Der Stadtrat wird gebeten zu prüfen, wie das Winterthurer Sozialhilfe-Modell „Passage“ in Olten bzw. in der Sozialregion Olten umgesetzt werden kann.
Begründung:
Handlungsbedarf in der Sozialpolitik ist angezeigt: Ein Ansatzpunkt zur Wirkungs- und Effizienzsteigerung besteht beim Eintritt in die Sozialhilfe. Zu diesem Zeitpunkt muss dafür gesorgt werden, dass Sozialhilfe aus öffentlichen Mitteln nur dort gewährt wird, wo Betroffene tatsächlich nicht für sich selbst sorgen können. Das schnelle Bereitstellen einer Überbrückungsfinanzierung bzw. einer entlöhnten Arbeitsmöglichkeit unterstützt die Eigenverantwortung von arbeitsfähigen Menschen und vermeidet möglicherweise die Aufnahme in die Sozialhilfe.
Vor diesem Hintergrund ist auf das durch das Sozialdepartement der Stadt Winterthur eingeführte Sozialhilfe-Instrument „Passage“ hinzuweisen. Ziel dieser Massnahme ist es, für arbeitsfähige Personen, die aus eigener Kraft für sich selbst sorgen könnten, Sozialhilfe zu vermeiden. Um dies zu erreichen wird von allen Personen, die keine Ausschlusskriterien aufweisen, eine Arbeitsgegenleistung (1 Monat) als Voraussetzung für den Bezug von Sozialhilfe eingefordert. Der strukturierte, begleitete Arbeitseinsatz fördert zudem die Eigenverantwortung der Beteiligten, reduziert die Schwarzarbeit, unterstützt den geregelten Tagesablauf und vereinfacht den Einstieg in die Arbeitswelt.
Jährliche Auswertungen zeigen, dass die angestrebten Wirkungen in hohem Mass erreicht werden. Der verbindliche Arbeitseinsatz erfüllt nicht nur eine Gatekeeping-Funktion, welche dem Sozialhilfe-Missbrauch wirksam vorbeugt, sondern zeitigt gleichzeitig eine Effizienz- steigerung in der Sozialhilfe und einen wirtschaftlich positiven Effekt für die öffentliche Hand. Für jeden Franken, den die Stadt Winterthur in die „Passage“ investiert, spart sie im Sozialhilfebereich rund Fr. 4.-- wieder ein.
Es ist deshalb zu prüfen, ob in Olten bzw. in der Sozialregion Olten Sozialhilfebezüger grundsätzlich zu einem obligatorischen Arbeitseinsatz zu verpflichten sind, bevor diese in den Genuss von Sozialhilfeleistungen kommen.
***
Für den Stadtrat beantwortet Stadtrat und Sozialdirektor Peter Schafer das Postulat wie folgt:
Gemäss Begründung der Antragstellerin sei Handlungsbedarf in der Sozialpolitik angezeigt: Ein Ansatzpunkt bestehe beim Eintritt in die Sozialhilfe. Zu diesem Zeitpunkt sei dafür zu sorgen, dass Sozialhilfe aus öffentlichen Mitteln nur dort gewährt wird, wo Betroffene tatsächlich nicht für sich selber sorgen können. Das schnelle Bereitstellen einer Überbrückungsfinanzierung bzw. einer entlöhnten Arbeitsmöglichkeit unterstütze die Eigenverantwortung von arbeitsfähigen Menschen und vermeide möglicherweise die Aufnahme in die Sozialhilfe. Die – grossmehrheitlich auf kantonaler Ebene festgelegte – Sozialpolitik im Kanton Solothurn hat die Weichen in Richtung Gegenleistungsprinzip im
neuen Sozialgesetz bereits gestellt. Das Gegenleistungsprinzip ist dort fest verankert. Es geht somit nicht um eine Kehrtwende in der Sozialpolitik und um damit verbundenen Handlungsbedarf, sondern um die Diskussion eines zusätzlichen Instrumentes zur Umsetzung der Sozialpolitik.
Das zusätzliche Instrument wäre wie folgt zu beschreiben: Personen, die sich für ein Intake beim Sozialamt melden, körperlich und psychisch gesund und damit arbeitsfähig sind, werden für die Dauer eines Monates einem Gemeindearbeitsprogramm zugewiesen und dort beschäftigt. Für ihren Einsatz werden sie entschädigt. Winterthur führe ein solches Projekt (Passage). Dieses habe zum Ziel, vor dem Bezug von Sozialhilfe eine Gegenleistung einzufordern. Der Arbeitseinsatz würde zudem die Eigenverantwortung der Beteiligten fördern, Schwarzarbeit reduzieren, den Tagesablauf unterstützen und den Einstieg in die Arbeitswelt vereinfachen. Jährliche Auswertungen würden zeigen, dass die angestrebten Wirkungen in hohem Masse erreicht würden. Die Gatekeeping-Funktion würde Sozial- missbrauch vorbeugen, die Effizienz der Sozialhilfe steigern und hätte einen wirtschaftlich positiven Effekt. Pro Franken, den Winterthur in das Projekt „investiere“, würden im Sozialhilfebereich vier Franken gespart.
Im Kanton Solothurn besteht ein Angebot etablierter und bewährter Gemeinde- arbeitsprogramme. Im Raum Olten-Gösgen ist dies in erster Linie das Angebot der Oltech. Die Sozialregion Olten weist konsequent alle Personen einem Arbeitsprogramm zu, die körperlich und psychisch zu einer Arbeitsleistung fähig sind. Bei den an die beschäftigten Personen ausbezahlten Leistungen handelt es sich um Sozialhilfeleistungen. Zusätzlich ist für die Betreuung ein Beitrag von monatlich Fr. 1‘000.-- an das Programm zu entrichten. Dieser zusätzliche Beitrag wird ebenfalls der Sozialhilfe belastet. Die entsprechenden Kosten werden im Lastenausgleich des Kantons berücksichtigt. Die Plätze müssen vom Kanton anerkannt und als lastenausgleichsberechtigt deklariert sein.
Arbeitseinsatzprogramme führen in der Regel zu zusätzlichen Kosten. Die Programme, respektive deren Produkte dürfen private Anbieter nicht konkurrenzieren. Sie befassen sich mit Aufgaben, die von Privaten nicht wirtschaftlich erbracht werden können. Die zugewiesenen Personen sind meistens aus arbeitsmarktlicher Sicht schlecht positioniert und betreuungsintensiv. Ob Programme tatsächlich die Integration in den ersten Arbeitsmarkt fördern oder ob sie eher den Betroffenen eine Tagesstruktur bieten und deren Menschenwürde wahren, ist kritisch zu prüfen. Jedenfalls kommt die umfassende SECO-Studie (SECO Publikation Arbeits- marktpolitik No. 28/7.2009) zum Schluss, es sei keine Korrelation zwischen Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt und den als Integrationshilfen ausgewiesenen Leistungen festzustellen. Aus rein ökonomischer Sicht sei eine Nicht-Zuweisung wirtschaftlicher. Die Zuweisungen würden somit eher aus sozialpsychologischer Sicht Sinn ergeben. Auch Aussagen wie „ein eingesetzter Franken spart 4 Franken (Passage)“ oder „1 in die Sozialhilfe „investierter“ Franken bringt der Wirtschaft 2 Franken (Monika Stocker)“ entpuppen sich bei genauerer Analyse wohl als grobe Verzerrung. Nüchtern betrachtet kostet jedes Arbeitsprogramm. Auch das vorgeschlagene neue Instrument würde Kosten verursachen: Kosten der Sozialhilfeleistungen an die Programmteilnehmer und Programmkosten (Personal- und Infrastrukturkosten).
Rechtlich betrachtet besteht – nach erfolgter umfassender Abklärung im Rahmen eines Intake – dann ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Sozialhilfeleistungen, wenn Bedürftigkeit ausgewiesen ist. Die Zuweisung von Arbeit muss verwaltungsrechtlich korrekt und nach Gewährung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen erfolgen. Dieser Ablauf funktioniert in der Sozialregion Olten und hat sich eingespielt. Da die Einsatzdauer der Gemeindearbeitsplätze nicht zeitlich befristet ist, können bei der Aufnahme von neuen Teilnehmenden Wartezeiten entstehen.
Erwägungen
Aufgrund der Tatsache, dass im Kanton Solothurn das Gegenleistungsprinzip im Sozialgesetz verankert ist, wird die Wirkung – die „Spreu vom Weizen“ zu trennen – bereits erzielt. Nach Einschätzung des Stadtrates würden durch die Einführung des Projektes „Passage“, keine wesentlichen Veränderungen in der Handhabung der Sozialhilfe herbeigeführt. Das Intakeprozedere würde verlängert und es würden zusätzliche Kosten, welche nicht im Lastenausgleich Berücksichtigung finden, anfallen.
Der Stadtrat beantragt angesichts der im Zusammenhang mit dieser Beantwortung bereits erfolgten Prüfung die Überweisung und gleichzeitige Abschreibung des Postulates.