- Ausgangslage
Wie in jeder Verwaltung werden auch in der Stadtverwaltung Olten die Geschäftsprozesse zunehmend digital abgewickelt. Im Bereich der elektronischen Informationen in der Stadt-verwaltung besteht jedoch derzeit kein Konzept für das sogenannte Records Management (Aktenführung) und die digitale Langzeitarchivierung. Thema sind an dieser Stelle nur un-strukturierte Informationen, nicht aber Informationen, welche in Fachapplikationen verwaltet werden. Ende 2009 wurde daher ein entsprechendes Projekt von einer Projektgruppe unter dem Vorsitz von Stadtschreiber Markus Dietler aufgesetzt und ein Strategiepapier Records Management und digitale Langzeitarchivierung durch die Firma Docuteam GmbH in Baden erarbeitet. Dieses sah für das Jahr 2010 die Erstellung des Registraturplans für die Stadt-kanzlei als Pilotabteilung und des Pflichtenhefts für die Ausschreibung eines DMS/Geschäftsverwaltungssystems vor. Letzteres sollte 2011 beschafft und zumindest in der Stadtkanzlei implementiert werden; gleichzeitig sollte das Stadtarchiv auf das digitale Zeitalter vorbereitet werden. In den Jahren 2012 bis 2014 war vorgesehen, das DMS/Geschäftsverwaltungssystem auf weitere Direktionen auszudehnen und das digitale Stadtarchiv inklusive Ablieferungsvereinbarungen mit den Verwaltungsabteilungen aufzu-bauen.
Auf Grund des Besuchs der SSGI -Tagung „Elektronische Aktenführung in der Gemeinde“ vom 30. November 2010 in Olten kam die Projektgruppe einerseits zur Erkenntnis, dass die Organisation Stadtverwaltung – insbesondere bezüglich Prozessorientierung – noch nicht den Zustand erreicht hat, der eine Weiterführung des Projekts wie geplant (Systementscheid und Beschaffung DMS) erlaubt. Anderseits gibt es noch kein geeignetes System, das die Spannweite von der Entstehung eines Dossiers bis zur Langzeitarchivierung so zufrieden-stellend abdeckt, dass die geplante Ausschreibung auf der Basis eines Pflichtenhefts Sinn machen würde.
Die Projektgruppe entschied daher, den eingeleiteten Prozess neu zu definieren, das heisst erst die erforderlichen internen organisatorischen Massnahmen zu definieren und durchzu-führen, damit die Organisation für eine digitale Geschäftsverwaltung bereit ist. Mit dem Re-design des Projekts Records Management wurden Lukas Fässler, Rechtsanwalt und Infor-matikexperte und Präsident des Vereins SSGI, und seine Firma e-comtrust beauftragt.
2. Redesign und Ist-Analyse
In einer ersten Phase wurde das Ziel verfolgt, die Direktionsleitungen und den Stadtrat über den Stand der Umsetzung zu informieren; zudem sollte sich der Stadtrat verpflichtend für die Gesamtverwaltung hinter das neue Vorgehen und dessen Zielsetzung stellen. Mit Beschluss vom 28. März 2011 hat der Stadtrat denn auch dem Redesign des Projektes „Records Ma-nagement Stadtverwaltung Olten“ verpflichtend für die Gesamtverwaltung zugestimmt und
die Kosten freigegeben. Am 2. Mai 2011 wurde zudem die dazugehörige Projektorganisation genehmigt.
Das Redesign sah unter Anderem folgende Arbeiten vor:
- Ist-Grobaufnahme der heute bestehenden Grundlagen (Registraturpläne, Dossier-strukturen, Informationsmanagement, Verantwortlichkeiten und Hauptprozesse in den Direktionen) im Bereich papierbezogene und elektronische Geschäftsverwaltung
- Konsolidierung der Zielsetzungen für die gesamte Stadtverwaltung
- Übergeordnete Records-Management-Policy (strategische Vorgaben und Zielsetzun-gen) des Stadtrates für eine elektronische Geschäftsverwaltung und Langzeitarchivie-rung
Die Ist-Analyse bei den sechs Direktionen kam zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:
- Die Verwaltung der Stadt Olten ist papierbasierend ausgebaut und wurde in den ver-gangenen Jahren mit der IT-Technologie sukzessive unterstützt.
- Es gibt keine einheitliche Regelung über den Umgang mit (unstrukturierten) Informa-tionen und die Einhaltung von Prozessen und von direktionsübergreifenden Organi-sationsvorschriften.
- Dies führt zu einem Eigenleben der Direktionen in Bezug auf das Informations-Management unstrukturierter Daten, welches zu zahlreichen direktionsübergreifenden Medienbrüchen führt.
- Dadurch entstehen Informations-Redundanzen und Unvollständigkeiten von Dossiers, insbesondere derjenigen, welche mehrere Direktionen betreffen.
- Die Anlage von persönlichen Ablagestrukturen verunmöglicht derzeit den zentralen Ansatz der Informationsverwaltung.
3. Records-Management-Policy
Am 9. September 2011 nahm der Lenkungsausschuss vom Ergebnis der Ist-Analyse Kennt-nis und beschloss, folgende Records-Management-Policy für ein allfälliges weiteres Vorge-hen dem Stadtrat zur Genehmigung vorzulegen:
Präambel
Unsere Aufgabenerfüllung in der Stadtverwaltung Olten funktioniert nur, wenn wir jederzeit verlässliche Informationen zur Verfügung haben.
Grundsätze für das Informations-Management
- Wir wollen aktuelle, richtige, beweis- und revisionstaugliche Informationen für unsere tägli-che Verwaltungsarbeit erstellen und sicherstellen.
- Wir wollen in den nächsten 5 Jahren sukzessive verwaltungsintern und im Verkehr mit unseren Einwohnenden, Unternehmen, dem Stadtparlament und Kommissionen sowie ande-ren Verwaltungen aller Ebenen den medienbruchfreien Informationsaustausch aufbauen, pflegen und weiterentwickeln.
- Alle geschäftsrelevanten Informationen werden künftig in einer einzigen – wenn immer möglich – elektronischen Originalfassung in Dossiers und Geschäften erfasst, bearbeitet, gespeichert, gesetzlich aufbewahrt und an das Stadtarchiv digital abgeliefert und dort er-schlossen.
Auf der Basis dieser Policy sollen, falls der Stadtrat die Umsetzung beschliesst, folgende konkreten Zielsetzungen verfolgt werden:
- Jedes Geschäft und die dazugehörenden Informationen sind zentral und nach einer einheitlichen Struktur (Registraturplan) abgelegt.
- Von jedem Geschäft sind Status, Federführung, Ablageort, Version, Autor, Termine und Aufbewahrungsfristen (evtl. weitere Metadaten) erfasst. Nach diesen Kriterien kann es gesucht und gefunden werden.
- Jedes Dokument – elektronisch oder physisch – hat eine eindeutige Dokumenten-nummer; mit dieser kann es im System gesucht und gefunden werden.
- Ab 2014 sind ausschliesslich die elektronischen Dossiers und deren Dokumente rechtsverbindlich und soweit notwendig digitalisiert, elektronisch gespeichert und auf-bewahrt (Zwischenarchiv) sowie später (nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewah-rungsfrist) elektronisch langzeitarchiviert.
- Wenn ein Geschäft abgeschlossen wird, kann es elektronisch während der gesetzli-chen Aufbewahrungsfrist zwischenarchiviert und anschliessend elektronisch an das Stadtarchiv übergeben werden.
- Die Geschäfte werden innerhalb der Stadtverwaltung Olten medienbruchfrei und direktionsübergreifend bearbeitet.
- Rechtsverbindliche Informationen werden nur noch in einer einzigen Fassung aufbewahrt; es werden keine Kopien erstellt, sondern nur noch via Links zur Verfügung gestellt.
- Die Stadtkanzlei und die Direktionen haben jederzeit eine aktuelle Übersicht über die laufenden Geschäfte und Termine (Geschäftsverwaltung, Terminverwaltung und Cockpit).
- Die Stadtverwaltung Olten kann im Rahmen des Öffentlichkeitsgesetzes jederzeit und mit geringem Aufwand umfassend Auskunft erteilen, soweit dies gesetzlich vorgese-hen ist.
- Durch die Einhaltung der eCH-Standards und durch den Einsatz einer digitalen Geschäftsverwaltung ist die Stadtverwaltung Olten bestens für die künftigen Anforderungen von eGovernment gerüstet.
- Die wesentlichen Geschäftsprozesse sind nach eCH-Standard dokumentiert und werden kontinuierlich überprüft und falls notwendig verbessert.
4. Projekt “Organisatorische Voraussetzungen für digitale Geschäftsverwaltung und Langzeitarchivierung“
Mit der Aufnahme des Ist- und der Definition des Soll-Zustandes ist der Redesign-Auftrag an die Firma e-comtrust erfüllt.
Der Lenkungsausschuss beantragt dem Stadtrat, ein neues Projekt zu bewilligen, das auf der Basis der nun vorliegenden Erkenntnisse die organisatorischen Voraussetzungen schafft für die digitale Geschäftsverwaltung und Langzeitarchivierung. Ebenso wird beantragt, den neuen Auftrag im freihändigen Verfahren auch an die Firma e-comtrust zu erteilen, da diese in der Thematik hoch spezialisiert ist, dank der Personalunion von Lukas Fässler (Inhaber e-comtrust und Präsident des Vereins SSGI) von einem intensiven Knowhow-Transfer mit an-dern Gemeinden, insbesondere der Partnerstadt Aarau, profitiert werden kann und da die mit dem Redesign-Projekt beauftragte Firma über ein grosses erarbeitetes Knowhow über die Stadtverwaltung Olten verfügt. Dieses mit den Fachkenntnissen der bisher beauftragten Fir-ma verknüpfte Wissen, das gewissermassen ein geistiges Eigentum der bisherigen Auftrag-nehmerin darstellt, von einer neuen Auftragnehmerin (erneut) erarbeiten zu lassen bzw. an eine neue Auftragnehmerin zu übergeben, würde für bedeutende interne und externe Kosten sorgen und wäre für das – wie verschiedene politische Vorstösse zeigen – dringliche Anlie-gen zu zeitintensiv. Auf Grund dieser Überlegungen wurde gemäss § 15 Gesetz über öffent-liche Beschaffungen (Submissionsgesetz, BGS 721.54) das freihändige Verfahren gewählt.
Im neuen Projekt “Organisatorische Voraussetzungen für digitale Geschäftsverwaltung und Langzeitarchivierung“ wird es nun darum gehen, die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, damit die im Redesign-Projekt erarbeiteten Zielsetzungen erreicht werden können. An seiner Sitzung vom 9. September 2011 wählte der Lenkungsausschuss dafür aus ver-schiedenen Vorgehensvarianten ein Szenario aus, das einen Mix zwischen einer globalen und einer prozessweiser Einführung darstellt.
Die Vorteile dieses Vorgehensvariante gegenüber einer langwierigen globalen Einführung, einer Piloteinführung oder einer prozessorientierten Einführung bestehen darin, dass alle Direktionen von Beginn weg eingebunden werden und dass relativ rasch in neuen Strukturen gearbeitet werden kann und entsprechende Erfahrungen gesammelt werden können. Gleichzeitig wird bei diesem Vorgehen die Machbarkeit neben dem Alltagsgeschäft bestmög-lich berücksichtigt. Auf der Negativseite ist das – nach Ansicht des Lenkungsausschusses allerdings weniger bedeutende – Risiko zu erwähnen, dass wichtige Anforderungen aus an-dern Prozessen unter Umständen erst spät erkannt werden und dass die Mitarbeitenden in einer Übergangsphase zwei unterschiedliche Arbeitsweisen parallel einsetzen müssen.
Bei diesem Vorgehen werden zunächst sämtliche organisatorischen Grundlagen erarbeitet (Registraturplan inkl. Zugriffs- und Berechtigungskonzept, Metadatenkatalog, Organisations-konzept, Organisationshandbuch, Prozesslandkarte je Direktion, ergebnisbezogene Pro-zessausbildung von Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, Weisungen zum Informationsma-nagement). Auf diesen erarbeiteten Grundlagen sollen die drei zentralen Prozesse Postein-gang, Stadtrats-/GP-Geschäfte und Archivierung detailliert beschrieben, umgesetzt und ver-bindlich angewendet werden.
Weiter sollen die heute bestehende Büroautomationsumgebung und die physische Dossier-struktur an den Registraturplan angepasst werden. Dabei werden sämtliche Folder und E-Mail-Postfächer mit dem Registraturplan gleichgeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt kann die Stadtverwaltung ihre Geschäfte bereits gemäss der neuen Struktur bearbeiten und die drei Kernprozesse konkret leben. So entsteht ein direkter Nutzen, weil alle laufenden und neuen Geschäfte bereits nach dieser Struktur aufgebaut und später – als Anforderung im künftigen Pflichtenheft – in das digitale RMS weitgehend automatisch übernommen werden sollen. Aufgrund dieser Erfahrungen kann anschliessend das Pflichtenheft für die Ausschreibung einer RM-Lösung erstellt werden für den Fall, dass der Stadtrat nach Abschluss des nun be-antragten Organisationsprojektes ein Informatikprojekt durchzuführen beschliesst, das die Evaluation und die Einführung einer eigentlichen spezialisierten RM-Lösung zum Inhalt hätte.
5. Finanzielle Auswirkungen
Für das Projekt Records Management sind in der Investitionsrechnung Konto 020.506.001 CHF 350‘000 vorgesehen. Das Projekt Redesign hat bisher Kosten in der Höhe von CHF 106‘461.15 verursacht. Der Lenkungsausschuss beantragt für das Projekt “Organisatorische Voraussetzungen für digitale Geschäftsverwaltung und Langzeitarchivierung“ ein Kosten-dach von CHF 240‘000 inkl. Mwst. und Spesen, um innerhalb des gegebenen Kostenrah-mens zu bleiben. Die Firma e-comtrust, die jeden Schritt einzeln abrechnet, ist mit diesem Vorgehen einverstanden. Falls im Anschluss ein Informatikprojekt gestartet werden soll, des-sen Kostenfolgen derzeit auf Grund des nicht vorliegenden, sondern noch erarbeitenden Pflichtenhefts nicht abschätzbar sind, ist für dieses ein neuer Investitionskredit zu beantra-gen.
Zu diesen externen Kosten hinzu kommt der interne Aufwand, der von der externen Auftrag-nehmerin bis Ende 2012 auf rund 60% bei der Stadtkanzlei und auf je rund 20% bei den Be-auftragten in den einzelnen Direktionen beziffert wird; ist der Aufwand grösser als erwartet, ist mit zeitlichen Verzögerungen zu rechnen. Die entsprechenden Schätzungen sind mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet, weil die neuen Errungenschaften laufend operationalisiert werden und eigentlich nur der Zusatzaufwand berechnet werden sollte. Dem gegenüber steht ein künftiger Ertrag in Form einer effektiveren Organisation und eines entsprechenden Informationsmanagements, die neben Effizienzgewinnen auch positive Auswirkungen auf das Image der Stadtverwaltung Olten haben werden. Damit die Umsetzung zum Erfolg wird, ist der Prozess verpflichtend für die Gesamtverwaltung zu genehmigen und sind die entspre-chenden Aufgaben in die Pflichten bzw. Zielvereinbarungen der Projektleitung und der Re-cords Manager in den Direktionen aufzunehmen.
6. Stellungnahme Direktionskonferenz
Die Direktionskonferenz hat an ihre Sitzung vom 4. November 2011 das geplante Vorgehen unterstützt.
Beschluss:
- Vom Abschluss des Projekts Redesign im Rahmen des Vorhabens Records Mana-gement wird Kenntnis genommen.
2. Die Records Management Policy wird genehmigt.
3. Dem vorgeschlagenen Vorgehen für das Projekt “Organisatorische Voraussetzungen für digitale Geschäftsverwaltung und Langzeitarchivierung“ wird verpflichtend für die Gesamtverwaltung zugestimmt. Das Kostendach von CHF 240‘000 sowie die erfor-derlichen internen Ressourcen werden freigegeben.
4. Die Direktion Präsidium bzw. der Lenkungsausschuss Records Management werden mit dem Vollzug beauftragt.