Am 15. Dezember 2012 haben Christian Werner und Mitunterzeichnende zuhanden des Stadtrates folgendes Postulat eingereicht:
„Der Stadtrat wird beauftragt zu prüfen, ob und wo zum Zwecke der Verhinderung und Ahndung von Vergehen und Verbrechen an neuralgischen Stellen im öffentlichen Raum zusätzliche Videoanlagen einzurichten sind.
Begründung:
In Olten kommt es immer wieder zu Gewalttaten. Einige Orte werden von vielen Einwohnerinnen und Einwohner bereits beim Eindunkeln gemieden. Dieser Tatsache muss entgegengewirkt werden! Da die Polizeieinheiten nicht ständig an den neuralgischen Orten präsent sein können, drängt sich dort die Installation von Videokameras auf. So könnte der Stadtrat mehr Sicherheit schaffen und gleichzeitig die Polizeieinheiten entlasten.
Das Polizeireglement der Einwohnergemeinde der Stadt Olten ermächtigt den Stadtrat, zur Verhinderung und Ahndung von Vergehen und Verbrechen in Koordination mit der Kantonspolizei Videoanlagen einzurichten (vgl. Art. 10 Abs. 1 Polizeireglement, SRO 212). Solche Kameras eignen sich für jene Örtlichkeiten, wo erfahrungsgemäss das Risiko von Rechtsbrüchen erhöht ist, sowie dort, wo Räume durch ihre Beschaffenheit zu kriminellen Aktivitäten geradezu einladen.
In Olten wird der öffentliche Raum heute einzig in der City-Unterführung, in der Winkelunterführung und in der Martin-Disteli-Bahnhofunterführung videoüberwacht. An weiteren Stellen, die für Probleme bekannt sind (beispielsweise Ländiweg, Salzhüsliweg, Bahnhof, Holzbrücke, Innenstadt oder Schützi), wurden nie Videoanlagen eingerichtet.
Um berechtigten Bedenken des Datenschutzes Rechnung zu tragen, sind die Videokameras auf neuralgische Stellen (vgl. Vorstosstext) zu beschränken. Überdies ist die Überwachung auf deutlich sichtbaren Hinweistafeln erkennbar zu machen und die Speicherung der Daten zeitlich zu beschränken.“
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Stadträtin Iris Schelbert-Widmer beantwortet im Namen des Stadtrates das Postulat wie folgt:
A. Generelle Überlegungen zur Videoüberwachung
a) Abgrenzung
Die Antwort befasst sich nur mit Videoanlagen, die eine Personenerkennung möglich machen. Solche, die dies nicht ermöglichen, fallen nicht unter die erwähnten Bestimmungen, da dabei keine Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte gefilmter Personen stattfinden.
Eine Videoüberwachung ohne Personenerkennung im öffentlichen Raum ist aus polizeilicher Sicht wirkungslos, deshalb wird darauf nicht weiter eingegangen.
Ebenfalls können die hier gemachten Betrachtungen nicht auf die Anwendung im Bereich privater Grundstücke übertragen werden.
Die Videoüberwachung im Raum des öffentlichen Verkehrs ist durch die Verordnung über die Videoüberwachung im öffentlichen Verkehr geregelt. Dies betrifft beispielsweise das Ganze im Besitz der SBB stehende Bahnhofsgebiet. Auch darauf soll nicht mehr weiter eingegangen werden.
b) Gesetzliche Grundlagen
Eine Videoüberwachung mit dem Ziel der Personenerkennung greift in die Persönlichkeitsrechte ein. Diese Rechte bestehen auch bei der Nutzung des öffentlichen Raums. Eine Person gibt also mit der Benützung des öffentlichen Raums kein Einverständnis zu Aufzeichnungen von Verhalten oder Äusserungen in Schrift, Bild oder Ton. Daraus lässt sich ein grundsätzliches Recht auf unbeobachtete Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum ableiten. Rechtsquellen sind unter anderen Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Artikel 10, 13 und 36 der Bundesverfassung. In solche Grundrechte darf nur eingegriffen werden, wenn kumulativ folgende drei Voraussetzungen vorhanden sind:
• Genügende gesetzliche Grundlage
• Öffentliches Interesse
• Verhältnismässigkeit
Eine genügende gesetzliche Grundlage ist durch den Artikel 10 des Polizeireglements der Stadt Olten gegeben. Der Stadtrat kann ausschliesslich zum Zwecke der Verhinderung und Ahndung von Vergehen und Verbrechen in Koordination mit der Polizei Kanton Solothurn sowie zur Überwachung einer geordneten Verkehrsabwicklung Videoanlagen einrichten, soweit diese dafür erforderlich sind und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.
Das öffentliche Interesse ist in der Regel damit gegeben, dass es um den Schutz der Polizeigüter wie Ruhe und Ordnung oder Sicherheit geht.
Als grösstes Hindernis hat sich in der Praxis bisher die Verhältnismässigkeit erwiesen. Diese fordert, dass das angewendete Mittel geeignet ist, das öffentliche Interesse zu wahren und gleichzeitig mit dem kleinsten möglichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der von der Massnahme betroffenen Person verbunden ist. Konkret heisst das, dass eine Videoüberwachung nur zum Tragen kommt, wenn alle für die betroffenen Person milderen Massnahmen, wie beispielsweise bauliche Vorkehrungen, bessere Beleuchtung, mehr Präsenz von Sicherheitspersonal, etc. keine Wirkung gezeigt haben. Zudem ist es nötig, dass es sich um schwere Straftaten (Vergehen/Verbrechen) handelt, die mit der Videoüberwachung verhindert werden sollen.
c) Wirkung
Die präventive Wirkung der Videoüberwachung ist höchst umstritten und auch die internationalen Daten geben dazu keine abschliessende Antwort. Die flächendeckende Einführung wünscht niemand und bei punktuellen Überwachungen finden die Straftaten einfach um die nächste Ecke statt. Zudem können solche videoüberwachten Orte eine falsche subjektive Sicherheit generieren.
B. Neuralgische Punkte in Olten
Will man in Olten von neuralgischen Orten reden, so sind diese im Stadtzentrum, vor allem in Bahnhofsnähe und an unübersichtlichen, nachts dunklen Orten. Dies leitet sich aus folgendem ab:
a) Die Stadtpolizei arbeitet mit den sogenannten Brennpunkten. Das sind die Orte, an denen signifikant mehr ausserordentliche polizeiliche Einsätze nötig sind als auf dem restlichen Stadtgebiet. In der Regel handelt es sich dabei um Einsätze während Randzeiten wegen Vorfällen wie gesteigerter Gemeingebrauch, Lärm, Abfall und Sachbeschädigungen.
Die Liste dieser Brennpunkte ist einer stetigen Überprüfung und Anpassung unterworfen. Folgende Räume sind aber praktisch immer auch Brennpunkte: Gebiete Bahnhof mit den Unterführungen, Ländiweg (‚Toleranzzone‘), Winkelunterführung, Haslistrasse / Tannwaldstrasse, Parkanlagen (Römermatte, Stadtpark, Samariterwiese). Der Salzhüsliweg, die Schützi, die Innenstadt und die Holzbrücke waren in den letzen Jahren keine Orte, an welchen Vergehen respektive Verbrechen signifikant häufig stattgefunden haben.
b) Die Polizei Kanton Solothurn / Stadtpolizei Olten hat in den letzten zwei Jahren im obengenannten geographischen Gebiet die folgenden Straftaten erfasst: Tätlichkeiten, Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Betäubungsmittel, Littering, Lärm.
Bei allen Deliktsarten lässt es sich klar sagen, dass das Schwergewicht der Vorfälle im Raum Bahnhof / Ländiweg / Winkelunterführung stattgefunden hat. Über das restliche Stadtgebiet haben sich die Delikte eher zufällig verteilt. Es gibt aber keine genau definierten Orte, an denen signifikant immer wieder Straftaten geschehen.
c) Eine von Prof. Killias in Zürich durchgeführte Opferbefragung kam zu einem ähnlichen Schluss, indem gefragt wurde, welche Orte von der Bevölkerung gemieden werden. An der Spitze der Tabelle stehen unspezifische Orte (un- oder schlecht beleuchtete Wege und Strassen, Park, Wald). Weiter folgen Zentrumsörtlichkeiten (Seeplatz, Seeweg, Ansammlung von Jugendlichen/unbekannten Personen, Unterführungen beim Bahnhof), die weiteren Lokalitäten wurden nur ein oder zweimal erwähnt, weshalb an dieser Stelle auf eine Aufzählung verzichtet werden soll.
C. IST-Zustand in Olten
Die Polizei Kanton Solothurn betreibt in beiden Bahnhofunterführungen ein reaktives Überwachungssystem. Beide Anlagen werden nicht von Personen aktiv überwacht und zeichnen die Daten lediglich auf. Bei Bedarf können die Daten ausgewertet und der Fahndung übergeben werden. Zudem sind in beiden Unterführungen Notrufsäulen installiert, welche eine sofortige Verbindung zur Alarmzentrale in Solothurn garantieren. Die Stadtpolizei unterhält in der Winkelunterführung und der City-Unterführung ebenfalls ein reaktives Überwachungssystem, welches bei Bedarf ausgewertet werden kann. Alle Systeme haben sich bewährt und lieferten in Vergangenheit wertvolle Daten, um Verbrechen und Vergehen in den Unterführungen, aber auch auf beiden Stadtseiten aufzuklären.
Im neugestalteten Velo-Parking Bahnhof Ost werden ebenfalls Videoüberwachungskameras und Notrufsäulen installiert, welche mit der Alarmzentrale in Solothurn verbunden sind.
D. Schlussfolgerung
Genau definierte, umschriebene Orte, an denen immer wieder Straftaten geschehen, gibt es
in Olten in drei verschiedenen Räumen: Bahnhofunterführung Nord, Martin-Disteli-Unterführung, Winkelunterführung. Diese drei Zonen werden jedoch bereits heute durch Videoüberwachungssystemen (Bahnhof: Polizei Kanton Solothurn; Winkel: Stadtpolizei) überwacht.
Die Elemente der öffentlichen Sicherheit wie beispielsweise Polizei und die Sicherheitspatrouille der Securitas legen einen Schwerpunkt ihrer Arbeit in diese erwähnten Gebiete.
Gemäss den geltenden gesetzlichen Grundlagen gibt es in Olten zurzeit keine weiteren Orte, an welchen die Installation von Videokameras zusätzlich gerechtfertigt werden kann.
Der Stadtrat erachtet zusätzliche Videoüberwachungen heute als nicht zweckmässig und setzt stattdessen auf die Präsenz der Sicherheitskräfte sowie die entsprechende Gestaltung des öffentlichen Raums (Beleuchtung und bauliche Massnahmen: Andaare).
Im Sinne der genannten Gründe empfiehlt der Stadtrat dem Gemeindeparlament das Postulat zu überweisen und abzuschreiben.