Am 11. Januar 2018 reichten die Fraktionen FDP, SVP und CVP folgenden Vorstoss ein:
„Der vom Stadtrat Mitte Dezember 2017 vorgestellte Mobilitätsplan für die Stadt Olten ist umfangreich (
http://www.olten.ch/de/portrait/ueberolten/aktuellesinformationen/?action=showinfo&info_id=445523). Trotzdem fehlen darin entscheidende Fakten. Bevor Zwangs¬mass¬nahmen gegen den Individualverkehr ergriffen werden, muss objektiv geklärt sein, welche ökonomische Bedeutung dieser Verkehr für Gewerbe und Industrie hat. Zusätzlich muss der Mobilitätsplan transparent und nachvollziehbar über die Datenerhebung und deren politische Interpretation informieren.
Der Mobilitätsplan bezieht sich auf Verkehrserhebungen und Verkehrsprognosen. Es bleibt aber bisher weitgehend unklar, wie genau die für die Planung genutzten Daten erhoben und interpretiert wurden. Die fehlenden Informationen über das Studiendesign überraschen negativ. Anderswo diskutieren Fachleute nämlich intensiv über die «Ermittlung von Stand¬ards für anforderungsgerechte Datenqualität bei Verkehrserhebungen»
(siehe
http://bast.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2012/330/pdf/V200.pdf) und über die «Qualitätssicherung für die Anwendung von Verkehrsnachfragemodellen und Verkehrsprognosen» (
http://www.zis-p.at/2010_Qualivermo-Qualit%E4tssicherung_von_VM_2011-04-26_v99g).
Frage 1: Wie kann der Stadtrat nachweisen, dass die grundlegenden Daten zum Mobilitätsplan für Olten massgeschneidert erhoben wurden und genaue Prognosen für die künftige Verkehrsentwicklung auf dem Stadtgebiet ermöglichen?
Frage 2: Verkehrsprognosen hängen von Annahmen ab. Annahmen sind mit Unsicherheiten verbunden. Je nach Gewichtung der Annahmen und Unsicherheiten entstehen andere Prognosen. Warum präsentiert der Stadtrat im Mobilitätsplan trotzdem nur eine einzige «Wahrheit» über die künftige Entwicklung?
Der motorisierte Individualverkehr ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Industrie, das Gewerbe und den Detailhandel. Parkplätze sind nicht Selbstzweck. Sie haben eine grosse wirtschaftliche Bedeutung – für Kunden, für Mitarbeitende und für Lieferanten. Wer Parkplätze in der Stadt einschränkt, gefährdet Arbeitsplätze in der Stadt. Zwangsmassnahmen können Unternehmen, Gewerbe und Bevölkerung abschrecken. Doch diese Zusammen-hänge werden im vorliegenden Oltner Mobilitätsplan gar nicht angesprochen.
Frage 3: Warum hat der Stadtrat die wirtschaftlichen Folgen des von ihm angestrebten Parkplatzabbaus in Olten für Detailhandel, Gewerbe und Industrie nicht einmal ansatzweise berechnen lassen?
Zürich liess 2011 die «wirtschaftliche Bedeutung von Parkplätzen in der Stadt Zürich» untersuchen. Diese Untersuchung gilt bis heute als Referenz für andere Städte. Ein Ergebnis: Jeder Strassenparkplatz in der Innenstadt von Zürich generiert durchschnittlich einen Umsatz von CHF 328'000 pro Jahr (https://www.stadt-zuerich.ch/content/dam/stzh/ted/
Deutsch/taz/Mobilitaet/Publikationen_und_Broschueren/Parkierung/SBERZHUMSATZPP.pdf).
Frage 4: Ausgehend von den Zahlen in Zürich darf angenommen werden, dass jeder Parkplatz in der Oltner Innenstadt mindestens einen Umsatz von CHF 100'000 pro Jahr auslöst. Entsprechend kann der angestrebte Parkplatzabbau im Einkaufsort Olten zu Umsatzverlusten in zweistelliger Millionenhöhe führen. Wie beurteilt der Stadtrat die wirtschaftlichen Folgen seines neuen Parkplatzregimes für die Wirtschaft?“
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Im Namen des Stadtrates beantwortet Stadtpräsident Martin Wey den Vorstoss wie folgt:
Frage 1: Wie kann der Stadtrat nachweisen, dass die grundlegenden Daten zum Mobilitätsplan für Olten massgeschneidert erhoben wurden und genaue Prognosen für die künftige Verkehrsentwicklung auf dem Stadtgebiet ermöglichen?
und
Frage 2: Verkehrsprognosen hängen von Annahmen ab. Annahmen sind mit Unsicherheiten verbunden. Je nach Gewichtung der Annahmen und Unsicherheiten entstehen andere Prognosen. Warum präsentiert der Stadtrat im Mobilitätsplan trotzdem nur eine einzige «Wahrheit» über die künftige Entwicklung?
Der Mobilitätsplan macht keine Prognose über die künftige Verkehrsentwicklung im Stadtgebiet. Das heutige Verkehrsaufkommen bildet die Ausgangslage. Zum heutigen Verkehrsaufkommen wird der zu erwartende Neuverkehr aus den Entwicklungsgebieten addiert. Die Daten zeigen eindrücklich, dass der erwartete Zusatzverkehr zu massiven Überlastungen im Strassennetz führen wird. Durch Umlagerung eines MIV-Anteils aus den Entwicklungsgebieten sowie eines Anteils des bestehenden Autoverkehrs auf den ÖV, Fuss- und Veloverkehr sollen die Kapazitätsgrenzen der Strasse bis 2030 eingehalten bleiben. In dieser Bilanz werden keine Prognosen über die allgemeine Verkehrsentwicklung getroffen, weil diese im urbanen Raum und bei ausgelastetem Strassennetz von spezifischen Faktoren abhängt. So entwickelte sich bspw. der Gesamtverkehr im Raum Olten gemäss den kantonalen Verkehrszählungen in der Periode 2010-2015 sogar leicht rückläufig, ähnlich der Entwicklung in verschiedenen grösseren Städten. Zu erwähnen ist lediglich, dass sich der Handlungsbedarf unter Annahme einer allgemeinen Verkehrszunahme entsprechend noch grösser darstellen würde.
Die Abschätzung des heutigen Verkehrsaufkommens basiert auf den Daten der kantonalen Verkehrszählung 2015 (Stichprobenerhebung an einem Tag), welche anhand der laufend erhobenen Daten der automatischen Verkehrs¬zäh¬ler, welche an ausgewählten Knoten auf dem Hauptstrassennetz installiert sind, plausibilisiert werden.
Die Abschätzung der Nutzungsentwicklung für Wohnen und Arbeiten in den Entwicklungsgebieten basiert auf einer detaillierten Erhebung der Entwicklungspotentiale und begründeten Annahmen zur zeitlichen Realisierung. Das effektive Wachstum ist letztlich von privaten Investitionsentscheidungen und der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung abhängig, insbesondere auch in Olten SüdWest, wo rund die Hälfte der städtischen Entwicklungspotentiale bis 2030 liegen. Für Olten SüdWest wurde ein Ausbaugrad von rund 2/3 bis 2030 angenommen, was einem durchschnittlichen Wohnungsabsatz von jährlich 100 Wohnungen in der Periode 2015-2030 entspricht.
Die Abschätzung der Verkehrserzeugung aus den Wohn- und Arbeitsnutzungen in den Entwicklungsgebieten basiert auf anerkannten, zuverlässigen Erfahrungswerten, wobei bewusst zurückhaltende Annahmen resp. tiefe Werte verwendet wurden: 2,5 Fahrten am Tag pro Parkplatz Wohnen; 3,5 Fahrten am Tag pro Parkplatz Arbeiten.
Die Entwicklung der Mobilität ist von der Bevölkerungsentwicklung, aber auch vom Mobilitätsverhalten der Bevölkerung abhängig. Aus diesem Grund ist ein Controlling und Monitoring notwendig, wie es der Stadtrat vorsieht. Dieses beobachtet diese Entwicklungen und schlägt den politischen Behörden Änderungen auf der Massnahmenebene vor, falls sich die Erwartungen in die eine oder andere Richtung nicht erfüllen. Dazu gehören auch technische Entwicklungen, deren künftige Effekte und Akzeptanz zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbar sind; daher wäre deren Aufnahme über die Erwähnungen im Synthesebericht hinaus sehr spekulativ gewesen.
Frage 3: Warum hat der Stadtrat die wirtschaftlichen Folgen des von ihm angestrebten Parkplatzabbaus in Olten für Detailhandel, Gewerbe und Industrie nicht einmal ansatzweise berechnen lassen?
und
Frage 4: Ausgehend von den Zahlen in Zürich darf angenommen werden, dass jeder Parkplatz in der Oltner Innenstadt mindestens einen Umsatz von CHF 100'000 pro Jahr auslöst. Entsprechend kann der angestrebte Parkplatzabbau im Einkaufsort Olten zu Umsatzverlusten in zweistelliger Millionenhöhe führen. Wie beurteilt der Stadtrat die wirtschaftlichen Folgen seines neuen Parkplatzregimes für die Wirtschaft?“
Der Abbau von öffentlichen und öffentlich zugänglichen Parkplätzen ist im Mobilitätsplan und im Parkierungsreglement kein Thema. Um die Auswirkungen auch auf private Nutzungen, insbesondere auch im Interesse der lokalen Wirtschaft, zu begrenzen, hat sich der Stadtrat in der Überarbeitung des Mitte Dezember 2017 vorgelegten Reglementsentwurfs dafür entschieden, in den Übergangsregelungen festzuhalten, dass beim Inkrafttreten des Reglements bestehende Parkfelder nicht aufgehoben werden müssen.
Der Mobilitätsplan bezweckt die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Verkehrsnetzes bis 2030. Dies ist gerade auch für das Gewerbe von entscheidender Bedeutung. Die Push- und Pull-Faktoren des Mobilitätsplans zielen darauf ab, dass der wirtschaftlich notwendige Verkehr sichergestellt und ein Teil des vermeidbaren Autoverkehrs auf den ÖV und Langsamverkehr umgelagert werden kann. Dazu zählt insbesondere der in den Hauptverkehrszeiten anfallende Pendlerverkehr.
Der Stadtrat ist deshalb der Auffassung, dass der Mobilitätsplan mit dem Parkierungsreglement als zentraler Baustein mittel- und langfristig entschieden positive Wirkungen auf die Stadtentwicklung und Standortqualität für Wohnen und Arbeiten entfalten wird.