerdings hauptsächlich die Kosten der Arbeitsintegrationsprogramme enthalten (Fr. 1‘000.-- Infrastrukturkostenbeitrag pro Zuweisung und pro Monat). Die Zuweisungen in Arbeitsintegrationsprogramme dienen der Umsetzung des gesetzlich vorgegebenen und politisch mehrheitlich geforderten Gegenleistungsprinzips. Bei den „weiteren situationsbedingten Leistungen“ (25%) fallen stationäre Aufenthalte (9%) und Fremdplatzierungen (13%) ins Gewicht. Im Wesentlichen geht es hier um Kindesschutzmassnahmen. Diese werden bis Ende 2012 noch von der Vormundschaftsbehörde der Sozialregion Olten und ab 01.01.2013 von der neuen und vom Kanton geführten Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB geführt. Die Sozialkommission hat hier keinen Entscheidungsspielraum und muss bis Ende 2012 die Beschlüsse der Vormundschaftsbehörde (bei der Sozialregion Olten sind die beiden Behörden bis Ende Jahr identisch) und ab 01.01.2013 die Beschlüsse der KESB nachvollziehen, das heisst die getroffenen Massnahmen finanzieren. Die Unterstützungsleistungen sind somit weitgehend gegeben und nur im kleinen, einstelligen Prozentbereich zu beeinflussen.
Die Aufschlüsselung der Fälle nach Aufnahmejahr (Beilage) zeigt, dass 82% der Unterstützungs-Einheiten weniger als fünf Jahre von der Sozialregion unterstützt werden. Innerhalb von 5 Jahren werden über 80% der Unterstützungseinheiten von der Sozialhilfe abgelöst. Dies zeigt, dass die Sozialregion Olten ihre Aufgabe sehr gut erfüllt, obwohl sie – als Folge der steigenden Fallzahlen – personell stets dem Soll hinterher hinkt. Die Anpassung des Stellenetat erfolgt ja immer hinterher und gestützt auf die Zahlen Ende des Vorjahres. Der umgekehrte Effekt käme bei einer stetigen Fallabnahme zum Tragen. In diesen Genuss ist die Sozialregion während der letzten zehn Jahre leider nie gekommen.
Im vormundschaftlichen Bereich nehmen die Kindesschutzfälle als Folge der Einführung geleiteter Schulen mit Schulsozialarbeit zu. Probleme werden früher erkannt und gemeldet. Dies führt zu mehr Mandaten und Massnahmen, die wiederum zu finanzieren sind.
Im Bereich der Massnahmen für Erwachsene ist eine gewisse Entsolidarisierung in der Gesellschaft zu spüren. Kinder wollen für ihre betagten Eltern keine Einkommensverwaltung machen. Geeignete freiwillige Mandatsträger sind zum knappen Gut geworden. Die Haltung verbreitet sich, das Vormundschaftsamt sei doch dafür zuständig.
Die Professionalisierung auf allen Ebenen der Leistungserbringung und der Beschlussfassung hat sicher ihre guten Seiten. Anderseits führt diese auch dazu, dass jede Meldung verfolgt und ein Verzicht auf Massnahmen begründet und beschlossen werden muss. Dadurch entsteht zeitlicher Aufwand auf Kosten der inhaltlichen Arbeit.
Die Entscheidungskompetenzen verschieben sich stetig in Richtung kantonale Verwaltung. Der Instanzenzug für Beschwerden im Bereich der Sozialhilfe wurde von den regionalen Sozialkommissionen zum Amt für soziale Sicherheit übertragen. Im vormundschaftlichen Bereich können aufsichtsrechtliche Verfügungen ohne Beschwerdemöglichkeit der Sozialregionen erlassen werden, die Entscheide der politisch gewählten Vormundschaftsbehörden aufheben. Mit zusätzlichen Vorgaben und Auflagen werden die Sozialregionen beschäftigt.
Die kantonale Gesetzgebung lässt wenig Raum für kreative Projekte. Die Sozialregion Olten führte längere Zeit zusammen mit der Suchthilfe ein Projekt für Randständige. Diese erhielten 40 Franken pro Tag, wenn sie im Taglohnprojekt arbeiteten, 20 Franken, wenn sie sich bis zu einer bestimmten Zeit meldeten, gar nichts, wenn sie sich nicht meldeten. Die Betroffenen selber schätzten dieses Projekt auf Grund seiner klaren Bestimmungen. Im Rahmen einer Beschwerde wurde festgestellt, das Projekt verstosse gegen die kantonalen Bestimmungen. Seither müssen zuerst Leistungen ausbezahlt werden (monatlich). Kürzungen müssen wieder separat und zeitlich begrenzt verfügt werden. Auch bei gänzlicher Verweigerung der Arbeit ist letztlich wieder Nothilfe auszurichten. Seit die Betroffenen diese Mechanismen kennen, gehen sie nicht mehr ins Taglohnprojekt.
Ab dem 01.01.2013 wird die neue Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB der Sozialregion Abklärungsaufträge erteilen. Diese sind innert Frist zu bearbeiten. Das Ergebnis ist in Form eines Berichtes zur Beschlussfassung einzureichen. Stehen keine Abklärungskapazitäten zur Verfügung, kann die Sozialregion eine externe Stelle nennen, welche die Abklärung übernimmt. Berichtet die Sozialregion nicht innert Frist erteilt die KESB unter Kostenfolgen zu Lasten der Sozialregion direkte Aufträge. Erfahrungsgemäss sind Abklärungsaufträge an Dritte, welche zu Stundenansätzen abrechnen, wesentlich teurer als die Führung eines internen Abklärungsdienstes, weshalb ein solcher vorzusehen ist.
Die Mitarbeitenden des Sozialamtes führen auf Grund der oben geschilderten Umstände bereits mehr Fälle, als der kantonale Stellenschlüssel zulässt. Zusätzlich leisten sie periodisch Intake-Arbeit. Mit der Bildung einer Intake-Gruppe werden die Sozialarbeitenden des Sozialamtes leicht entlastet und können ihre eigentlichen Aufgaben noch gezielter wahrnehmen. Anderseits wird das Intake professionalisiert. Dies ermöglicht eine bessere Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche, eine klarere Prüfung der Zuständigkeit, Kontrollen vor Ort und damit Verhinderung von Missbrauch
3. Anwendung des kantonalen Stellenschlüssels
Der Kanton Solothurn hat einen Lastenausgleich unter den Einwohnergemeinden für die Verwaltungskosten der Sozialregionen eingeführt. Diese fallen in den Lastenausgleich, wenn die Sozialregion die gesetzlichen Vorgaben erfüllt und die vom Regierungsrat festgelegten quantitativen, qualitativen, personellen und wirtschaftlichen Anforderungen der Leistungserbringung erfüllt (§ 55 Abs. 4 Ziff. 1 SG).
Der Kanton legt im Sozialgesetz einen Stellenschlüssel fest. Auf 100 Dossiers werden 100% Fachmitarbeit und 25% Administrativarbeit angerechnet, insgesamt somit 125% Fach- und Administrativarbeit. Dies entspricht einer vollen „Stelle“ nach Sozialgesetz. Die Abgeltung erfolgt pro anerkanntes Dossier mit einer Pauschalen von 1’500 Franken. Werden Stellen nicht besetzt, werden die Pauschalen gekürzt oder gestrichen (§ 38 und 39 SG).
Die Entwicklung der Fallzahlen vom 31.12.2008 bis am 31.12.2011 lässt sich wie folgt darstellen:
Sozialregion Olten, Entwicklung 31.12.2008 - 31.12.2011
Dossier Stellen SH F-AS Total SH Total VB Zunahme in %
31.12.2008 1490 18.63 873 121 994 496
31.12.2009 1557 19.46 916 119 1035 522 67 4.50
31.12.2010 1628 20.35 989 103 1092 536 71 4.56
31.12.2011 1816 22.70 1061 112 1173 643 188 11.5
Zunahme 08-11 326 4.08 188 -9 179 147 326 21.88
Gemäss Stellenplan per 01.01.2013 stehen für die Fallführung 18.40 Stellen zur Verfügung. Darin enthalten sind 1.5 befristet besetzte Stellen. Gemäss kantonalem Stellenschlüssel sind 22.70 Stellen zu besetzen. Das Amt für soziale Sicherheit akzeptiert jedoch eine Abweichung von 10%. Gemäss Vorgaben von Stadtrat und Gemeindeparlament ist der Stellenplan so zu gestalten, dass diese Toleranz nach unten ausgenutzt wird, d.h. 10% weniger Stellen besetzt werden. Somit ergibt sich per 01.01.2013 folgende Abweichung zwischen dem Ist und dem Soll:
Ressourcen (Dossierzahlen 31.12.10)
Soll Toleranz 10% Ist Abweichung
Sozialregion Olten 22.70 20.43 18.40 2.03
Somit sind die 1.5 im Ist-Stellenplan enthaltenen befristeten Stellen in unbefristete umzuwandeln und zusätzliche 2.0 Stellen zu bewilligen.
4. Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Je 100 anrechenbare Fälle entsprechen 100 Stellen-% Sozialarbeit und 25 Stellen-% Sachbearbeitung. Dafür wird ein Beitrag von 150'000 Franken geleistet. Für die Sozialregion entstehen somit keine zusätzlichen Lohnkosten, wenn eine Stelle besetzt wird. Es werden aber auch keine Lohnkosten eingespart, wenn eine Stelle nicht besetzt wird, da ein Lastenausgleichsbeitrag in derselben Höhe wegfällt.
5. Realisierung
Die befristet besetzten 1.5 Stellen werden in unbefristete umgewandelt und 2 zusätzliche Stellen werden beantragt (Antrag GP).
6. Varianten
Grundsätzlich könnte auf die Professionalisierung des Intake verzichtet werden. Damit würden 0.8 Stellen eingespart. Das Intake stellt jedoch den wichtigsten Filter zur Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche, zur Prüfung der Zuständigkeit, für Kontrollen vor Ort und für Verhinderung von Missbrauch dar. Ohne spezialisiertes und professionalisiertes Intake könnten die Filterfunktionen nur im mittleren Rahmen wahrgenommen werden.
Grundsätzlich könnte auch auf den Aufbau eines Abklärungsdienstes verzichtet werden. Die Abklärungsaufträge würden von der KESB unter Kostenfolgen für die Sozialregion an Drittstellen vergeben. Dies hätte weit höhere Kosten zur Folge und sollte deshalb vermieden werden.
7. Stellungnahmen
Die Vormundschaftsbehörde und Sozialkommission der Sozialregion Olten erachtet das geplante Vorgehen auf Grund der gesetzlichen Vorschriften als zwingend und aus fachlicher Sicht als notwendig und wichtig.
Beschlussesantrag:
1. Das Gemeindeparlament nimmt die Stellenplanung (per 01.01.2013) der Sozialregion Olten gemäss kantonalen Vorgaben nach Sozialgesetz und Sozialverordnung zur Kenntnis.
2. 1.5 befristet besetzte Stellen werden per 01.01.2013 in unbefristete Stellen (Sachbearbeitung LK 10/11 oder Sozialarbeit LK 19 nach Bedarf der Sozialregion) umgewandelt.
3. 2.0 unbefristete Stellen (Sachbearbeitung LK 10/11 oder Sozialarbeit LK 19 nach Bedarf der Sozialregion) werden bewilligt.
4. Der Stadtrat wird mit dem Vollzug beauftragt.