Die Gemeindeparlamentsfraktion der SP Olten hat am 15. Januar 2010 eine dringliche Motion mit folgendem Wortlaut eingereicht:
«Der Stadtrat wird aufgefordert, im Zusammenhang mit dem Projekt Bahnhof Ost die Sperrung der Tannwaldstrasse im Abschnitt Fachhochschule bis Knoten Geissfluhweg für den motorisierten Verkehr vorzunehmen.
Begründung
Die SP Olten ist erfreut, dass ein dringendes Infrastruktur-Projekt endlich in Angriff genommen wird. Sie unterstützt im Grundsatz dieses Vorhaben vollumfänglich. Dennoch gilt es vor der definitiven Veranlassung der Projektierung einen wesentlichen Punkt, jenen des Verkehrsregimes noch einmal zu beleuchten:
Der Südabschnitt der Tannwaldstrasse ist die wichtigste Langsamverkehrs-Verbindung von der Ostseite des Oltner Hauptbahnhofs zur Fachhochschule und ins Säli-Quartier. Bereits heute wird sie stark frequentiert. Mit der Eröffnung des Neubaus der Fachhochschule wird der Nutzungsdruck massiv erhöht werden. Die vorgesehene Umgestaltung zur Begegnungszone, mit einspuriger Verkehrsführung im Einbahnsystem für den motorisierten Individualverkehr, kann dem nicht gerecht werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass mit der Eröffnung des Sälihofs (mit Ausfahrt auf die Riggenbachstrasse) eine alte verkehrsplanerische Sünde fortgeschrieben wird und der Druck auf die jetzt schon überlasteten Knoten alte Aarauerstrasse-von Rollstrasse und von Rollstrasse-Unterführungstrasse noch mehr erhöht wird. Um zu verhindern, dass die Tannwaldstrasse durch den Ausweichverkehr überlastet wird, ist diese zu sperren.
Der Platz vor der Fachhochschule auf der Höhe der Winkelunterführung soll im Zuge des Neubaus eine Neugestaltung erfahren. Gerade an dieser Stelle treffen mehrere Verkehrsachsen aufeinander, so die Winkelunterführung, die Achse Bahnhof- Fachhochschule, die alte Aarauerstrasse und die Fuss- und Veloverbindung vom Säliquartier zum Bahnhof. Eine stark befahrene Tannwaldstrasse verunmöglicht eine fussgängerfreundliche Gestaltung.
Der Schwerverkehr zur und von der Firma EAO AG wird über den Geissfluhweg und die Tannwaldstrasse geführt. Somit fährt er mitten durch ein Wohnquartier und über den stark frequentierten Bahnhof. Mit der Sperrung der Tannwaldstrasse-Süd ist eine Verkehrsführung mit Zu- und Wegfahrt über die Industrie zu realisieren. Dazu ist das Hindernis des zu tiefen Lichtraumprofils bei den SBB-Tannwaldstrassenbrücken endlich anzupassen. Selbstredend sind die sonstigen Vorstellungen der Verkehrsführung mit Anwohner- und Anlieferungsvorteilen (z.B. Anlieferung FH, Vorfahrt Car Hotel Amaris, etc) vernachlässigbare Werte und stehen nicht im Widerspruch mit der Sperrung Tannwaldstrasse Süd.
Begründung der Dringlichkeit:
An der Parlamentssitzung vom 28.1.2010 ist voraussichtlich über einen Planungskredit für das Projekt Bahnhof Ost zu entscheiden. Die Motion macht nur Sinn wenn über diesen grundsätzlichen Punkt vor der Behandlung des Geschäftes Bahnhof Ost diskutiert werden kann.
Die Planungsarbeiten für das Projekt «Bahnhof Olten Ost» dürfen allerdings durch die Motion nicht behindert oder verzögert werden, da aus Sicht der Verfasser die beiden Themen unabhängig voneinander sind.»
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Stadtrat Martin Wey beantwortet den Vorstoss im Namen des Stadtrates wie folgt:
Das Gemeindeparlament hat an seiner Sitzung vom 28. Januar 2010 eine dringliche Behandlung des Vorstosses abgelehnt.
Formelles
Der vorliegende Vorstoss kann nur als Postulat behandelt werden. Motionen sind nur für Bereiche zulässig, in denen die Entscheidbefugnis ausdrücklich beim Parlament liegt. Hat in einem Bereich die Exekutive die abschliessende Kompetenz, können dazu keine Motionen eingereicht werden. Diese inhaltliche Beschränkung der zulässigen Gegenstände einer Motion folgt aus dem Prinzip der Gewaltenteilung. Die aufgeworfenen Punkte beschlagen ortsplanerische Bereiche. Nach § 9 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes ist die Ortsplanung (umfassend etwa die Gestaltung der Siedlungs- und Erschliessungsstrukturen der Stadt) Aufgabe der Einwohnergemeinde. Planungsbehörde ist von Gesetzes wegen der Stadtrat.
Zum Inhalt
Am 28. Januar 2010 behandelte das Gemeindeparlament das Geschäft «Umgestaltung Bahnhof Ost». Dabei konnte festgestellt werden, dass die Meinungen der Fraktionen bzw. Gemeindeparlamentarier/-innen betreffend die Verkehrsmassnahmen weit auseinander gingen. Der Stadtrat versprach denn auch, die verschiedenen Anliegen zu überprüfen und wenn immer möglich und zweckmässig in die zu erarbeitende definitive Vorlage einfliessen zu lassen.
Das Ziel der neuen Verkehrsführung mit Begegnungszone ist die Schaffung einer guten Erschliessungssituation für das Gebiet Bahnhof Ost. Dabei sollen nicht nur die berechtigten Anliegen des Langsamverkehrs, sondern aller Verkehrsteilnehmenden wie auch der Quartierbevölkerung und der ansässigen Betriebe berücksichtigt und quartierfremder Verkehr von und aus dem Industriegebiet Nord weitgehend eliminiert werden. Gegenüber der heutigen Situation wird mit dem neuen Verkehrsregime eine deutlich bessere Verkehrssituation in diesem Gebiet prognostiziert. Diese Situation darf und wird mit einem bestimmten, insbesondere durch die neue Fachhochschule erzeugten, Mehrverkehr belastet werden.
Den Fussgängerinnen und Fussgängern steht entlang dem südlichen Bereich der Tannwaldstrasse, d. h. ab Martin Disteli-Strasse, ein durchgehend über 3 m breiter, reiner Fussgängerbereich zur Verfügung. Unter Berücksichtigung einer möglichen Bepflanzung reicht diese Breite aus, dass 4 Personen nebeneinander, und in welcher Kombination der Verkehrsrichtungen auch immer, bequem verkehren können. Dies darf betreffend einer vom Fussverkehr auch stark begangenen Route als akzeptabel bezeichnet werden, selbst wenn der daneben fahrende motorisierte Individualverkehr ein grösseres Ausmass als prognostiziert annähme. Die Einführung der Begegnungszone bzw. des Tempo 20 verbessert die Situation des Langsamverkehrs noch weiter. Eben gerade dadurch wird eine weitergehende fussgängerfreundliche Gestaltung wie auch Nutzung des öffentlichen Strassenraumes ermöglicht, welches auch das tolerante und rücksichtsvolle Miteinander aller Verkehrsteilnehmenden beinhaltet.
Aufgrund dieser Tatsachen ist in einem ersten Schritt die Sperrung der südlichen Tannwaldstrasse, auch unter Berücksichtigung des dadurch entstehenden zusätzlichen Verdrängungseffektes des motorisierten Individualverkehrs, nicht zweckmässig. Die vom Stadtrat vorgeschlagene Verkehrslösung erreicht die gesteckten Ziele mit den geringst möglichen Einschränkungen, was den Vorgaben der Strassen-Signalisationsverordnung (SSV) entspricht. Weitergehende Massnahmen, wie z.B. die vorgeschlagene Sperrung, sollen erst dann ergriffen werden, wenn insbesondere an der Kreuzung Martin Disteli-Strasse und Tannwaldstrasse unverantwortbare Konflikte zwischen den verschiedenen Verkehrsarten nicht anders lösbar sind.
Der Stadtrat empfiehlt deshalb dem Gemeindeparlament, das Postulat nicht zu überweisen.