Am 17. Januar haben Stephan Hodonou (EVP), Christian Werner (SVP) und Mitunterzeichnende folgenden Vorstoss dringlich eingereicht:
„Der Stadtrat wird aufgefordert, die Einführung der geplanten Projekte Spezielle Förderung und Einführung einer altersgemischten Eingangsstufe zu sistieren, bis dass der Kanton klare Rahmenbedingungen in einer Verordnung erlassen hat und städtische Kleinklassen geschaffen worden sind, welche die problematischen Nebenerscheinungen der geplanten Projekte auffangen können.
Zur Dringlichkeit:
Das neue Schuljahr beginnt am 16. August 2011, doch die Pensenplanung hat bereits jetzt zu erfolgen. Aufgrund des Vetos im Kantonsrat am 15. Dezember 2010 besteht eine Unsicherheit, was die gültigen Planungs- und Umsetzungsmassnahmen für die Spezielle Förderung aber auch für die altersgemischte Eingangsstufe betrifft. Ein parlamentarischer Entscheid für einen Zwischenstopp zum jetzigen Zeitpunkt gäbe allen Beteiligten frühzeitig mehr Klarheit über den weiteren Weg und würde sicherstellen, dass allfällige Anpassungen bei den Pensenanträgen beim Amt für Volksschule und Kindergarten (AVK) termingerecht eingereicht werden könnten.
Begründung:
1. Am 15. Dezember 2010 hat der Kantonsrat sein Veto betreffs der Umsetzung der Speziellen Förderung eingelegt, weil die kantonalen Rahmenbedingungen für eine Umsetzung ungenügend waren. Der Stadtrat gedenkt jedoch gemäss seiner Orientierung vom 16. Dezember 2010 an der geplanten Einführung sowohl der Speziellen Förderung als auch der Eingangsstufe (altersgemischte 1. und 2. Klasse) auf August 2011 festzuhalten.
2. Die geplante Einführung erfolgt vorauseilend, ohne dass ein Zwang bestünde, sie auf diesen Sommer umzusetzen. Zudem fehlt der Stadt eine Referenzgemeinde sowohl für die Spezielle Förderung als auch für die Eingangsstufe, welche für die Stadt Olten relevant wäre. Bis zum heutigen Tag verfügen die betroffenen Lehrpersonen nicht über die notwendigen Informationen für eine Umsetzung. Das hat zur Folge, dass sämtliche Fehler, welche gemacht werden können auch gemacht werden, weil man auf keine relevanten Erfahrungen und Informationen zurückgreifen kann. Ein solches Vorgehen verursacht hohe Kosten, frustriert die Lehrpersonen und verunsichert Eltern und die betroffenen Kinder.
3. Die vorgesehene Umsetzung der geplanten Projekte kann eine gleichwertige Förderung lernstarker Kinder oder Kinder mit kleineren Defiziten, wie sie zurzeit besteht (z. B. mit dem Instrument der Begabtenförderung), nicht garantieren. Die bisher gemachten Erfahrungen mit der Speziellen Förderung insbesondere auf der Rechten Aareseite haben gezeigt, dass sich disziplinarische Probleme in schwierigen Klassen eher verschärfen, so dass die Lehrpersonen systemisch überfordert werden. Für diese Situationen braucht es als flankierende Massnahme permanente städtische Kleinklassen, welche schwierige Schülerinnen und Schüler zeitweise betreuen und so ein optimales Lernklima in der Regelklasse ermöglichen. Die vorzeitige Umsetzung der geplanten Projekte lässt lernstarke Kinder ohne effizienten (Lern)Schutz.
4. Die vorzeitige Umsetzung der beiden Projekte setzt Kinder, Lehrpersonen und Eltern unnötig unter Druck, da vor allem auf der Primarschulstufe mit dem Übertritt in die Sek P oder der Einführung des Frühfranzösischs auf den Sommer 2011 genügend Reformprojekte anstehen, welche alle Beteiligten mehr als genug fordern werden. In einer solchen Situation ist eine freiwillig vorzeitige Umsetzung der Speziellen Förderung und einer altersgemischten Eingangsstufe strategisch nicht ratsam.“
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Stadtrat Mario Clematide beantwortet den Vorstoss im Namen des Stadtrates wie folgt:
Zur Dringlichkeit:
Der Stadtrat stimmt der Dringlichkeit zu. Nicht, weil die Pensenplanung jetzt zu erfolgen hat, sondern wegen der unsicheren Situation aufgrund des angenommenen kantonsrätlichen Vetos zur Vollzugsverordnung in Sachen Spezieller Förderung. Die Abteilungsbewilligung für das Schuljahr 2011/12 liegt seit Dezember 2010 vor. Sie führt zu den günstigen Umsetzungsbedingungen (kleine Klassen, grosszügiger Lektionenpool für die Realisierung der Speziellen Förderung), wie sie im verteilten Communiqué anlässlich der Dezembersitzung enthalten sind.
Zum Inhalt:
1. Erwägungen
a) Geschichtliches
2007 hat der Kantonsrat das Volksschulgesetz geändert und damit die Grundlagen in Sachen Spezielle Förderung und Sonderpädagogik gelegt. Spezielle Förderung bedeutet im Wesentlichen die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Teilleistungsschwächen (z. B. sprachlicher oder mathematischer Art), die Förderung von besonders begabten Schülerinnen und Schülern und die Integration der bisherigen Kleinklassenschülerinnen und Schüler in die Regelklassen. Das Referendum wurde nicht ergriffen. Die Inkraftsetzung wurde ursprünglich für Beginn des Schuljahres 2010/11 vorgesehen, dann aber auf Beginn des Schuljahres 2011/12 verschoben. Mit der Verschiebung sollte eine umfassendere Mitwirkung der Beteiligten an den Vorbereitungsarbeiten ermöglicht werden.
b) Zur Strategie der Schule Olten in Sachen Spezielle Förderung
Die Schule Olten ist der grösste Schulträger im Kanton Solothurn. Er wird nach dem vom Gemeindeparlament grossmehrheitlich verabschiedeten Konzept der geleiteten Schule geführt. Mit dem Heilpädagogischen Schulzentrum (HPSZ) verfügt die Stadt Olten über ein Kompetenzzentrum in Sachen Sonderpädagogik und Spezieller Förderung. Im Wissen um die systemimmanente Trägheit des Systems Schule hat der Stadtrat die Direktion Bildung und Sport beauftragt, ein lokales Konzept zur Speziellen Förderung auszuarbeiten und schrittweise umzusetzen. Es sollte dabei auf die zu erwartenden kantonalen Vorgaben Rücksicht genommen werden. Im Zuge dieser Entwicklung sind die beiden Schulhäuser Bifang und Säli als Erfahrungsstandorte bestimmt und die dortigen Kleinklassen schrittweise aufgehoben worden. Es wird also in Olten bereits integriert unterrichtet und es werden Erfahrungen gesammelt, die ins definitive lokale Konzept einfliessen werden.
c) Zum gutgeheissenen kantonsrätlichen Veto in Sachen Spezieller Förderung
Mit deutlicher Mehrheit hat der Kantonsrat am 15. Dezember 2010 das Veto zur Vollzugsverordnung zum Volksschulgsetz zur Speziellen Förderung angenommen. Mit Ausnahme vor allem der Vertreter der SVP blieb der gesetzliche Auftrag unbestritten. Wesentliche Gründe für den Unmut waren die unprofessionelle Projektleitung seitens des AVK, die fehlende Transparenz hinsichtlich finanzieller Auswirkungen und die Ansicht, dass der vom Kanton subventionierte Stundenpool für die Umsetzung zu gering sei.
d) Weiteres Vorgehen des Departementes für Bildung und Kultur des Kantons Solothurn
Das DBK wird dem Regierungsrat vorschlagen, dass dem Kantonsrat vorderhand keine neue Vollzugsverordnung vorgelegt wird. Es soll vielmehr ein auf 4 Jahre angelegter Schulversuch (2011-2015) auf der Basis der bereits bewilligten Abteilungseingaben durchgeführt werden. Der Schulversuch wird extern wissenschaftlich begleitet und soll es ermöglichen, nach 3 Jahren die unter c) gestellten offenen Fragen zu beantworten. Dieser Entscheid wurde auch im Hinblick darauf gefällt, dass bereits gegen 70 % der solothurnischen Schulträger integriert unterrichten und 90% ihre Pensenplanung für das Schuljahr 2011/2012 darauf ausgerichtet haben.
2. Zu den einzelnen Begründungen der Motion
Begründung 1 Stadträtliches Festhalten an der geplanten Einführung
1./2. Klasse altersgemischt: Der in der Motion verwendete Begriff „altersgemischte Eingangsstufe“ ist irreführend. Im Kanton Solothurn ist keine Eingangsstufe (Kindergarten und Unterstufe gemischt in der gleichen Lerngruppe) vorgesehen. An der Schule Olten trägt man mit dem altersgemischten Lernen auf der Unterstufe (1. und 2. Klassen) der Tatsache Rechnung, dass die Einführungsklassen aufgehoben werden, die entsprechende Schülerschaft aber vorhanden ist. Mit dem altersgemischten Lernen kann die Schule Olten den individuellen Lern- und Entwicklungstempi von Schülerinnen und Schülern gerecht werden. Die Unterstufe dauert in der Regel 2 Jahre. Beschleunigung (nur 1 Jahr) oder Verzögerung (3 Jahre) ist möglich.
Altersgemischtes Lernen ist kein Experiment. An allen Kindergärten und an den Einführungsklassen wird/wurde entsprechend unterrichtet. Die Schüler/innen sind an altersgemischtes Lernen gewöhnt und die Kompetenzen an den Schulen sind vorhanden oder können im Hinblick auf den Schuljahresstart 2011 aufgebaut werden.
Begründung 2 Einführung erfolgt vorauseilend, ohne dass ein Zwang besteht
Wie oben („Geschichtliches“) aufgeführt, besteht seit mehreren Jahren der gesetzliche Auftrag, die Spezielle Förderung umzusetzen. Dabei stehen weitere Reformen und Projekte in der Umsetzung oder sind geplant. Die Analyse dieser Ausgangslage hat dazu geführt, den gemeinsamen Nenner dieser Reformen zu definieren und Synergiepotenziale aufzuspüren. Dies hat die Schulleitungskonferenz im Jahr 2008 getan und die Entwicklungsschwerpunkte an der Schule Olten entsprechend festgelegt:
• Unterrichtsentwicklung
• Veränderungen im Berufsbild von Lehrpersonen
• Unterrichtsbezogene Zusammenarbeit unter Lehrpersonen
Seit 2008 befasst sich die Schule Olten intensiv mit diesen Themen. Als einer der vielfältigen Bezüge zwischen den einzelnen Reformen und Projekten sei als Beispiel genannt:
Spezielle Förderung/Sek I-Reform: Die Individualisierung innerhalb der Speziellen Förderung zielt darauf ab, die Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler für ihr Lernen zu stärken. Auf der neuen Sek I-Stufe findet dies seine Entsprechung in einem neuen Unterrichtsgefäss: dem selbstgesteuerten Arbeiten (1-3 Wochenlektionen an der Sek E und B).
Den Übergang zur Speziellen Förderung im Hinblick auf den feststehenden Start 2010 (später verschoben auf 2011) kann eine grosse Schule wie Olten nicht in einem halben Jahr vollziehen. Vielmehr bedeutet ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Gegebenheiten, sich rechtzeitig auf den Weg zu machen. Genau dies ist an der Schule Olten geschehen: Unterrichtsentwicklung in Unterrichtsteams, gezielte Weiterbildungsimpulse, Erarbeitung eines Uebergangskonzepts, Umsetzung der Speziellen Förderung an 2 Erfahrungsstandorten, weitere Konzeptarbeit im Hinblick auf den Start 2011, Schülerzahlen in Klassenplanung für 2011/2012 an der unteren Grenze, genügend Unterrichtslektionen für die Spezielle Förderung.
Die Schule Olten hat sich rechtzeitig eine gute Ausgangsbasis für die Umsetzung der Spe-ziellen Förderung erarbeitet, vor Fehlern sind wir nicht gefeit, es kann aber sicher ausgeschlossen werden, „dass sämtliche Fehler, die gemacht werden können, gemacht werden“.
Begründung 3 Häufung disziplinarischer Probleme
Disziplinarische Probleme an allen Schulen (nicht nur in Olten und nicht nur auf der rechten Aareseite) sind als sehr wichtiges Thema erkannt. Gute Schulen zeichnen sich dadurch aus, dass sie wirkungsvoll damit umgehen. Das Kriterium „effiziente Klassenführung“ ist mit das wichtigste der 10 bekannten Kriterien für guten Unterricht. Die Kompetenz der Schule Olten in diesem Bereich stärken wir durch Unterrichtsentwicklung, Support durch Schulsozialarbeit, den Schulpsychologischen Dienst, den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst und durch die zeitweise Anwesenheit eines schulischen Heilpädagogen (Fachperson für Schulschwierigkeiten). Durch die Anwesenheit des schulischen Heilpädagogen, der schulischen Heilpädagogin im Unterricht ergibt sich eine Verbesserung der Unterrichtssituation. Die Klassenführung kann verbessert werden und Lehrpersonen nehmen gelingende Zusammenarbeit im Klassenzimmer als entlastend wahr.
Die Vorstellung, dass sich durch die Spezielle Förderung disziplinarische Probleme verschärfen, ist generell nicht haltbar: Ebenso ist es generell nicht so, dass in der Regel Teilleistungsschwächen verantwortlich sind für die Verhaltensauffälligkeit von Schülerinnen und Schülern. Dieser Sachverhalt ist an den Erfahrungsstandorten Bifang und Säli bestätigt worden: von insgesamt 34 speziell geförderten Schülerinnen und Schülern sind 32 gut in die Klassen integriert und „von aussen“ betrachtet nicht als speziell geförderte wahrnehmbar. Zwei verhielten sich auffällig und erforderten disziplinarische Massnahmen.
Als flankierende Massnahme städtische oder regionale Kleinklassen vorzusehen, wie dies die Motionäre nahelegen, ist Teil des entstehenden Konzepts. Dieser Impuls ist bereits aufgenommen.
Begründung 4 Umsetzung setzt Kinder, Lehrpersonen und Eltern unter Druck
Für das Schuljahr 2011/2012 sind mehrere Projekte und Reformen umzusetzen: Spezielle Förderung, Sek I-Reform, Französisch in der 3. Klasse. Wie oben (Begründung 2) aufgezeigt, stehen diese nicht isoliert nebeneinander da, sondern es gibt vielfältige Bezüge. Die Vorstellung, die einzelnen Teile getrennt nacheinander additiv umzusetzen, ohne die zahlrei-chen Bezüge zu nützen, ist nicht oekonomisch.
Wir wissen, dass die Lehrpersonen belastet sind und wir sind uns bewusst, wie wichtig ihr Beitrag für das Gelingen der Projekte ist. Wir tragen dieser Tatsache Rechnung, indem wir Schritt für Schritt vorangehen, gemäss den Bedingungen und dem Entwicklungsstand an unserer Schule. Dass Veränderungen nicht ohne Irritationen verlaufen können, ist klar. Hier wollen wir Sicherheit vermitteln, indem wir am eingeschlagenen Weg festhalten und nicht bereits wieder die Richtung wechseln. Wir wollen dafür sorgen, dass die Reformen im Unterricht ankommen und dass sie unseren Schülerinnen und Schülern zu Gute kommen.
3. Antrag des Stadtrates
Im Sinne des geschichtlichen Rückblickes und der Erwägungen empfiehlt der Stadtrat dem Gemeindeparlament, die Motion nicht zu überweisen. Die Direktion Bildung und Sport soll am vierjährigen Schulversuch des DBK teilnehmen und ihren Einfluss als grösster Schulträger des Kantons massgebend geltend machen. Lokal soll der Schulversuch durch die Schulkommission als Fachkommission eng begleitet werden.